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Alles Bauhaus, oder was?

Lesezeit 4 Minuten

Wilhelm Riphahns Bastei von 1924/27

Als das Kölner Museum für Angewandte Kunst nach einem eigenen Beitrag zum Bauhaus-Jubiläum suchte, erlebte es eine mittelgroße Überraschung. Auf der Liste Kölner Bauhäusler, die das Bauhaus-Archiv geschickt hatte, standen immerhin 14 Namen, darunter der des Architekten Walter Riphahn. Der hatte den Kölner Städtebau mit Siedlungen wie der Weißen Stadt in Buchforst, der Bastei oder dem Ufa-Palast in den 1920er Jahren maßgeblich mit in die Architekturmoderne geführt. Aber eben als Vertreter der Neuen Bauens und nicht als Bauhäusler.

Riphahns nachträgliche Einverleibung in den Bauhaus-Moloch fand dann eine eher simple Auflösung: Der Kölner Architekt hatte auf Einladung des Bauhauses dort einen Vortrag gehalten. So schnell wird man adoptiert, und selbstredend passt der eingemeindete Gastredner ins Bild: Heute steht das Bauhaus, das eigentlich nur Teil einer deutschlandweiten Entwicklung war, für jede Architektur, die schnörkellos, funktional und irgendwie modern aussieht. Dabei ist der Ausstoß der Bauhausbaufabrik relativ gering – Ludwig Mies van der Rohe vollendete in seiner Zeit als Bauhaus-Direktor lediglich einen Kiosk – und in Nordrhein-Westfalen so selten nachweisbar, dass man sich fragen kann, wie sich das Land am 100. Geburtstag dieser legendären Kunstgewerbeschule beteiligen will.

In der „FAZ“ wurde deswegen bereits vor Jubiläumsjahrbeginn das böse Wort vom Etikettenschwindel bemüht: Auf der Liste der NRW-Feierlichkeiten stehen neben den drei Krefelder Mies van der Rohe-Bauten nämlich auch Ausstellungen zu Bruno Paul, einem der Architekten des Kölner Dischhauses, zum 1921 verstorbenen Hagener Mäzen Karl Ernst Osthaus oder zum Architekten und maßgeblichen AEG-Designer Peter Behrens. Alle drei gehören zum Umfeld des Bauhauses – Paul als Mitstreiter, Osthaus als Wegbereiter, Behrens als zeitweiliger Arbeitgeber des Bauhaus-Gründers Walter Gropius. Aber Bauhäusler im engeren Sinne sind sie wahrlich nicht. Aber wer ist das schon: Auch die Krefelder Mies-van-der-Rohe-Bauten stammen aus der Zeit vor dessen Bauhaus-Phase; er kam schon als Star ans Bauhaus und brachte seine im Neuen Bauen geformte Idee eines Baustils „aus Haut und Knochen“ mit.

Allerdings macht das Land NRW den allgemeinen Bauhaus-Taumel gar nicht mit. Es nutzt stattdessen das Jubiläum, um die Wahrnehmung für das Neue Bauen zu erhöhen. Architektur im „Bauhaus-Stil“ mit Flachdach und glatten Fassaden gab es in den 1920er Jahren nicht nur in Dessau und Berlin, sondern über ganz Deutschland verteilt und nicht zuletzt im rasant wachsenden Köln. Gemeinsam mit Frankfurt und Hamburg war die Stadt des damaligen Oberbürgermeisters Konrad Adenauer eine Hochburg der Architekturmoderne.

In den Großstädten blühte das Neue Bauen während der 1920er Jahre auch deswegen auf, weil der starke Zuzug von Angestellten und Industriearbeitern nach günstigem Wohnraum und kurzen Bauzeiten verlangte; beides waren Domänen der Moderne . Wie Gropius ging es dabei auch Wilhelm Riphahn darum, die kostensparende Industrialisierung des Bauens künstlerisch zu begründen – allerdings ohne den theoretischen Überhang, der für das Bauhaus geradezu zwingend war. Während Riphahns (gemeinsam mit Caspar Maria Grod) entworfener Siedlungsbau in Buchforst unter dem schlichten Motto „Licht, Luft und Bäume“ stand, wurde die bauliche Magerkur anderenorts mit der Konzentration aufs Wesentliche begründet; nichts sollte den modernen Geist von seiner revolutionären Arbeit ablenken. Mit der sozialen Herleitung konnte sich Riphahn eher identifizieren: Der Zeilenbau mit seiner ständigen Wiederholung der gleichen Formen lieferte der jungen Weimarer Demokratie passende Grundrisse und Fassaden.

Die Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs konnten die Zeugnisse dieser Aufbruchstimmung in Köln nicht völlig auslöschen. Am deutlichsten zeigen sie sich heute an den ehemaligen Rändern der Stadt, in den Siedlungen von Buchforst, Bickendorf oder Zollstock, während man im Stadtkern naturgemäß eher auf einzelne Gebäude wie Jakob Koerfers Hansa-Hochhaus trifft. Ein herausragendes Beispiel der frühen Kölner Architekturmoderne ist das Dischhaus (nahe Kolumba), deren horizontale Fensterbänder die Architekten Bruno Paul und Franz Weber als großen Bogen um die Straßenecke führen. Ganz in „Bauhaus-Weiß“ strahlen hingegen die villenartigen Häuser, die Hans Schumacher ans Rodenkirchener Rheinufer setzen ließ.

Allerdings waren das auch in den 1920er Jahren eher Tupfer im Stadtbild, das Neue Bauen trat keinesfalls einen Siegeszug durch Köln an. So legte Bruno Paul das Gerling-Quartier nach dem Vorbild barocker Schlossanlagen an und griff auch sonst auf historische Stilmerkmale zurück. Gerade in diesem urbanen Stilmix zeigt sich die Qualität des Neuen Bauens, von dem das Bauhaus, wie gesagt, nur die Speerspitze war – bis es zu seinem illegitimen Alleinerben aufstieg. Auch dieses Unrecht wird nun in Köln und Nordrhein-Westfalen freudig mitgefeiert, wenn auch so, dass man es als solches erkennen kann.