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"Adriana Lecouvreur" an der Oper DüsseldorfEine rauschhafte Premiere

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Die Fürstin von Bouillon (Ramona Zaharia).

Düsseldorf – Adrienne Lecouvreur war der Superstar der Comédie-Française, die berühmteste französische Schauspielerin ihrer Zeit. Ihre zahlreichen Liebhaber rekrutierte sie mit Vorliebe aus dem europäischen Hochadel.

Als sie 1730 mit 37 Jahren starb, machte schnell das Gerücht die Runde, eine Konkurrentin habe sie vergiftet. Historisch verbürgt ist ihr Wettstreit mit der Fürstin von Bouillon um die Gunst des Grafen Moritz von Sachsen.

Eugène Scribe konstruierte aus diesem Eifersuchtskonflikt ein Drama, das Francesco Cilea als Vorlage für seine Oper „Adriana Lecouvreur“ diente. Kein Geringerer als Enrico Caruso sang bei der Mailänder Uraufführung 1902 die Tenor-Hauptrolle. Das Stück, einst weithin erfolgreich, ist heute nur noch selten auf der Bühne zu sehen.

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Als Drama hat es nicht viel zu bieten; die Umkleidung der schlichten Eifersuchts-Story mit Genrebildern aus dem Theater- und Gesellschaftsleben ist routiniert angelegt; der Wechsel zwischen wuseliger Off-Stage-Atmosphäre und der gediegenen Behaglichkeit des fürstlichen Boudoirs bietet Anlass zu dekorativen Tableaus – aber den Personen und Konflikten kommt man nicht wirklich nah.

Als Übernahme einer Produktion des Staatstheaters Mainz hatte „Adriana Lecouvreur“ nun am Düsseldorfer Haus der Rheinoper Premiere – mit einem Erfolg, der so rauschend und glanzvoll war, dass er selbst Teil der Inszenierung zu werden schien. Oder war es eine spontane Geste der Demut, als die zu Recht gefeierte Sopranistin Liana Aleksanyan beim Schlussapplaus effektvoll den Bühnenboden küsste?

Eitelkeit mit umgekehrten Vorzeichen

Um Demut geht es ja auch in der berühmtesten Nummer der Oper, Adrianas Arie „Io son l’umile ancella“, in der sich die umjubelte Schauspielerin als bescheidene Dienerin des schöpferischen Genius bezeichnet – eine reichlich prätentiöse Bescheidenheit, die in Wahrheit nur Eitelkeit mit umgekehrtem Vorzeichen ist.

An dieser Stelle entsteht ein interessantes Dreh- und Kippmoment, das sich der Regisseur und Ausstatter Gianluca Falaschi geschickt zunutze macht. Er verlagert die Handlung aus dem französischen Theaterbarock in das Hollywood der 1950er Jahre, in das Set eines aufwendig produzierten Musical-Films.

Roter Teppich, Leuchtreklame und Glitzerstrass prägen die Optik; größere Passagen der Oper werden zu Revuenummern umfunktioniert, ganze Szenen ins Licht der Filmscheinwerfer getaucht. Der Fürst von Bouillon und ein zwielichtiger Abbé wandeln als Conférenciers und Strippenzieher durch die Handlung.

Artistische Spielerei

Diese Verschiebung der Ebenen nimmt dem Stück zwar den letzten Rest dramatischer Glaubwürdigkeit; das schadet aber nicht viel, weil die Tragödie sich ohnehin vollständig in eine artistische Spielerei auflöst.

Weniger überzeugend ist das neue Drama, das der Regisseur auf den Trümmern des alten konstruiert. Hier kommt ein bisschen „Sunset Boulevard“ ins Spiel: Zwei reife Frauen kämpfen um einen jüngeren Mann; Diven in Torschlusspanik. Die Fallhöhe zwischen äußerem Glamour und innerer Einsamkeit baut sich indes nicht auf.

Wenn Adriana am Ende durch das Gift der Konkurrentin stirbt, dann ist die Figur bereits so gründlich zwischen Realität und Projektion zerrieben, dass ihr Tod kaum mehr berührt, auch wenn Liana Aleksanyan das „Poveri fiori“ mit bezwingend schöner, weich auf dem Atem fließender Legato-Linie singt.

Eine bunte Revue

Nein, ein Abend der charakterstarken, mitreißenden italienischen Operndramatik ist das nicht. Eher freut man sich an einer bunten, luxuriös ausgestatteten Revue, grundiert von Cileas meisterhafter Partitur, in deren Fin-de-Siècle-Parfüm viel duftige Rokoko-Eleganz verwoben ist.

Die Düsseldorfer Symphoniker lassen es unter Leitung von Antonino Fogliani denn auch glitzern und leuchten, die Streicher setzten ihr Glissando-Schmalz wohldosiert und geschmackvoll ein.

Drag-Queens als Highlight

Auch wenn Gianluca Falaschis Personenführung immer wieder zu altbackener Opernpose erstarrt, sind Liana Aleksanyan und ihre Gegenspielerin Ramona Zaharia (Fürstin) als Sänger-Persönlichkeiten stark genug, um Profil und Wirkung zu entfalten.

Sergey Polyakov (Maurizio) meistert zwar alle heroischen Aufschwünge mit eindrucksvollem Tenorstrahl, aber auf der Bühne ist er im Grunde nicht vorhanden. Der ausgezeichnete Bariton Alexey Zelenkov wird als Adrianas entsagungsvoll liebender väterlicher Freund Michonnet zum Sympathieträger.

Beniamin Pop (Fürst) und Matteo Mezzaro (Abbé) bestechen durch sängerische wie darstellerische Agilität; ebenso alle Comprimari. Für ein besonderes Highlight sorgen die Damen des Opernchores, die bei einer Casting-Szene als Drag-Queen-Matronen mit Donnerbusen über die Bühne paradieren.