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„Anne Will“ zu GeflüchtetenNRW-Bürgermeister „fassungslos“ über Faeser – Lauterbach greift Söder an

Lesezeit 4 Minuten
Markus Söder bei Anne Will.

Markus Söder (CSU) ist zur Debatte um Geflüchtete bei „Anne Will“ am Sonntagabend (24. September) zugeschaltet.

Söder will eine Obergrenze, Faeser erklärt das für unzulässig. Auch Karl Lauterbach schaltet sich ein, obwohl er gar nicht Gast bei Anne Will ist.

In der Talkshow von Anne Will ging es am Sonntagabend (24. September) um eines der Themen, die Deutschland derzeit am meisten beschäftigen: Den verstärkten Zuzug von Migranten. „An der „Belastungsgrenze“ – Schafft Deutschland eine bessere Flüchtlingspolitik?“, wollte die Moderatorin von ihren Gästen wissen. Das waren Nancy Faeser (Bundesinnenministerin, SPD), Markus Söder (bayerischer Ministerpräsident, CSU), Frank Rombey (parteiloser Bürgermeister der Gemeinde Niederzier/NRW), Victoria Rietig (Migrationsexpertin) und Isabel Schayani (Journalistin und Moderatorin ARD „Weltspiegel“).

Markus Söder, der sich derzeit in der heißen Phase des bayerischen Wahlkampfes befindet, hatte in jüngster Zeit mehrfach nach einer Obergrenze von 200.000 zur Aufnahme von Geflüchteten gerufen. In der Talksendung bekräftigte er, bei dieser Zahl gehe es um eine Richtgröße, „in der Integration in unserem Land noch gelingen kann“. Man benötige Grenzschutz, den Stopp von Sonderaufnahmeprogrammen, die nur Deutschland mache, es brauche Rückführung und eine Veränderung der Anreize, beispielsweise beim Bürgergeld, so Söder.

Nancy Faeser: Obergrenze für Geflüchtete nicht realistisch

Bundesinnenministerin Nancy Faeser widersprach, die sei allein aus rechtlicher Sicht überhaupt nicht machbar: „Obergrenzen sind halt insofern nicht einzuhalten, weil wir europäisches Recht haben, internationales Recht, wir können gar nicht das Individualrecht auf Asyl alleine reduzieren“, sagte Faeser und fügte hinzu: „Wir sind an die Genfer Flüchtlingskonvention, an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden.“

Konkrete Lösungen hatte Faeser allerdings auch nicht anzubieten. Sie verwies immer wieder auf europäische Zusammenarbeit und sagte, Abkommen mit verschiedenen Staaten zur effektiveren Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern seien ein Baustein der Flüchtlingspolitik.

„Anne Will“: Frank Rombey, Bürgermeister von Niederzier, ist „fassungslos“

Dass man die von den vielen ankommenden Geflüchteten stark überlasteten Kommunen mit Allgemeinplätzen nicht zufrieden stellen kann, wurde bei Frank Rombey deutlich. Der Bürgermeister der NRW-Kommune Niederzier zeigte sich empört über die fehlende Hilfe von Land und Bund.

„Wenn ich ganz ehrlich bin: 'Fassungslos' ist ein hartes Wort, aber ich bin fassungslos, wenn ich diese Diskussion hier heute Abend gesehen habe. Wir haben viel über Abkommen und so weiter gesprochen. Ich persönlich hatte mir Lösungen erhofft. Ich hab nicht wirklich eine Lösung bekommen. Wer soll das weiter finanzieren, wer soll die Arbeit vor Ort weiterhin leisten? Wir brauchen jetzt, heute, eigentlich schon gestern und vorgestern Lösungen für unsere Probleme“, sagte Rombey.

Der Bürgermeister hatte den Brandbrief von 350 Kommunen an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst mit unterzeichnet. In Niederzier mit seinen 14.000 Einwohnern und 847 Geflüchteten können noch fünf weitere Menschen aufgenommen werden, so Rombey. Im Grunde ginge es bei ihm in der Kommune gerade nur noch darum, „Obdachlosigkeit zu vermeiden“. Alle Wohncontainer seien voll und die dauerhaften Einrichtungen trotz Millionen-Investitionen noch nicht fertig.

Karl Lauterbach wirft Markus Söder bei „Anne Will“ Populismus vor

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) meldete sich in der Debatte ebenfalls zu Wort – obwohl er gar nicht Gast in der ARD-Sendung war. Lauterbach stammt selber aus Niederzier und hatte schon im Vorfeld auf die Sendung hingewiesen. „Mein Heimatdorf, bin dort oft. 15.000 Einwohner, 900 Flüchtlinge. Eigentlich ein Ort, in dem Integration gut läuft. Einwohner aus 80 Nationen“, schrieb Lauterbach vorab.

Zu der Debatte bei „Anne Will“ äußerte er sich dann erneut und warf CSU-Politiker Söder Populismus vor. Durch Forderungen wie eine Obergrenze, die realistisch gar nicht durchsetzbar sei, würden nur rechte Stimmen gestärkt. Söder erwecke den „Eindruck des Kontrollverlustes bei Flüchtlingen“.

Söder hatte zuvor bei „Anne Will“ gesagt: „Ich rate dringend dazu, dass die Demokraten eine gemeinsame Lösung finden. Am Ende lachen sich dann nur AfD und andere ins Fäustchen. Und das können wir als Demokraten nicht zulassen“, so der bayerische Ministerpräsident.

Lauterbach warf Söder im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter, vor, mit seiner Rhetorik auch in der Sendung genau dieses aber zu tun, was der CSU-Politiker vordergründig ablehne. Man könnte keinen „Wahlkampf mit Flüchtlingen“ machen, ohne die AfD zu stärken, kritisiert Lauterbach.

Hendrik Wüst will Versachlichung der Debatte um Geflüchtete

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach sich unterdessen für eine sachliche Suche nach Lösungen zur Begrenzung der Migration aus. „Wir brauchen einen klaren Blick auf die Grenzen unserer Möglichkeiten“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag). Wichtig sei, „dass wir jetzt diese Debatte in aller Sachlichkeit, ohne unnötige Polarisierung und im Selbstbewusstsein führen, dass wir wirklich sehr viel helfen. Wir können aber denen, die wirklich unsere Hilfe brauchen, nur helfen, wenn jene nicht mehr kommen, die kein Recht dazu haben.“

Wüst befürwortete unter anderem eine Ausweisung weiterer sicherer Herkunftsländer im Asylrecht für beschleunigte Verfahren. „Dass man jetzt bei Moldau und Georgien den Einstieg findet, ist richtig und höchste Zeit. Das ist aber auch bei den Maghreb-Staaten nötig, wenn die Lageeinschätzung des Außenministeriums es zulässt.“ Der Ministerpräsident forderte vom Bund außerdem baldige Klarheit über die künftige Finanzierung der Flüchtlingskosten. (cme, mit dpa)