Ein Paketzentrum, absurde Requisiten, ein KI-Bühnenbild, Taylor Swift und ein Grabkreuz – Alligatoah gab bei seinem letzten Tour-Konzert alles.
Karriereende in Kölner Lanxess-Arena?So war das vielleicht letzte Konzert von Alligatoah
Bei DHL läuft die Paketzustellung zuweilen schleppend. Bei Alligatoah funktioniert sie reibungslos. Pünktlich um acht Uhr abends werden vier große Pakete per Fließband auf die Bühne der Kölner Lanxess Arena befördert. Euphorisch entspringen ihnen die Bandmitglieder Alligatoahs in knall-orangen Warnwesten und werden als Bedienstete vom Chef vorgestellt.
Dann erscheint der Chef selbst via Fließband im Paketzentrum, ähm auf der Bühne, und begrüßt das jubelnde Publikum: „Köln! Herzlichen Willkommen zum besten Konzert der Tour.“ Der „feine Herr Gatoah“ macht definitiv keine Fließbandmusik, aber sich mittels Förderband auf die Bühne transportieren zu lassen, das entspricht seiner Art. „Wo kann man das kaufen“, der erste Song des Abends, könnte kaum besser in Szene gesetzt sein. Anschließend zeigt er dem Publikum knapp über zwei Stunden lang, was in seinem Kopf vorgeht.
Rapper Alligatoah inszeniert seine Gedankenwelt als Theaterstück auf seiner „Retour“-Tour
Das gesamte Konzert gleicht dabei eher einem Theaterstück, das Alligatoahs Gedankenwelt musikalisch und szenisch darstellt. Zu „Lass liegen“ fliegen Pappkartons durch den Innenraum, orangefarbene Mülltonnen werden über das Fließband transportiert. Bei „Fick ihn doch“ bringt das Fließband überdimensionale Gartenzwerge, die Feuer spucken, auf die Bühne. Und „Alli-Alligatoah“ gibt der Rapper auf einer Kuh-Statue sitzend zum Besten. Ich maße mir nun nicht an, die Bedeutung der Requisiten, die Alligatoah an diesem Abend wählt, zu interpretieren. Nur eines sei dazu gesagt: Sie sind auffallend oft orange.
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Die kurzen Pausen zwischen den Songs überbrückt er mit ironisch-pointierten Überleitungen. Er habe Köln vermisst, aber er war doch erst im März da. Moment, das Konzert wurde doch abgesagt? Alligatoah begründet den Irrtum mit einer Gedächtnislücke, die aus dem ein oder anderen alkoholischen Getränk resultiert. „Interessiert ihr euch für Schnaps, Köln?“. Es kann nur „Ein Problem mit Alkohol“ folgen.
Die Lieder des Rappers sind geprägt von (Selbst-)Ironie und Gesellschaftskritik. Auffällig ist, dass mehr von Lukas Strobel, wie sein bürgerlicher Name lautet, durchzusickern scheint – ist die Kunstfigur Alligatoah durchlässiger geworden? Das Cover seines zuletzt erschienen Albums „Rotz und Wasser“ lässt dies immerhin vermuten: Es zeigt ihn in Regenjacke einen ramponierten Karton tragend. Der Karton wird mit orangefarbenem Tape, auf dem „Vorsicht zerbrechlich“ steht, zusammengehalten.
Alligatoah in der Lanxess-Arena: Halb Metal-Head, halb Rapper, ein bisschen Taylor Swift
Dem Refrain von „Monet“, seinem gemeinsamen Hit mit Sido, verleiht er einen Metal-Anstrich. Sidos Performance vor rund zwei Wochen war deutlich schonender für die Ohren. Anschließend erklärte Alligatoah, wie die LED-Wand auf der Bühne zustande kam. Er habe eine KI beauftragt und gesagt, er wünsche sich eine pompöse, goldene, glitzernde Bühnenwand. Die KI entgegnete ihm, er sei doch nicht Taylor Swift. Also zeigt die LED-Wand eine graue, triste, nicht näher genannte Comic-Stadt. Bei „Nachbeben“ folgt der einzige Outfitwechsel des Abends. „Scheinbar bin ich doch Taylor Swift“, ruft ein gut gelaunter Alligatoah seinen 16.000 Fans zu.
Köln singt bei jedem Lied lautstark mit, auch wenn die Akustik in der Lanxess-Arena mitunter einige schnelle Zeilen des Rappers undefinierbar macht. Vor dem letzten Lied verbeugt er sich nicht ein-, nicht zwei-, nicht drei-, sondern ganze viermal vor dem begeisterten Publikum, weil er es kann. „Danke, dass ich das ich zeigen durfte, was in meinem Kopf vorgeht.“
Kündigt Alligatoah in der Kölner Lanxess Arena sein Karriereende an?
Das letzte Lied klingt an. In „Trauerfeier Lied“ wird er von einem kleinen Orchester begleitet. Alligatoah beschreibt in diesem Song auf sarkastische Art und Weise, wie er sich seine Trauerfeier vorstellt. Am Ende fällt ein Banner mit einem Holzkreuz: „Gern geschehen, 1989 – 2023.“
Zeitgleich sind alle Beiträge auf Alligatoahs Instagramkanal gelöscht. Unter einem neuen Beitrag steht „FIN“, in der Biografie steht: „Alligatoah war ein deutschsprachiger Musiker“. Oft angekündigt, nie wirklich passiert, sind die Zeichen für ein Karriereende und den Tod der Kunstfigur Alligatoah an diesem Abend spürbarer denn je.