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2019 verstorbenHommage an die Kostümbildnerin Renate Schmitzer

Lesezeit 3 Minuten

Szene aus der Kölner „My Fair Lady“ von 2012 – mit Renate Schmitzers Kostümen. Bis auf diese sind sämtliche Abbildungen dem neuen Buch entnommen.

„Sie waren wieder alle nackt.“ Dieser Satz aus dem Mund der Kostümbildnerin Renate Schmitzer – er liefert den Untertitel für das Buch – signalisiert de facto ein resignatives Urteil über der Arbeit der professionellen Schauspiel- und Opernrezensenten. Er war die Antwort auf die Routinefrage, wie denn die Premierenkritik gewesen sei. Ganz gleich – die Kostüme hatten, wieder einmal, keine Erwähnung gefunden.

Da muss sich der Schreiber dieser Zeilen an die eigene Nase fassen: Auch er hat in seinen Besprechungen der zahlreichen Opernproduktionen, an denen Schmitzer mitwirkte, deren Leistung (zu) selten gewürdigt – nicht aus „Ignoranz“ oder „Unkenntnis“, wie im Buch weiter geklagt wird, sondern einfach, weil nach der Bewertung von Inszenierung, Bühnenbild, Sänger- und Dirigierleistung oft genug der Platz fehlte – wie übrigens auch für die Lichtregie.

Dennoch: Schaut er sich den soeben erschienenen Bildband mit Kostümen und Figurinen der 2019 78-jährig an ihrem Wohnort Ulm Gestorbenen an, so bleibt dem gescholtenen Kritiker nur übrig, reuevoll Abbitte zu leisten. Keine Frage, mit seiner jahrelangen Minderbeachtung hat er dieser großartigen Künstlerin Unrecht getan.

Das bibliophil ausgestattete Werk aus dem Ulmer „KulturConsulting“-Büro hat übrigens einen starken Kölner Bezug. Und das nicht nur, weil Georg Kehren, der Chefdramaturg der hiesigen Oper, darin zwei von persönlicher Zuneigung fundierte biografische Essays schreibt. Vielmehr war die in Nürnberg Gebürtige mit Köln seit ihren Anfängen vielfach verbunden. In der Nähe von Siegburg aufgewachsen, studierte sie nach einer Schneiderlehre an der hiesigen Werkkunstschule, absolvierte dann am Schauspielhaus eine Hospitanz als Kostümbildassistentin. Köln blieb sie auch verbunden, nachdem sie 1967 zunächst ans Schauspielhaus Dortmund, dann, 1972, ans Stadttheater Ulm gewechselt war. Nach 1980 freiberuflich tätig, arbeitete sie mit Spitzenregisseuren wie John Dew, Stefan Herheim, Peter Mussbach und Giancarlo del Monaco zusammen.

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Den Kölner, aber auch den Bonner, Düsseldorfer und Essener Opernbesuchern der vergangenen Jahre ist sie vor allem durch ihre Kostüme für Dietrich Hilsdorfs Inszenierungen ein starker Begriff. Hilsdorf, sein Bühnenbildner Dieter Richter und eben Renate Schmitzer – das war ein nahezu magisches Erfolgsteam der jüngeren Operngeschichte.

Schmitzer schaffte in diesem Kontext eigentlich einander Ausschließendes: Sie fügte ihre Kostüme, für die sie sich durchaus auch motivisch-ikonografische Anregungen aus Malerei- und Fotografiegeschichte holte, bruchlos-unauffällig in das Regiekonzept ein, ohne – in den Schnitten, den Materialien, den Farben, der modischen Definition – ihren persönlichen Stil je zu verleugnen. „Traditionelle und historische Bekleidungsformen“, schreibt Kerstin Jacobssen im Buch, „interpretierte sie dabei völlig neu.“

Auf der Basis peinlich genauer Detailarbeit, mit der sie die Werkstätten oft genug „quälte“, kam es dann auf der Schauspiel-, Opern- und Ballettbühne zu einer einigermaßen genialen und völlig unangestrengten Synthese von Körper und Erscheinung. Und zur Freude großer Teile des Publikums war Schmitzers Ästhetik immer dezidiert dem „Schönen“ verpflichtet.

Wie sie sich mit eigenhändig genähten Kleidern seit ihrer frühen Zeit typgerecht und fantasievoll selbst inszenierte, so verfuhr sie auch mit ihrer Bühnenausstattung: Um „kritisch“ zu sein, brauchte sie nicht das triste Ledermäntel-Image des „fortschrittlichen“ Regietheaters.

„Renate Schmitzer – Kostüme. »... und sie waren wieder einmal alle nackt«“. hrsg. von Hanspeter Spek, mit mehr als 120 Figurinen, Fotos und originalen Stoffmustern, Verlag KulturConsulting Ulm, 120 Seiten, 35 Euro