Opernsängerin Anna Netrebko ist in Wiesbaden bei den Maifestspielen aufgetreten. Vor dem Staatstheater gab es Gegenwind für die Russin.
Vorwurf der Putin-NäheProteste gegen Auftritt von Anna Netrebko – Kontroverse geht weiter
Die Intendanz der Wiesbadener Maifestspiele hat einen großen Namen verpflichtet: Star-Sopranistin Anna Netrebko gibt ihr Debüt als Abigaille in einer konzertanten Auffürhung von Giuseppe Verdis Oper „Nabucco“. An der Seite des serbischen Baritons Željko Lučić trat Netrebko am Freitagabend auf und stand am Sonntag erneut auf der Bühne. Im Programmheft der Festspiele ist von einem „Opern-Weltereignis“ die Rede.
Das sahen hunderte Demonstranten am Freitagabend, die sich vor dem Wiesbadener Staatstheater versammelten, jedoch anders. Sie protestierten mit teilweise drastischen Bildmontagen der russischen Sängerin, die sie blutbefleckt zeigten, und ukrainischen Flaggen gegen den Auftritt der 51-Jährigen.
Hintergrund der Demonstration ist die umstrittene Rolle, die Netrebko gegenüber dem russischen Staatsapparat und auch Wladimir Putin persönlich einnimmt. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine reißt die Kritik nicht ab.
Anna Netrebko traf mehrfach auf Wladimir Putin
Netrebko war in der Vergangenheit mit Wladimir Putin zusammengetroffen. 2008 erhielt sie den Ehrentitel „Volksschauspieler Russlands“ vom Kreml-Herrscher persönlich. Vor der Präsidentschaftswahl in Russland 2012 unterschrieb Netrebko eine Petition für die Rückkehr von Putin in das Präsidentenamt. Im Dezember 2014 präsentierte sich Netrebko gemeinsam mit dem ukrainischen Separatistenführer Oleh Zarjow. Ihren 50. Geburtstag feierte Netrebko im Moskauer Kremlpalast mit einem mehrstündigen Galakonzert.
Seit Februar 2022 wurde Netrebko international immer wieder aufgefordert, sich deutlich vom Überfall Russlands auf die Ukraine zu distanzieren. Auch die Deutsche Staatsoper in Berlin verlangte dies. Netrebkos Anwalt Christian Scherz teilte daraufhin mit, seine Mandantin „verurteile den Krieg gegen die Ukraine ausdrücklich“. Sie strebe durch ihre Kunst ausschließlich Frieden und Einigkeit an. Dieses Statement erschien vielen jedoch halbherzig.
Proteste gegen Anna Netrebko in Köln
Auch in Köln trat die russische Diva Ende August 2022 auf – in Donizettis „Anna Bolena“. Es kam vor der Philharmonie zu Protesten gegen das Engagement Nebtrebkos, das Konzert wurde jedoch kaum gestört. Eine ukrainische Flagge, die ein Musiker offenbar ausgebreitet hatte, wurde schnell abgeräumt.
In Wiesbaden hatte am Freitag eine Bürgerinitiative zu der Solidaritätskundgebung aufgerufen. „Wir stehen hier fassungslos über diese Einladung dieser russischen Sängerin durch diesen Intendanten und erheben unsere Stimme dagegen“, sagte der Vorsitzende der Initiative Europa-Union in Hessen, Peter Niederelz.
Intendant Laufenberg sagte dagegen dem Hessischen Rundfunk, er spreche den Anwesenden nicht das Recht auf Demonstration ab. „Aber wenn sie denken, sie tun der Ukraine eine gute Sache, indem sie gegen Frau Netrebko demonstrieren, habe ich meine großen Zweifel.“
Kontroverse um Anna Netrebko geht weiter
Das Verhältnis von Anna Netrebko zum russischen Staat wird auch am Montag weiter in den deutschen Medien diskutiert. In einem Artikel des Musikkritikers Helmut Mauró in der „Süddeutschen Zeitung“ vom Wochenende spricht der Autor von einem „glanzvollen Auftritt“ Netrebkos. Den Demonstranten sei es nicht gelungen, den Abend zu „kapern“. An dieser Sicht wiederum gibt es Kritik, auch von der „Zeit“-Journalistin und Ukraine-Kennerin Alice Bota, die sich bei Twitter dazu äußerte.
Zunächst einmal wird eine Behauptung aus dem Mauró-Artikel widerlegt, in Polen und der Ukraine sei die Aufführung von Werken russischer Künstler verboten. Zudem verweist Bota darauf, dass Netrebko auch nach 2014, also der russischen Annexion der Krim, die Kreml-Politik befürwortet und die prorussischen Separatisten in der Ostukraine unterstützt habe. (cme, mit dpa)