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Zwei Städte, ein ProblemWarum Grenoble für Köln Vorbild im Kampf gegen Feinstaub ist

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Grenoble liegt in einem Talkessel, es kann sehr heiß werden in der Stadt.

  1. Die französische Großsstadt Grenoble ächzt wie Köln unter dem Autoverkehr, mit schwerwiegenden Folgen für die Umwelt und die Gesundheit der Einwohner.
  2. Doch anders als in Köln setzt Frankreichs erster grüner Großstadtbürgermeister Eric Piolle dort neue Maßstäbe im Kampf gegen Feinstaub und Kohlendioxid.
  3. Er kämpft mit knallharten Maßnahmen für ein grünes Grenoble. Die Stadt Köln könnte viel von ihm lernen.
  4. Ein Ortsbesuch.

Köln/Grenoble – Eine Seilbahn zum Wohlfühlen ist das. Dunkles Holz, helles Aluminium, Panoramafenster. Und sicher ist sie offenbar auch. Das Tragseil, steht auf einer Plakette zu lesen, würde selbst bei einer Belastung von 150 000 Tonnen nicht reißen. Und doch wird einem auf der Fahrt zu Grenobles Fort de la Bastille mulmig. Denn da rückt nicht nur die 264 Meter über der Stadt gelegene Festung näher. Beim Blick durchs Plexiglas-Fenster glaubt man auch zu erkennen, was beim Einsteigen noch graue Theorie schien: die über Grenoble hereinbrechende Klimakatastrophe.

In einer vom Rathaus herausgegebenen Broschüre war von ihr die Rede gewesen.Grenoble sei eine Hitzeinsel, stand da. Die dichte Bebauung im Stadtzentrum wirke wie ein gigantischer Wärmespeicher. Es fehle an Verdunstungskühle spendendem Grün. Die Talkessellage verhindere den Luftaustausch mit der Umgebung. Schon jetzt sei die Temperatur in der Innenstadt fünf bis acht Grad höher als am Rand. Bis 2050 seien in Grenoble jährlich 43 Tage mit Temperaturen über 35 Grad zu erwarten – einhergehend mit gefährlich hohen Schadstoff- und Ozonkonzentrationen in der Luft.

Übertrieben hatte das geklungen. Das für einen Spätsommertag milde Wetter, der vom Paul-Mistral-Park herüberdringende Duft nach frisch gemähtem Gras signalisierten anderes. Aber nun nimmt das in der Broschüre geschilderte Kesselphänomen eben Konturen an. Rundum ragen Berge auf, gekrönt von kahlen Felswänden, an denen kein Baum, kein Strauch mehr Halt findet. Im Tal zeichnet sich unter flimmernd-heißer Luft ein Häusermeer ab. Ziegel- und Flachdächer schieben sich nahtlos ineinander. 160000 Einwohner drängen sich darunter. Im Ranking der am dichtesten besiedelten Gemeinden Frankreichs liegt Grenoble auf Platz drei. Und als das Fort erreicht ist, flimmert die Luft dann nicht mehr nur. Der Blick bleibt in einer Dunstglocke hängen.

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Eric Piolles Amtszeit endet 2020. Derzeit ist ungewiss, ob er dann noch einmal kandidiert.

Aber da ist auch Hoffnung. Grenoble rebelliert. Die Stadt wehrt sich gegen die zumal von Autos freigesetzten Schadstoffe: gegen Krebs erregenden Feinstaub, den Treibhauseffekt verstärkendes Kohlendioxid (CO2), Augen und Atemwege reizendes Ozon. Eric Piolle marschiert vorneweg, Frankreichs erster grüner Großstadtbürgermeister.

Wenn es um Umweltschutz geht, kennt er kein Pardon. Als „Pol Piolle“ schmähen ihn diejenigen, die sich dem Ökofeldzug des Stadtoberhaupts entgegenzustellen versuchten und auf der Strecke geblieben sind – eine Anspielung auf die Terrorherrschaft des früheren kambodschanischen Diktators Pol Pot.Der 45-Jährige selbst sieht sich als „optimistischer Kämpfer“. Der Ingenieur und frühere Manager des Computerherstellers Hewlett Packard, der 2014 wider alle Prognosen das Rathaus erobert hat, kämpft für ein grünes Grenoble. Piolle hat in der Stadt flächendeckend Tempo 30 eingeführt und Order gegeben, die Höchstgeschwindigkeit auf den verbleibenden Straßen an Tagen mit hoher Luftverschmutzung um 20 Stundenkilometer zu reduzieren. Mit quer durch die Stadt verlaufenden Fahrradschnellstraßen, neuen Straßenbahnlinien und Fußgängerzonen hat er Fortbewegungsalternativen geschaffen, Autofahrern das Vorankommen aber zugleich noch mehr erschwert.

Auch hat der Umweltschützer zum 1. Januar 2017 eine Vignettenpflicht eingeführt. Je nach Schadstoffausstoß bekommen Autos grüne, lila, gelbe, orange, braune oder graue Aufkleber zugeteilt. Nutzfahrzeuge, die mit brauner oder grauer Vignette als Dreckschleudern ausgewiesen sind, dürfen im Stadtzentrum und angrenzenden Gebieten an Werktagen zwischen 6 und 19 Uhr nicht mehr verkehren.

Betroffen sind vor dem 1. Oktober 1997 zugelassene Lieferwagen und vor dem 1. Oktober 2001 zugelassene Lkw. An Tagen mit hoher Luftverschmutzung trifft der Bannstrahl alle Autos, die braune oder graue Vignetten tragen.Anfang nächsten Jahres folgt der nächste Schritt. Rund um den verkehrsberuhigten Teil Grenobles soll dann Frankreichs größte Zone mit niedrigem Schadstoffausstoß (ZCR) entstehen. Neun Nachbargemeinden wollen sich den von Piolle erlassenen Verkehrsbeschränkungen anschließen. Diesel-Lkw, so modern sie auch sein mögen, ist die Zufahrt zur neuen ZCR verwehrt. Bis spätestens 2025 werden die meisten anderen Nutzfahrzeuge ebenfalls draußen bleiben müssen.

Mit dem Dienstfahrrad zur Arbeit

Anders als die üble Nachrede vom Pol Piolle und der Umfang des Verordneten nahelegen, setzt der Vater von vier Kindern freilich weniger auf Furcht vor Strafe als auf Freude an umweltgerechtem Verhalten. „Lust auf Umweltschutz will ich machen“, sagt er. Nur so, glaubt er, könnten sich dauerhaft neue Reflexe herausbilden wie etwa jener, das Auto am Stadtrand auf einem der acht großen Parkplätze zurückzulassen. „Um 50 Prozent verbilligte Bahn- und Bustickets für Jugendliche, 320 Kilometer Radwege im Großraum Grenoble, 12.000 Fahrradstellplätze oder auch neue Straßenbahnlinien – da macht es doch Spaß, das Auto stehen zu lassen“, findet der Bürgermeister. Er selbst fährt mit dem Dienstfahrrad zur Arbeit. Über dem Vorderrad ist ein Einkaufskorb montiert. „Für die Akten“, sagt Piolle.

Und gibt es etwas Schöneres als Radfahren in Grenoble? Gegen eine Tagesmiete von drei Euro händigt eine Mitarbeiterin des Unternehmens Métrovélo am Bahnhof das Rad Nummer 8125 aus. Knallgelb ist es und erstaunlich leicht. Fast alles kann man mit ihm machen, ist Radfahrern in Grenoble doch fast alles erlaubt.

Eine Revolution für Frankreich

Unbekümmert braust man gegen die dem Autoverkehr vorgeschriebene Fahrtrichtung durch Einbahnstraßen, erfreut sich an breiten, ehemals Autos vorbehaltenen Fahrspuren, die den Radlern nun allein gehören. In von Radfahrern bereits eroberten Nationen wie den Niederlanden mag dies die Regel sein. Für Frankreich ist es eine Revolution.

Am Ufer der Isère angelangt, stößt man auf einen der von Piolle in Auftrag gegebenen öffentlichen Schrebergärten. Bürger können dort Blumen pflanzen oder Gemüse anbauen. Aus einem Holzbottich quillt Minze, am Boden reift ein Kürbis. Bunte Flecken im Stadtbild sind die Gärten, die umso mehr die Blicke auf sich ziehen, als ihnen Werbetafeln und Leuchtreklame kaum Konkurrenz machen. „Eine friedvolle Stadt“ hat Piolle den Bürgern versprochen. Plakative Aufforderungen zum Konsum, findet er, vertragen sich damit nicht. Das Stadtoberhaupt hat sie im öffentlichen Raum verboten.

Anderswo heben sich Haltestellen durch aufdringliche, wenn nicht provokative Werbung aus dem Stadtbild heraus. In Grenoble hält die Tram vor leicht zu übersehenden Plexiglas-Scheiben und grauen Sitzbänken.

Auf Gegner des Wandels stößt man beim Radeln allerdings auch. Nordine Aouane zählt zu ihnen. Besitzer des Shakesbeer ist er, eines Altstadt-Pubs. Was Touristen als Idyll enger Gassen wahrnehmen mögen, ist dem aus Algerien eingewanderten Aouane keines mehr. Der Mann mit den braunen Augen und der großen Brille wirkt resigniert. Vom Autoverkehr abgeschnitten und ohne Parkplätze könne seine Kneipe wirtschaftlich nicht überleben, sagt Aouane.Jérémie Granier, der Geschäftsführer der Brasserie Chavant, ist wütend. Stammkunden des 1852 gegründeten Nobelrestaurants blieben zunehmend aus, erzählt er. Sie zögen Gaststätten vor, die mit dem Auto erreichbar seien und vor denen sie parken könnten. Der Umsatz sei um 20 Prozent eingebrochen. „Piolle ist unbelehrbar“, schimpft Granier. An der Spitze eines Bündnisses aus Grünen, Bürgerinitiativen und Linken, das im Gemeinderat 42 der 59 Abgeordneten stelle, nehme das Stadtoberhaupt Kritiker nicht mehr ernst. Grenoble laufe Gefahr, unter einem grünen Diktator wirtschaftlich auszubluten.

Bürgermeister zum Teufel gewünscht

„Bei jedem Wandel gibt es auch Verlierer“, räumt Piolle ein. Im vergangenen Jahr schien es eine Zeit lang so, als sollten die Verlierer gemeinsame Sache machen. Der Bürgermeister sah sich gezwungen, bei Gemeinderatssitzungen Polizeischutz anzufordern. Vor dem Eingang des Rathauses marschierten Sondereinsatzkräfte auf. Doch der Widerstand ist abgeflaut. Ehemals entrüstete Bürger haben die Seiten gewechselt. Anaëlle zählt zu ihnen. Die 24-jährige Schneiderin, die sich nach einem Jahr in der Kostümabteilung von Disneyland Paris in Grenoble mit Gelegenheitsjobs durchschlägt, hatte den neuen Bürgermeister anfangs zum Teufel gewünscht. Dass ein an der nächsten Straßenecke liegendes Geschäft mit dem Auto nur über verschlungene Umwege oder gar nicht zu erreichen sein sollte, sei ihr idiotisch vorgekommen, erzählt die junge Frau. Doch irgendwann sei der Frust dann der Freude am Radfahren und billigen Busfahrten gewichen.Nicht viel anders erging es dem Besitzer eines seit 50 Jahren in Grenoble ansässigen Stoffgeschäfts. Er habe Piolle erst verflucht, sich dann an ihn gewöhnt, schließlich seinen Frieden mit ihm gemacht, sagt der Mann. Eine grüne Stadt, hofft er nun, gewinne an Attraktivität, was sich irgendwann auch finanziell bezahlt machen werde.

Gut möglich, dass Piolle 2020 noch einmal antritt und wiedergewählt wird. Während andere Bürgermeister aus Frust über vom Zentralstaat gekürzte Zuwendungen in Scharen zurücktreten, versichert der Erneuerer Grenobles, er werde bleiben und weiterkämpfen. Was nicht heißt, dass nicht auch er finanziell an Grenzen stößt. Aus Kostengründen hat er drei öffentliche Bibliotheken schließen lassen. Es fiel ihm schwer. Nicht nur grünen, auch sozialen Idealen sieht er sich verpflichtet. Krippenplätze, die er schaffen wollte, stehen aus.Am eigenen Gehalt hat der Politiker ebenfalls den Rotstift angesetzt. Kaum gewählt, hat Piolle das Salär des Bürgermeisters und der Gemeinderäte um 25 Prozent gekürzt. Aber am Umweltschutz sparen? So weit, so schlimm wird es für Piolle nicht kommen.