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ChatGPT mit kurioser BerufsideeSchüler aus dem Kreis Euskirchen suchen eigene Stärken

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt einige Schülerinnen und Schüler, die sich Bilder auf kleinen Karten anschauen.

Im Zeittunnel bei „Komm auf Tour“ in Euskirchen setzten sich die Siebtklässler mit ihrem möglichen Leben in zehn Jahren auseinander.

Beim Erlebnisparcours „Komm auf Tour“ in der Alten Tuchfabrik in Euskirchen wird auf Stärken von Siebtklässlern geachtet. Die spielen auch Theater.

Beim Erlebnisparcours wird auf Stärken geachtet. „Die Jugendlichen sind das aus ihrem Schulalltag eher nicht gewöhnt“, sagt Bettina Ismar vom Regionalen Bildungsbüro des Kreises Euskirchen. Dort werde eher darauf geachtet, Schwächen auszumerzen, statt Potenziale zu fördern.

Beim Kooperationsprojekt „Komm auf Tour“ des Kreises Euskirchen und der Agentur für Arbeit in Brühl begeben sich in dieser Woche rund 710 Siebtklässler von Gesamt- und Hauptschulen sowie Achtklässler der Förderschulen aus dem Kreis Euskirchen in der Alten Tuchfabrik in Euskirchen auf einen Erlebnisparcours – immer auf der Suche nach ihren Stärken.

„Komm auf Tour“: Es geht vor allem um die Stärken der Schüler

„Es ist nicht sinnvoll, in der Schule immer nur negativ festzustellen, dass man schon wieder die Sportsachen oder Hausaufgaben vergessen habe“, sagt die ehemalige Lehrerin Ismar. Wichtiger sei es zu hinterfragen, warum denn der Turnbeutel vergessen worden sei. „So erfährt man als Lehrer auch etwas zum Lebenshintergrund der Kinder. Und der kann ein ganz anderes Licht auf den schulischen Alltag werfen“, so Ismar.

Ayanda, die die siebte Klasse der Hauptschule Hellenthal besucht, weiß ganz genau, was sie in zehn Jahren macht. „Ich bin verheiratet und habe eine eigene Apotheke“, sagt die Schülerin, die mit einigen Klassenkameraden im sogenannten Zeittunnel gerade zehn Jahre in die Zukunft gereist ist.

FC Fast-Food-Leggings statt eigener Apotheke

Der Berufswunsch klingt – zumindest für wohl die meisten – deutlich realistischer als das, was die Künstliche Intelligenz von ChatGPT ausspuckt. Das Programm ist vorher mit ein paar Fakten aus dem Leben der Schülerin gefüttert worden. Und konstruiert für die junge Eifelerin das Szenario, dass sie in einer Profiliga kickt, bekannt ist für den Döner-Dribbel und ihr Verein hört auf den Namen „FC Fast-Food-Leggings“.

Ein Berufsvorschlag, der bei den Schülern für Lacher sorgt. Doch woher soll ein Programm wissen, was Kinder aus der Eifel wirklich wollen? Schülerin Ayanda hat da eine klare Meinung: „Keiner weiß, was gut für mich ist. Das weiß nur ich selbst.“

Während sich die Schüler im Zeittunnel mit verschiedenen Lebenssituationen auseinandersetzen und versuchen herauszufinden, wie ihr Leben verlaufen könnte, muss auf der Theaterbühne improvisiert werden. Dabei müssen die Schüler nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch in verschiedene Rollen schlüpfen. Natürlich gibt es auch hier Stärkepunkte.

Spontanes Interview dient als Vorbereitung für Bewerbung

Aber ehe die sich herauskristallisieren, muss schon mal ein spontanes Interview geführt werden. So ergeht es zumindest Elias. Von dem Schüler will Alina wissen, wie er es zum angesagten TikTok-Star geschafft habe. Eine Antwort auf die ziemlich überraschende Frage ist nicht leicht zu finden, zumal Elias im richtigen Leben gar kein Social-Media-Star ist. Da er aber die Situation mehr oder weniger souverän meistert, gibt es einige Stärkepunkte.

Die Zeit auf der Bühne diene unter anderem der Übung für ein Vorstellungsgespräch. Da müsse man auch improvisieren, heißt es seitens des „Komm-auf-Tour“-Teams. Wichtig sei aber, dass es an allen Stationen nicht um einen Wettkampf gehe. Das Miteinander stehe stets im Vordergrund.

Das Bild zeigt den Schüler im Gespräch mit einer jungen Frau.

Spontanes Interview für Schüler Elias bei „Komm auf Tour“.

Das Bild zeigt sieben Schüler, die auf der Bühne ein Stück vorführen. Dabei lachen sie.

Auch ein Theaterstück musste auf die Bühne gebracht werden.

Von den kleinen bunten Aufklebern, den Stärkepunkten, haften am Ende des zweistündigen Parcours einige an den Pullovern der Schüler. Die sind von den sogenannten Reisebegleitern aufgeklebt worden. Deren Hauptaufgabe ist es, die Jugendlichen zu motivieren, zu beobachten und positiv zu bestärken – für Negatives ist während „Komm auf Tour“ eben kein Platz.

Insgesamt gibt es sieben unterschiedliche Fähigkeiten wie Kreativität, Kommunikation, Hilfsbereitschaft oder Organisationstalent zu entdecken. „Die Stärkenvergabe in Form der Aufkleber ist ein symbolisches Schulterklopfen“, sagt Marius Fischer vom „Komm auf Tour“- Team: „Das Projekt ist kein analytisches Verfahren zur Stärkeermittlung.“

Die Stärkenvergabe in Form der Aufkleber ist ein symbolisches Schulterklopfen.
Marius Fischer

Bettina Ismar organisiert das Projekt seit 16 Jahren. In der Zeit habe sich das eine oder andere geändert. So geht es im Zeittunnel nicht nur um die fiktive Zukunft der Schüler, sondern auch um Cybermobbing. „Das ist ein Thema, das es so vor 16 Jahren gar nicht gegeben hat. Wir versuchen, uns immer auch am Alltag und der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen zu orientieren“, so Ismar.

Während die Schüler den Parcours durchlaufen, diskutieren ihre Lehrer über Unterricht, schulische Perspektiven und Berufswelten. Gerade Hauptschullehrer unterrichten nah an der Realität. Im Unterrichtsfach Arbeitslehre/Wirtschaft wird an der Zülpicher Hauptschule beispielsweise über Fallstricke in Handyverträgen gesprochen – das sei manchmal wichtiger als den Jahrestag der Französischen Revolution auswendig zu kennen, heißt es bei Komm-auf-Tour in der Tuchfabrik.

Doch welche Stärkepunkte hat Landrat Markus Ramers? Die Siebtklässler der Hellenthaler Hauptschule und der Mechernicher Gesamtschule sind sich da zunächst nicht so sicher – unter dem Beruf Landrat können sie sich nämlich nicht allzu viel vorstellen.

Aber nachdem der Chef der Euskirchener Kreisverwaltung im Interview mit Birgit Mehrmann ein wenig über seinen Alltag berichtet hat, kleben plötzlich auch am Jackett des Landrats Stärkepunkte. Unter anderem eine Büroklammer, die symbolisiert, dass man gerne organisiert und Ordnung hält. „Zum Glück habe ich ein tolles Team im Hintergrund, das mich dabei unterstützt“, sagt der Landrat.


Am Donnerstag (28. November) findet im Wohnraum der Alten Tuchfabrik eine Veranstaltung für die Eltern der Kinder statt, die am „Komm auf Tour“-Projekt teilnehmen. Start des Info-Abends ist um 18.30 Uhr. Das Ende der Veranstaltung ist für 20 Uhr geplant. „Eltern sind die wichtigsten Berufsberater der Kinder. Wir wollen die Eltern für das Projekt sensibilisieren und über den durchlaufenden Parcours informieren“, sagt Bettina Ismar vom Regionalen Bildungsbüro des Kreises.