André ButzerWie der Kölner Taschen Verlag einen Kunststar schaffen will
Köln – Der sagenhafte Aufstieg des Kölner Kunstbuchverlags Taschen führte nicht zuletzt über die Nischen des Abseitigen und Entlegenen. Bei Benedikt Taschen sind Bildbände über Brüste und Penisse erschienen, dicke Bücher über Tarotkarten und Hexenkunst, Turnschuhe und historische Comics, Bilderbuch-Dinosaurier und überhaupt über beinahe alles, was bunt, populär und nostalgieverdächtig ist.
In seinem Kerngeschäft, der Malerei, blieb der mittlerweile von Marlene Taschen geführte Verlag dagegen erstaunlich konservativ. Zwar ähneln seine Kunstbildbände in Format und Schwere oftmals Grabsteinen und kosten mitunter vierstellige Beträge. Aber inhaltlich ist das Programm ein Stelldichein der üblichen Klassiker von Brueghel über Hockney und Klimt bis Rembrandt. Zeitgenössisches sucht man beinahe vergeblich.
Albert Oehlen war eine rühmliche Ausnahme. Und Jean-Michel Basquiat, der zwar schon lange tot ist, aber im Dezember gerade mal 61 Jahre alt geworden wäre. Beide passen in Taschens Beuteschema: Ihre Kunst ist wild, bunt und populär (mit leichten Abstrichen bei Oehlen).
Taschen sammelt André Butzers Werke und bringt ihn im XL-Format heraus
Jetzt hat sich der Taschen Verlag offenbar vorgenommen, auch den Maler André Butzer in die Liga der internationalen Kunststars zu heben. Butzer wurde 1973 in Stuttgart geboren, hat des Öfteren in der Kölner Galerie Hammelehle und Ahrens ausgestellt und auf seinen besten Bildern den Expressionismus aus dem Geist der Comic-Niedlichkeit neu erfunden.
Seine Großformate sind schrill-bunt, voller aufgerissener Glubschaugen und so pennälerhaft-durchtrieben hingeschmiert, dass die absichtlich schlechte Malerei der Mülheimer Schule daneben streberhaft wirkt.
Dieser Tage erscheint nun der große Taschen-Band zu André Butzer, im ansonsten den Klassikern vorbehaltenen XL-Format. Er bringt dreieinhalb Kilo auf die Waage, misst 28 mal 33 Zentimeter und versammelt auf 428 Seiten beinahe Butzers gesamtes malerisches Werk – nicht schlecht für einen Künstler, der noch auf eine Einzelausstellung in einem großen deutschen Museum wartet.
Die monografische Schau zum Buch gibt es dafür im Kölner Verlagsgebäude am Hohenzollernring zu sehen – mit lauter Butzer-Werken aus der „Taschen-Collection“.
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Man könnte also von einem opulenten Fanbuch sprechen, wobei sich der Verlag dieses Mal selbst als der größte Fan seines Buchs zu erkennen gibt. Taschen ist offenbar so sehr von „seinem“ Künstler überzeugt, dass er im Jahr 2021 eine mittlerweile weitgehend ausverkaufte Edition von Butzers Mond- und Strichgesichtern auflegte.
Und er lässt lieber Bilder sprechen als diese kunsthistorisch einzuordnen: Der Bildteil wird lediglich von einer kurzen Einleitung und einer schwelgerisch ausgeschmückten Biografie gerahmt. Beides in englischer Sprache – das Buch ist für den internationalen Markt gedacht.
Schwelgerisch sind letztlich auch André Butzers Bilder. Man kann nur darüber staunen, mit welcher Selbstverständlichkeit sich der junge Maler an die großen Formate wagte, um sie mit geisterhaften Gestalten zu füllen, die an James Ensors von Lebensangst vergiftete Seelen erinnern.
Butzers Acrylgemälde sind wie Säurebäder, in denen sich die Figuren allmählich in bunte Fratzen und Gliedmaße auflösen. Es ist eine alptraumhafte Welt, aus der es kein Entrinnen gibt.
Allerdings fand Butzer dann doch rasch einen Ausweg aus seinen Fantasien: Er zoomte in seine frühen Gemälde hinein. Die Köpfe wurden dabei größer, die Augen runder und die Pinselführung krakeliger. Der ins Abstrakte ziehende Expressionismus seiner Bilder fand sein Heil im Comicartigen.
Plötzlich winken einem die Fratzen fröhlich mit überdimensionierten Händen zu, sie grinsen mit dem Entsetzen um die Wette und das Chaos lichtet sich. Ganz gebannt ist dieses zwar auch auf Butzers späten Arbeiten nicht. Aber das Poppig-Populäre hat die Oberhand gewonnen.
„André Butzer“, Taschen Verlag, 428 Seiten, 80 Euro. Englische Ausgabe. Die Butzer-Ausstellung im Taschen-Verlag (Hohenzollernring 53, Köln) ist bis 27. Januar geöffnet. Termine: Di.-Do, 17 Uhr, nur nach Anmeldung.