63 neue Prince-SongsIst das schon zu viel des Guten?
- Vor 33 Jahren erreichte Prince mit dem Doppelalbum „Sign O’ the Times“ den Höhepunkt seines Schaffens.
- Er arbeitete Tag und Nacht im Studio, bis die Plattenfirma die Reißleine zog. Viele Aufnahmen landeten ungehört im Tresor.
- Jetzt werden sie zum ersten Mal in einer großen Box auf acht CDs veröffentlicht. Wie sich das anhört, erfahren Sie hier.
Minneapolis – „Alle haben sie Angst, dass ich sterbe“, erzählt Prince 1986 in einem Radio-Interview. „Ich arbeite so viel.“ Wenn er nicht mit seiner Band The Revolution tourte, oder einen seiner quichottischen Versuche unternahm, seine musikalischen Empfindsamkeiten ins Medium Film zu übersetzen, fand man Prince Mitte der 80er Jahre im Studio, Tag und Nacht und in den grauen Stunden dazwischen.
Er arbeitete mit Wendy Melvoin und Lisa Coleman an einem Album namens „Dream Factory“, verlobte sich mit Wendys Zwillingsschwester Susannah und schrieb „If I Was Your Girlfriend“, aus der Sicht eines Mannes, der sich wünscht, die beste Freundin seiner Frau zu sein, um eine noch intimere Beziehung mit ihr zu genießen.
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Diese zärtliche, wenn auch leicht perverse Teiresias-Fantasie sollte wiederum Teil eines Albums sein, in dem Prince mit hochgepitchter Stimme unter dem Pseudonym „Camille“ seine weibliche Seite erforscht.
Zwischenzeitlich hatte er seine Band The Revolution gefeuert, hatte erst mit Wendy und Lisa, dann auch privat mit Susannah gebrochen, um, nun ganz auf sich allein gestellt, seine manische Überproduktion in dem Triple-Album „Crystal Ball“ zu veröffentlichen.
Überforderte Plattenfirma
„Zu schön für unsere Ohren und gewaltig viel Noten“, soll einst Kaiser Joseph II. den jungen Mozart nach der Uraufführung von dessen „Die Entführung aus dem Serail“ gescholten haben. Ganz ähnlich, nur mit weniger Schmäh, reagierten die Verantwortlichen von Prince’ Label Warner Bros., als ihr Wunderkind sein Füllhorn über ihnen ausschüttete. Zu viele Noten, zu viele Songs, zu viele Genres.
Es ist Nachhinein leicht, sich über Anzugträger zu mokieren, die kreative Säfte mit der Klempnerzange drosseln wollen. Doch gerade war Princes Spielfilm „Under the Cherry Moon“ bei Kritik und Publikum durchgefallen, und „Parade“, das Soundtrack-Album, konnte nicht an die Verkaufszahlen von „Purple Rain“ anknüpfen.
Schweren Herzens trennte sich Prince von Songs und gruppierte die übrig gebliebenen um das spartanisch instrumentierte Protestlied „Sign O’ the Times“, der inhaltlich an Marvin Gayes Sammelklage „What’s Going On“ anknüpfte.
Barocker Höhepunkt
Das gleichnamige Doppelalbum gilt vielen Kritiker als barocker Höhepunkt im Prince’schen Schaffen, als das „White Album“ der 1980er. Nur, dass hier ein Einzelner all das aus sich hervorholte, wozu es dreieineinhalb Beatles gebraucht hatte, wilde Haken schlägt von Funk gewordenen Fleischeslüsten zu geistigen Erweckungserlebnissen, vom psychedelischen Gedankenspiel zur poposchwingenden Partyhymne, bis hin zu so faszinierenden Vignetten wie „The Ballad of Dorothy Parker“.
Jetzt, 33 Jahre später, kann jeder die Überforderung der Label-Manager nacherleben: Die „Super Deluxe“-Version von „Sign O’ the Times“ versammelt auf acht CDs (oder 13 Vinyls) und einer DVD einen Großteil des Materials, das damals schlicht zu viel des Guten war, darunter 63 Aufnahmen, die Prince zu Lebzeiten in seinem berüchtigten Tresor verschlossen hatte.
Duett mit Miles Davis
Man höre und staune: Auf „La, La, La, He, He, Hee“ beschreibt sich Prince als Hund, der gehorsam vor der Tür der Angebeteten wartet, und lässt sich dazu von gesampelten Gebelle aus dem Fairlight begleiten, auf „Can I Play With U?“ fällt dieselbe Aufgabe Miles Davis zu, es ist die einzige Zusammenarbeit der Giganten, doch nur eine Fußnote.
Andere Stücke dagegen sind Offenbarungen: Das zwölfminütige Tanzbefehl-Monster „Soul Psychodelicide“ hätte sicher seinen Platz auf dem Originalalbum behalten, nähme diesen mit „It’s Going to Be A Beautiful Night“ nicht bereits ein ebenbürtiger Band-Workout ein. „In A Large Room With No Light“ kontrastiert die traurige Geschichte zerrütteter Verhältnisse mit Bossa-Nova-Schwung; kombiniert man es mit der verschwenderischen Ballade „Adonis And Bathsheba“ und dem Frühstücksradio-Pop von „Everybody Want What They Don’t Got“ ergibt sich noch mal ein ganz anderes, verspielteres, weiter ausgreifendes Album.
Das es nie geben wird: Stattdessen diese Super-Deluxe-Version, die tausend Möglichkeiten eröffnet und alles andere als Luxus ist: Sie ist essenziell.