Arnold Schwarzenegger wird 75Warum eine Witzfigur uns alle gerettet hat
Köln – Es gibt einige Geschichten darüber, wie aus einem steirischen Jungen mit vergleichsweise dünnen Beinen der Anführer des muskelbepackten Universums wurde. Die unwahrscheinlichste davon hat den unschätzbaren Vorteil, dass sie mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle verfilmt wurde. In „Conan der Barbar“ überfallen Sklavenhändler eine friedliche Familie, töten Vater und Mutter und schmieden den überlebenden Knirps an einen Mühlstein. Im endlosen Kreislauf der Jahre wachsen dem unermüdlichen Jungen österreichische Muskelberge, er sprengt die Fesseln seiner Existenz und rächt den Mord an seinen Eltern.
Arnold Schwarzeneggers Superheldenkörper war das Ergebnis harter Arbeit
Mit dem realen Arnold Schwarzenegger hat das selbstredend nur insofern etwas zu tun, als dessen Erscheinung stets etwas Archetypisches hatte. Als „Conan“ war er weniger ein Nachfahre des sagenhaften Herkules als der Comic-Superhelden, die sich schmächtige Jungs erträumten, um sich weniger hilflos und ausgeliefert zu fühlen. Sein imposanter Körperpanzer war allerdings weder die Folge eines nuklearen Unfalls noch außerirdischen Ursprungs. Sondern harte Arbeit am Mühlstein eines wovon auch immer gekränkten Selbstwertgefühls.
Bei Arnold Schwarzenegger, dem professionellen Bodybuilder und Gelegenheitsschauspieler, konnte man gleich sehen, was man bekommt. Er brauchte keine Spezialeffekte, denn sein Körper war selbst einer. Seine grotesken Maße (56-72-51 Zentimeter für Arm-, Oberschenkel- und Wadenumfang) machten ihn einerseits zur Witzfigur, aber eben auch zur Projektionsfläche. Ein Blick auf ihn genügte, um die Illusion zu nähren, dass sich durch Wille, Fleiß und Jugend (sowie ein bisschen Anabolikamissbrauch) vom Titel des Mr. Universum bis zur Unzerstörbarkeit alles erreichen lässt.
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Zur Ikone der 1980er Jahre wurde Schwarzenegger dann freilich mit dem Gegenteil seines frühzeitlichen Barbaren. „Conan der Zerstörer“ kam als „Terminator“ aus der Zukunft zurück, um die Menschheit zu vernichten. Aus dem Inbild männlicher Kraft war ein Roboter geworden, dessen menschliche Hülle nur Tarnung war; unter dem aufgepumpten Fleisch lag ein stählernes Skelett. Als „Terminator“ führte uns Schwarzenegger vor, wie hilflos und verletzlich wir sind. Er blickte kalt und mitleidlos auf uns herab. Ironischerweise wurde Schwarzeneggers Status als der unwahrscheinlichste Hollywood-Star von allen dadurch in Titan gegossen.
Vor Arnold Schwarzenegger hatte Hollywood für Muskelmänner allenfalls schmückende Nebenrollen oder Auftritte in B-Filmen reserviert. Es gab Johnny Weissmüller als Tarzan, aber sonst nicht viel. Erst die Blockbuster-Industrie ebnete Randfiguren wie Schwarzenegger oder Sylvester Stallone den Weg; der eine war ein Mann der Schmerzen, der andere als „Terminator“ so schmerzunempfindlich wie wortkarg. „I’ll be back“ war Schwarzeneggers Hamlet-Monolog.
Auf dem Weg an die Spitze war auch Schwarzenegger in mehr B-Filmen und Fernsehproduktionen zu sehen, als man hier aufzählen kann. Er spielte Nebenrollen als Bodybuilder, etwa in einer Folge der „Straßen von San Francisco“, er war „Hercules in New York“, musste wegen seines steirischen Akzents aber synchronisiert werden. Am meisten machte er in der Dokumentation „Pumping Iron“ von sich reden. Man konnte sehen, dass hier jemand nicht nur emsig an seinem Körper, sondern auch an seiner Karriere arbeitete. Im Grunde fiel damals beides in eins.
Arnold Schwarzenegger hat oft betont, wie steinig sein Weg in Hollywood gewesen ist: als Ausländer mit unaussprechlichen Namen und einem Körper, der mehr Übermensch als menschlich ist. Zu seinem Glück waren im Zuge der allgemeinen Technikphobie glaubwürdige Mensch-Maschinen gefragt. Im ersten „Terminator“-Film wurde Schwarzenegger aus einem Wurmloch neu geboren, in der Fortsetzung kehrte er als geläuterte, weil umprogrammierte Version seines Killerroboters zurück – und wurde als apokalyptischer Wiedergänger John Waynes unsterblich.
Zwischen diesen ikonischen Auftritten lagen Filme, die vor allem den Hollywood’schen Pragmatismus zeigen. Weil Schwarzenegger plötzlich ein Star war, mussten eben passende Rollen für ihn her. Als klassischer Actionheld war er in der Regel fehlbesetzt, eine Wand, wie Pauline Kael schrieb, an der die Regisseure die übrigen Darsteller abprallen ließen. Am besten verstand sich Paul Verhoeven auf das cartooneske Potenzial von Schwarzenegger; sein Science-Fiction-Film „Total Recall“ ist nach wenigen Minuten hirntot und damit fängt der Spaß erst richtig an.
Zur allgemeinen Überraschung entpuppte sich der Muskelmann als intelligent
Zur allgemeinen Überraschung entpuppte sich der Muskelmann als intelligenter, humorvoller und zur Selbstironie begabter Star, der sich in „Kindergarten Cop“ mit Rotznasen behängen ließ und darüber hinaus politische Ambitionen hegte. 1986 hatte er in die Kennedy-Familie eingeheiratet, 1990 wurde er vom republikanischen US-Präsidenten George Bush zum obersten Sport- und Fitnessberater ernannt. Seine Kandidatur für das Amt als kalifornischer Gouverneur gab er 2003 stilecht in einer „Tonight Show“ des US-Komikers Jay Leno bekannt. Wie einst Ronald Reagan nutzte Schwarzenegger seine Prominenz so geschickt wie schamlos aus, hatte aber das sympathischere Programm.
Als gewählter Gouverneur (oder „Gouvernator“) vertrat Schwarzenegger moderate republikanische Positionen. So setzte er sich für die Rechte von Homosexuellen ein, verhinderte aber die Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen in Kalifornien; auch die Aussetzung der Todesstrafe lehnte er ab. In der Umweltpolitik gehörte Schwarzenegger zu den Fortschrittlichen seiner Partei, 2005 unterzeichnete er ein Dekret zur Reduzierung von Treibhausgasen.
Während seiner beiden Amtszeiten ließ der „Gouvernator“ seine Filmkarriere ruhen, nach 2011 kehrte er nur sporadisch auf die Leinwand zurück. Seine besten Auftritte hatte er als entschiedener Gegner des US-Präsidenten Donald Trump und in einer den Ukraine-Krieg geißelnden Videobotschaft an seine russischen Fans. Auch in der Wirklichkeit stand Arnold Schwarzenegger zuletzt auf der richtigen Seite der Barbarei. An diesem Samstag wird er 75 Jahre alt.