33 Autorinnen und Künstler fordern die Absage einer Veranstaltung mit Alice Schwarzer in Leipzig. Die Frauenrechtlerin selbst reagiert empört.
„Transfeindlich“33 Autoren und Künstler stellen sich gegen Auftritt von Alice Schwarzer
Ihre Autobiographie „Mein Leben“ will Alice Schwarzer in der kommenden Woche beim „Literarischen Herbst“ in Leipzig vorstellen — im Gespräch mit ihrem langjährigen Verleger von Kiepenheuer & Witsch Helge Malchow. Doch dagegen gibt es massiven Protest. In einem Offenen Brief fordern jetzt 33 Autorinnen und Künstler die Absage der Veranstaltung.
Schwarzer falle immer wieder durch „transfeindliche, rassistische und misogyne Aussagen und Publikationen“ auf, heißt es darin. „Bei dieser Lesung wird kein produktiver Dialog entstehen, das ist schon dem Veranstaltungstext zu entnehmen - es ist eine Lobhudelei.“
Schon vor der Veröffentlichung des Briefs hatten sich einige Kooperationspartner des Literaturfestivals wegen des Auftritts von Alice Schwarzer zurück gezogen. So habe auch Jörn Dege, Geschäftsführer des Deutschen Literaturinstituts, dafür plädiert, die Veranstaltung abzusagen, um Betroffene zu schützen und Schaden vom Festival abzuwenden, heißt es in einem Statement des „Literarischen Herbst“. „Wir sind dagegen der Meinung, dass ein solcher Schritt das Festival erst recht beschädigen würde. “
„Kein produktiver Dialog“
Auch die Buchhandlung Rotorbooks hat sich aus der ursprünglich verabredete Partnerschaft zurückgezogen. „Alice Schwarzers Äußerungen zu Transidentität sowie ihr öffentliches Reproduzieren rassistischer Stereotype greifen auch unsere Gäste an, und als Veranstalter:innen möchten wir sie unter anderem davor schützen, in eine Position zu kommen, in der sie ihre persönliche und politische Integrität durch die Teilnahme an unserer Veranstaltung gefährdet sehen“ begründete die Redaktion der Literaturzeitschrift Edit ihren Rückzug aus der Zusammenarbeit mit dem Festival.
„Wir respektieren diese Entscheidungen, auch wenn sie uns traurig machen. Natürlich kann es in Vorbereitung und Durchführung eines so breit aufgestellten Festivals zu Spannungen kommen – nie war es unsere Absicht, gezielt zu provozieren oder zu verletzen“, schreiben die Veranstalter des „Literarischen Herbstes“ dazu. Gleichzeitit zitieren sie die Kritik an der Veranstaltung auf ihrer Webseite.
Dass die Veranstalter Zitate wie die von Edit veröffentlichen, kritisiert eine Mitarbeiterin Alice Schwarzers in einem Brief: „Sie haben diese absurden diffamatorischen Behauptungen offensichtlich unüberprüft übernommen und sich selbst noch nicht einmal darüber informiert.“ Sie gehe davon aus, dass die „für Frau Schwarzer rufschädigende Haltung“ rechtzeitig vor der Veranstaltung korrigiert werde.
„Bis heute haben sich bereits über hundert Menschen einen Platz reservieren lassen. Zu dem Offenen Brief schreibt Alice Schwarzer dieser Zeitung: „Ich rechne mit einem ausverkauften Haus“. Und fragt: „Wenn es nicht so lächerlich wäre, wäre es zum Weinen. Wollen wir jetzt auch in Deutschland Verhältnisse, in denen Andersdenkenden von radikalen Minderheiten der Mund verboten wird?“
Gegenüber der Deutschen Presseagentur sagte sie: „Ich habe mich nachweislich schon vor 40 Jahren mit als erste öffentliche Person für die Rechte von Transmenschen eingesetzt und gegen ihre damalige Diskriminierung Stellung bezogen.“ Noch nie habe sie Transsexuelle angegriffen. „Was ich allerdings kritisch sehe, ist die neue Transideologie, die das Recht auf den Personenstandswechsel ab dem 14. Lebensjahr und auf gefährliche Hormonbehandlungen und Operationen für alle fordert.“ Es müsse doch wohl möglich sein, diese Meinung zu vertreten, ohne gleich aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen zu werden. Alles andere sei „Cancel Culture in Reinform“.
„Umstrittene, polarisierende Autorin“
Die Veranstalter des „Literarischen Herbst“ schreiben, dass sie sich bewusst waren, dass mit Schwarzer „eine umstrittene, durch provokante, manchmal auch für uns problematische Äußerungen, polarisierende Autorin ein Podium im Rahmen des Festivals erhält.“ Dennoch stehe für das Festival die Errungenschaften einer Publizistin außer Frage, die sich seit Jahrzehnten für Feminismus weltweit eingesetzt und damit emanzipatorische Bewegungen und die Bundesrepublik nachhaltig geprägt habe.
An Alice Schwarzer gebe es ein breites öffentliches Interesse. „Als Festival, das nicht nur die ästhetischen und politischen Überzeugungen seines Organisationsteams abbilden möchte, möchten wir, dass unsere Veranstaltungen für weite Teile der Stadtgesellschaft relevant sind.“