Attentat auf Satirezeitung jährt sich zum fünften Mal„Charlie Hebdo“ lebt
Paris – „Je suis Charlie“ - „Ich bin Charlie“: Dieses Schlagwort ging nach dem 7. Januar 2015 um die Welt. Am Dienstag hat sich zum fünften Mal der islamistische Anschlag auf die Pariser Satirezeitung „Charlie Hebdo“ mit zwölf Toten gejährt. Das Jahr 2020 ist ein besonderes für die Redaktion: Im Mai beginnt der Prozess gegen die mutmaßlichen Komplizen der Attentäter, im November feiert die Zeitung den 50. Jahrestag ihrer Gründung.
„Nach fünf erschöpfenden Jahren für das ganze Team ist die Zeitung immer noch da, und auch ihre geistige Freiheit“, schreibt der Redaktionsleiter Riss alias Laurent Sourisseau in dem Leitartikel der aktuellen Gedenkausgabe. „Wer dachte, das Massaker habe sie demütiger und diskreter gemacht, hat sich getäuscht.“ Riss hat das Attentat vor fünf Jahren überlebt und darüber ein Buch geschrieben. Unter dem Titel „Une minute quarante-neuf secondes“ (deutsch: „Eine Minute 49 Sekunden“) berichtet er über den Anschlag, der nur kurze Zeit dauerte und das Leben der Redaktion nachhaltig veränderte.
Charb, Cabu, Honoré, Tignous und Wolinski
Charb, Cabu, Honoré, Tignous und Wolinski: Einige der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs wurden getötet, als zwei schwer bewaffnete Islamisten im Januar 2015 die Räume von „Charlie Hebdo“ stürmten. An sie erinnerten überlebende und neu hinzugekommene Zeichner und Journalisten, Angehörige und Politiker vor dem früheren Pariser Redaktionssitz mit Kränzen und einer Schweigeminute. Die Toten hätten für „das Lachen und die Freiheit“ gestanden, erklärte der frühere Präsident François Hollande zu diesem Anlass. Eine Welle der Solidarität ging nach der Bluttat um die Welt, die Auflage der Satirezeitung stieg für kurze Zeit auf mehrere Millionen Exemplare. Zeitweise gab es sogar eine deutsche Ausgabe, die mangels Lesern aber Ende 2017 wieder eingestellt wurde.
„Humor ist vielen Menschen suspekt“, sagt Redaktionsleiter Riss noch heute. Das gilt nicht nur für die Islamisten, die sich über die angeblich frevelhafte Darstellung des Propheten Mohammed bei „Charlie Hebdo“ ereiferten. Am 4. Mai beginnt vor einem Pariser Sondergericht der Prozess gegen 14 Männer. Sie sollen unter anderem die Brüder Chérif und Saïd Kouachi bei dem Anschlag auf die Satirezeitung unterstützt haben. Vor Gericht werden voraussichtlich nur elf der 14 Angeklagten erscheinen, die drei weiteren kamen vermutlich in Syrien oder im Irak ums Leben.
Kritik an Twitter und Facebook
Bitterböser Humor, das ist seit 1970 das Markenzeichen von „Charlie Hebdo“. Sie ging aus der Satirezeitung „Hara Kiri“ hervor, die nach einem bissigen Titel zum Tod von Republikgründer Charles de Gaulle verboten wurde. „Es gibt keine Zensur in Frankreich“ hieß die ironische Schlagzeile auf der ersten Ausgabe von „Charlie Hebdo“ am 23. November 1970. Trotz Finanzproblemen, Drohungen und Prozessen: „Charlie Hebdo“ lebt. In der aktuellen Gedenkausgabe verurteilt das Blatt „die neuen Gesichter der Zensur“ und die „neuen Diktaturen“. Auf dem Titelbild ist ein gestürzter Zeichner zu sehen, dessen Arme und Zunge durch ein überdimensionales Handy zerquetscht werden. Darauf prangen die Logos großer Online-Netzwerke wie Twitter und Facebook.
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In Paris muss die Redaktion von „Charlie Hebdo“ seit dem Anschlag an einem geheimen Ort unter Polizeischutz arbeiten. Vor einigen Wochen zeigten sich die Zeichner und Journalisten erstmals öffentlich bei einer Podiumsdiskussion in Straßburg. Für ihren Einsatz für die Meinungsfreiheit feierte sie das Publikum mit Applaus und Bravo-Rufen. (afp)