RTLzwei und die beteiligten Produktionsfirmen haben die angekündigte Doku-Soap mit Michael Wendler abgesagt. Die Entscheidung ist richtig, aber das Kind ist längst in den Brunnen gefallen.
Absage der Wendler-Doku-SoapWiderliche Scheinheiligkeit
Geht man auf die Seite des Fernsehsenders RTLzwei, springt einem als Erstes die Kampagne „Hass hat Hausverbot“ auf. Damit will der Sender nach eigenen Angaben gegen Hassrede im Netz ein Zeichen setzen. Nun ist es ganz grundsätzlich vorsichtig formuliert gewagt, dass sich ein Sender, der Krawall und Grenzüberschreitungen zu seinem Markenkern gemacht hat, plötzlich für einen anderen Umgang in den Sozialen Medien plädiert.
Nach der Ankündigung, mit Michael Wendler und seiner Frau Laura Müller eine neue Doku-Soap zu produzieren, sollte RTLzwei die Kampagne allerdings einstampfen. Daran ändert auch nichts, dass der Sender und die beteiligten Produzenten EndemolShine Germany und Rainer Laux Productions am Mittwoch nach heftigen Protesten das angekündigte Projekt wieder stoppten.
RTLzwei habe sich immer von Extremismus aller Art distanziert und stehe für Weltoffenheit und Toleranz, teilte der Sender mit. „Es ist uns wichtig, auch nur den Anschein zu vermeiden, dass der Sender hier zu Abstrichen bereit ist.“ Das ist so scheinheilig, dass es kaum auszuhalten ist.
RTLzwei wusste genau, worauf es sich einlässt
Die Wahrheit ist: RTLzwei wusste genau, worauf es sich einlässt. Es ist ja nicht so, dass nun über Nacht bekannt geworden wäre, was der Schlagersänger in den vergangenen Jahren für Äußerungen von sich gegeben hat. Zur Erinnerung nur eine kleine, widerliche Auswahl: Wendler leugnet den Klimawandel und die Pandemie. Er verglich Corona-Schutzmaßnahmen mit Konzentrationslagern und verbreitet übelste, auch antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählungen. Er schimpft über die „Lügenpresse“ und staatliche Zensur.
Doch dem Privatsender war all das offensichtlich egal. Wendler polarisiert, das bringt Quote. So die sehr einfache Rechnung. Moral, Werte, Verantwortung? Spielen keine Rolle, wenn sich gutes Geld mit schlechten Menschen verdienen lässt. Und nun, wo Laura Müller schwanger ist und man die Geburt doch ganz wunderbar vermarkten kann, warf man dann auch die letzten Skrupel über Bord.
Die Erfahrung, dass es keine gute Idee ist, Michael Wendler in einer Sendung Raum zu geben, musste auch schon RTL bei „Deutschland sucht den Superstar“ machen. Und damals hatte der Schlagersänger noch nicht mal seine schlimmsten Äußerungen getätigt.
Die Absage ist natürlich richtig, aber das Kind ist längst in den Brunnen gefallen. Jemand wie Michael Wendler hat im deutschen Fernsehen keine Plattform verdient, auch wenn er sich äußerst halbherzig von einigen seiner Äußerungen distanziert hat.
Dass RTLzwei bereit war, mit ihm zusammenzuarbeiten und ihm dafür Geld zu bezahlen, ist ein Tabubruch, der nicht mehr rückgängig zu machen ist. Und ein Schlag ins Gesicht aller, die von Menschen wie Wendler bedrängt und bedroht werden.
Hass hat Hausverbot? Bei RTLzwei ganz sicher nicht.