AusflugstippsFünf tolle Literaturorte in Köln und NRW zum Entdecken
Wer Literatur und Ausflüge liebt, kann in Köln und Region beides wunderbar miteinander verbinden. Martin Oehlen und Petra Pluwatsch, die zusammen die Internetseite Bücheratlas betreiben und dort immer neue Buch-Empfehlungen parat haben, haben für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ fünf Ausflugstipps zum Entdecken mit Literaturhinweisen und Erklärungen zusammengestellt. Hier finden Sie deren ausführliche Empfehlungen.
Heinzelmännchenbrunnen in Köln
Das muss ein mächtiges Gepolter gewesen sein. Kopfüber stürzten die Heinzelmännchen bei einem „Schneiderlein“ die Treppe hinunter. Holten sich Beulen, blaue Flecken, Nasen bluteten, Wämser rissen. Was die fleißigen Wichtel derart stark verärgerte, dass sie auf Nimmerwiedersehen im Dunkel der Nacht verschwanden.
So endet die Geschichte von den Kölner Heinzelmännchen, die den stinkfaulen Handwerkern der Stadt aus der Patsche helfen, indem sie nachts heimlich deren Job erledigen. Sie backen Brot, keltern Wein und nähen einen „Staatsrock“ für den Bürgermeister. Bis, ja, bis die Frau des Schneiderleins eines Abends wissen will, wer eigentlich für die nächtlichen Hilfsdienste verantwortlich ist und den Heinzelmännchen eine Falle stellt: Sie streut getrocknete Erbsen auf die Treppe und „springt hinunter auf den Schall / mit Licht: husch, husch, husch! Verschwinden all!“
Populär wurden „Die Heinzelmännchen von Köln“ durch den Maler und Dichter August Kopisch (1799 – 1853). Der veröffentlichte 1836 eine Ballade über die emsigen Helferlein – und rieb den eher kontemplativ veranlagten Kölner Handwerkern damit ordentlich einen hin. „Wie war zu Köln es doch vordem / mit Heinzelmännchen so bequem“, dichtete er fröhlich. „Denn, war man faul, man legte sich / hin auf die Bank und pflegte sich.“ Neu allerdings war die Geschichte von den Zwergen und der neugierigen Schneiderfrau nicht. Bereits der Kölner Schriftsteller und Chronist Ernst Weyden (1805 – 1869) hatte den „kleinen nackenden Männchen“ 1826 in seinem Buch „Cöln‘s Vorzeit“ ein paar launige Zeilen gewidmet. Und die Geschichte vermutlich von den Brüdern Grimm geklaut.
Natürlich ist den Protagonisten der kölschen Volkssage in ihrer Heimatstadt – neben dem Heinzelmännchenweg in Köln-Ehrenfeld - auch ein Denkmal gewidmet: der Heinzelmännchenbrunnen. Der steht mitten in der Altstadt in der Straße Am Hof. Der Kölner Dom ist in Sichtweite, bis zum Römisch-Germanischen Museum sind es ebenfalls nur ein paar Schritte. In seinem Rücken liegt das älteste Brauhaus der Stadt: das „Früh“, in dem man auf die vergrätzten Heinzel ein Kölsch trinken kann.
Pummelige kleine Kerle
Geschaffen wurde der Brunnen von dem Bildhauer Edmund Renard dem Älteren und dessen Sohn Heinrich, einem Architekten. Der „Cölner Verschönerungsverein“ hatte das Denkmal 1899 in Auftrag gegeben, zwei Jahre später konnte es eingeweiht werden. Der Anlass: August Kopischs 100. Geburtstag. Edmund Renard dürfte das Projekt großen Spaß gemacht haben. Bis dato hatte der Kölner Künstler vor allem Skulpturen für Grabmäler und Kirchen gestaltet, unter anderem für die Christuskirche in Hannover.
Jetzt also ein Brunnen. Einer aus Eisen und hellem Sandstein mitten in der Stadt gelegen und gestaltet in Form der Kölner Neugotik. Renards Heinzelmännchen sind pummelige kleine Kerle mit Zipfelmützen und ernsten Mienen. Sechs Darstellungen zeigen sie bei der Arbeit: Sie zimmern und schreinern, keltern Wein, backen, schlachten und schneidern. Über allem thront die neugierige Schneidergattin mit ihrer Laterne, allerdings nur als Kopie. Das Original befindet sich, ebenso wie die ursprünglichen Reliefs, im Kölner Stadtmuseum. Die witterungsanfälligen Sandsteinplatten sind durch Kunststeinabgüsse ersetzt worden. Nicht von den fleißigen Heinzelmännchen, sondern von der „Cölner Hofbräu P. Josef Früh KG“, die den in die Jahre gekommenen Brunnen 2017/2018 restaurieren ließ.
Petra PluwatschAdresse: Am Hof, 50667 Köln
LiteraturtippsAugust Kopisch: „Die Heinzelmännchen von Köln“, mit Illustrationen von Nikolaus Heidelbach, Emons, 48 Seiten, 8,95 Euro.
Ernst Weyden: „Cöln‘s Vorzeit: Geschichten, Legenden und Sagen“, Nabu Press, 322 Seiten, 30,99 Euro.
Heinrich Bölls Schreibtisch in Köln
Der Aschenbecher ist blankgeputzt, die Pfeife kalt, die Zigarettenspitze unbestückt. Heinrich Böll (1917-1985) wohnt hier nicht mehr. Doch wer die Atmosphäre schnuppern will, in der Kölns einziger Literaturnobelpreisträger seine Texte schrieb, der sollte den zweiten Stock der Kölner Stadtbibliothek am Neumarkt aufsuchen. Denn hier, wo das „Literatur in Köln“-Archiv und das Heinrich-Böll-Archiv untergebracht sind, ist das Arbeitszimmer hinter einer Glasfront zu besichtigen. In einer Institution, bei deren Eröffnung im Jahre 1980 Heinrich Böll die Festrede gehalten hatte.
Die Präsentation ist ausgestattet mit allem, was an originalem Material verfügbar ist - vom Schreibtisch bis zur Schreibmaschine („Remington Writer Deluxe“). Ja, so sah es bei Heinrich Böll an seinem letzten Wohnsitz in Bornheim-Merten aus, wo er drei Jahre lebte.
Was sofort auffällt: Das ist keine durchgestylte Wohnlandschaft, sondern ein Arbeitsplatz-Ensemble, das über die Jahre entstanden ist. Vieles atmet hier den Geist der 1950er Jahre. „Das Zimmer spiegelt die Bescheidenheit des Autors“, sagt Gabriele Ewenz, die Leiterin der beiden literarischen Archive in der Stadtbibliothek. Zum Beleg verweist sie auf die schlichten Beistelltische, die als Verlängerung des Schreibtisches angefertigt worden sind, als der nicht mehr ausreichte. Die wirken grob gezimmert, einzig auf die Funktion bedacht. Heinrich Böll stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, hatte Krieg und Zerstörung, Armut und Not erfahren – er war gewiss kein Mensch des Luxus.
Auf dem Schreibtisch eine Mappe, Briefe mit aufgedrucktem Absender, mehrere Notizbücher und einige Steine. Dahinter der Schreibtischstuhl, der von einem Schaffell als Polsterung überdeckt ist. Etwas abseits davon ein gedrechselter Stuhl, handgefertigt von seinem Vater Viktor, der Kunstschreiner war. Gleich daneben eine Rattan-Liege, an deren Kopfende die berühmte Baskenkappe hängt (beim Heinrich-Böll-Weg durch Merten ist sie das Erkennungs-Logo).
Die Bücher drumherum stammen aus Bölls Nachlass-Bibliothek. Nicht wenige mit Widmungen versehen – von Paul Celan oder von Jürgen Becker. Gleichwohl ist es keine bibliophile Sammlung, sondern eine für den schnellen Zugriff „Es sind Bücher, die er wirklich gebraucht hat“, sagt Gabriele Ewenz. Darunter das „Deutsche Wörterbuch“ der Brüder Grimm. Allerdings kann nicht die komplette Bibliothek präsentiert werden. Weitere Werke befinden sich im Depot im Keller der Stadtbibliothek.
Vielgefragter Autor
Heinrich Böll war ein vielgefragter Autor, gerade in seinen letzten Lebensjahren. Die Wählscheibe des beigen Telefons auf dem Schreibtisch hat er oft gedreht. „Er konnte schlecht ‚nein‘ sagen, wenn er um etwas gebeten wurde“, meint Gabriele Ewenz. So hat Böll sich auch auf die Lektüre des Romans „Der Sieger nimmt alles“ von Dieter Wellershoff eingelassen. Wellershoff war sein Lektor bei Kiepenheuer und Witsch. Doch die ersehnte Rezension blieb aus. Böll konnte offenbar mit dem Roman nicht viel anfangen. Er hatte sich redlich bemüht, wie die Anmerkungen in dem Exemplar bezeugen, das in einer Vitrine ausgestellt ist. Aber eine Rezension wollte er dann doch nicht veröffentlichen.
Am rechten Rand dieses literarischen Denkmals eigener Art ist ein roter Talar drapiert. Den trug Heinrich Böll, als er zum Ehrendoktor der University of Birmingham ernannt wurde. Doch das ist gewiss: Das Kleidungsstück hatte er zu keiner Zeit in seinen Räumen ausgestellt. So sieht es Gabriele Ewenz: „Wenn einer nicht eitel war, dann war es Heinrich Böll.“
Martin Oehlen
HinweiseZentralbibliothek der Kölner Stadtbibliothek Köln, Josef-Haubrich-Hof 1 (am Neumarkt), 50676 Köln.Geöffnet Mo., Mi. und Fr. 10 -18 Uhr, Di. und Do. 10 bis 20 Uhr, Sa. 10 -15 Uhr.
LiteraturtippsHeinrich Böll: „Köln gibt‘s schon, aber es ist ein Traum - Ein Autor und seine Stadt“, hrsg. von René Böll, Kiepenheuer & Witsch, 14,99 Euro.Die „Kölner Ausgabe“ von Heinrich Bölls gesammelten Werken liegt im Verlag Kiepenheuer & Witsch vor.
Das Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf
„Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zumute.“ Als Heinrich Heine (1797-1856) diese Zeilen schrieb, wohnte er schon längst nicht mehr am Rhein. Doch das änderte nichts an seiner Zuneigung zu der Stadt, in der er aufs Lyzeum im Franziskanerkloster gegangen war und in der er sich in das „rote Sefchen“, die Tochter des Scharfrichters, verliebt hatte. „Ich bin dort geboren, und es ist mir, als müsste ich gleich nach Hause gehn.“
Harry Heine erblickte am 13. Dezember 1797 in der Bolkerstraße 53 das Licht des Rheinlands. Er war das erste von vier Kindern des Tuchhändlers Samson Heine und seiner Ehefrau Betty van Geldern. Die Eltern stammten, wie auf einer Informations-Tafel in der Altstadt zu lesen ist, aus bedeutenden jüdischen Familien. Den Vornamen Heinrich nahm Heine erst bei seiner Taufe im Jahre 1825 an. In seinem Geburtshaus ist heute die feine Buchhandlung Müller & Böhm untergebracht, die dort gemeinsam mit dem Verein zur Förderung des Heinrich-Heine-Geburtshauses einen Literaturtreff organisiert. Spuren des ehemaligen Bewohners finden sich hier allerdings nicht mehr.
Von denen gibt es umso mehr im nicht weit entfernten Heinrich-Heine-Institut in der Bilker Straße 12-14, das 1970 gegründet worden ist. Das Haus dient zum einen der Forschung, wozu auf eine Vielzahl von Originalhandschriften zurückgegriffen werden kann. Zum anderen ist es ein Museum, das in seiner Dauerausstellung im ersten Stock alles aufbietet, was man für einen Heine-Grundkurs benötigt.
Treppauf geht es entlang einer Zeitleiste, die mit allen wichtigen Lebensdaten zwischen Rhein und Seine bekannt macht. Von Zimmer zu Zimmer, getrennt von hohen Flügeltüren, bewegt man sich übers Parkett und durch die Chronologie. Das ist die Kapitelfolge: Familie, Aufbruch, Exil (in Paris), Matratzengruft (so Heines Bezeichnung für sein Krankenlager), Nachwelt und Literaturlabor.
Unterwegs blickt der Besucher auf Porträts des Schriftstellers in Öl und Bronze und auf Briefmarken. Sehr persönlich wird es mit der Haarlocke, die von einer blauen Schleife zusammengehalten wird. Dazu gibt es einen erläuternden Zettel von Heines Ehefrau Mathilde: „Cheveux de Henri Heine“. Auch die Gänseschreibfeder im violett ausgeschlagenen Etui wird dem Dichter zugeschrieben. Sie gleicht derjenigen der Heine-Skulptur, die im Innenhof des Instituts auf einer Fensterbank platziert worden ist.
Kaiserin Elisabeth von Österreich war eine der glühendsten Verehrerinnen des Schriftstellers: „Jedes Wort, jeder Buchstabe, der nur von Heine vorkommt, ist ein Juwel.“ Angenehm eigenwillig ist die durchlauchtige Begründung der Wertschätzung, die in der Ausstellung zitiert wird: „Ich liebe an ihm seine grenzenlose Verachtung der eigenen Menschlichkeiten und die Traurigkeit, mit der ihn die irdischen Dinge erfüllten.“
Elisabeth unterstützte intensiv das Projekt zur Errichtung eines Denkmals zu seinen Ehren in Düsseldorf. Doch daraus wurde damals nichts – was durchaus eine Tradition begründete. Denn lange tat sich Düsseldorf schwer mit der Würdigung ihres berühmtesten Sohnes. Das gilt zum einen für die Umbenennung der Universität Düsseldorf in Heinrich-Heine-Universität, über die 20 Jahre lange debattiert worden ist und die dann 1988 in die Tat umgesetzt wurde. Das gilt zum anderen für ein zentrales Denkmal. Nun steht seit 1981 ein Bronze-Monument von Bert Gerresheim auf dem Schwanenmarkt: Es zeigt den gespaltenen Totenschädel des Dichters. Daneben liegt eine Trommel, die an seine revolutionsselige „Doktrin“ erinnert: „Schlage die Trommel und fürchte dich nicht,/ Und küsse die Marketenderin!/ Das ist die ganze Wissenschaft,/ Das ist der Bücher tiefster Sinn.“
Dezent angestrahltes Zitat
Der Besucher wird beim Rundgang in der Bilkerstraße keineswegs erdrückt von der Zahl der Exponate oder ermüdet von der Ausführlichkeit der Informationen. So kann er ganz am Ende auch noch das Zitat an der Wand goutieren, das dezent angestrahlt wird: „Es ist nichts aus mir geworden, nichts als ein Dichter.“ Aber was für einer.
Das Heinrich-Heine-Institut unterstützt auf seine Weise den Wunsch des Schriftstellers, dass niemals Zweifel an seinem Geburtsort aufkommen mögen. So verweist er schon in den „Reisebildern“ ausdrücklich auf Düsseldorf: „Für den Fall, dass etwa, nach meinem Tode, sieben Städte – Schilda, Krähwinkel, Polkwitz, Bockum, Dülken, Göttingen und Schöppenstädt – sich um die Ehre streiten, meine Vaterstadt zu sein.“ Keine Frage: Die Ehre liegt ganz bei Düsseldorf.
Martin Oehlen
AdresseHeinrich-Heine-Institut, Bilker Straße 12-14, 40213 Düsseldorf.Geöffnet Di.-Fr. 11-17 Uhr, Sa. 13-17 Uhr, So. 11-17 Uhr.Wegen der Corona-Krise ist eine vorherige Anmeldung erforderlich: Telefonisch unter 0211 8995571 oder per Mail unter anmeldungen-hhi@duesseldorf.de
Literaturtipps
Heinrich Heine: „Reisebilder“, Reclam, 688 Seiten, 12,80 Euro.
Heinrich Heine: „Deutschland. Ein Wintermärchen“, Text und Kommentar, Reclam, 124 Seiten, 4,40 Euro.
Bilderbuchmuseum Burg Wissem in Troisdorf
Schneewittchen ist hier zu Hause, der böse Wolf und so manch andere Figur aus den Märchen der Brüder Grimm. Sobald es dunkel ist, halten sie ein Schwätzchen mit der Tigerente und Peter Pan, der nicht erwachsen werden möchte, mit Timm Thaler, der sein Lachen verkaufte, und natürlich mit der frechen Pippi Langstrumpf mit den feuerroten Zöpfen. Verwunderlich wäre das nicht. Schließlich befinden wir uns im Bilderbuchmuseum in Troisdorf, dem einzigen seiner Art in ganz Europa. Und das enthält Bücher, Bücher, Bücher. Hunderte, tausende Märchen-, Kinder- und Jugendbücher aus mehr als sechs Jahrhunderten, die zum Lesen und zum Träumen einladen.Untergebracht ist die einzigartige Sammlung in einem prachtvollen, rot getünchten Herrenhaus am Rande des Hirschparks Troisdorf. Viele Jahre diente es der Stadt als Standesamt. 1982 schließlich wurde der klassizistische Bau aus dem Jahr 1840 in das „Bilderbuchmuseum Burg Wissem“ umgewandelt. Während das Erdgeschoss wechselnden Ausstellungen vorbehalten ist, sind in den beiden oberen Etagen Exponate aus dem Bestand des Museums und mehrere umfangreiche Privatsammlungen untergebracht. Originalillustrationen von Janosch und anderen Bilderbuchkünstlern schmücken die Flure.
Anfänge des Kinderbuchs
Über eine knarzende Holztreppe steigen wir hoch in die erste Etage. Hier, im ersten Zimmer links, erfahren wir etwas über die Anfänge des Kinderbuchs in Europa. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert dienten Kinder- und Jugendbücher vor allem dazu, die jungen Leserinnen und Leser zu belehren, zu erziehen und auf die Welt der Erwachsenen vorzubereiten. So finden sich in den Vitrinen des kleinen Ausstellungsraums kunstvolle illustrierte Ausgaben der Fabeln des Aesop aus dem 18. Jahrhundert. Der griechische Dichter lebte im 6. Jahrhundert vor Christus, doch seine Geschichten von der Ameise und der Heuschrecke, vom Hirtenjungen und dem Wolf und dem Fuchs und dem Storch waren im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts höchst populär.
Herzstück des Bilderbuchmuseums sind seine Sammlungen, untergebracht in der zweiten Etage. Rund 3000 illustrierte Bilder- und Kinderbücher stiftete allein der 2006 verstorbene Kölner Literaturwissenschaftler Theodor Brüggemann, der eine der bedeutendsten Kinderbuchsammlungen Deutschlands sein Eigen nannte.
Eifrige Sammler waren auch der österreichische Musikwissenschaftler Friedrich C. Heller und der 2011 verstorbene deutsche Didaktiker und Schulpädagoge Reinhard Stach. Beiden verdankt das Museum Tausende von Bilder- und Kinderbüchern. So umfasst die „Sammlung Friedrich C. Heller“ rund 3000 Bände, darunter englischsprachige Kinderbücher aus dem 19. Jahrhundert und italienische Bilderbücher aus der Zeit des Faschismus. Reinhard Stach war offensichtlich ein Fan des schiffbrüchigen Seemanns Robinson Crusoe, dem Daniel Defoe 1719 ein literarisches Denkmal gesetzt hatte. In Stachs Sammlung finden sich zahlreiche Ausgaben des Longsellers aus dem 18. Jahrhundert.Selbstverständlich gibt es in diesem einzigartigen Museum auch Bücher zum Anfassen. In der Bibliothek in der zweiten Etage warten rund 3000 Bilderbücher auf ihre Leserinnen und Leser. Leseecken laden zum Schmökern ein. Und wer sich anschließend stärken will, dem sei der warme Apfelkuchen von Antonella im Caffé dell‘Arte im Burghof empfohlen.Petra Pluwatsch Hinweise Das Bilderbuchmuseum befindet sich auf Burg Wissem im Zentrum von Troisdorf (Burgallee 1).
Geöffnet Di. – Fr. 11-17 Uhr, Sa., So. und an Feiertagen 10-18 Uhr.Eintritt 5 Euro, Kinder bis 14 Jahre 2 Euro.Gastronomische Angebote gibt es auf dem Burg-Gelände.
Das Museum für Stadt- und Industriegeschichte Troisdorf befindet sich ebenfalls auf dem Gelände.
Rolf Dieter Brinkmanns Wohnung in Köln
Es glänzt kein Bronzeschild am Haus in der Engelbertstraße 65 in Köln. Nur eine blasse Fotografie hinter Plexiglas erinnert an den Schriftsteller, der zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikern der Nachkriegszeit zählt. Vier Zeilen sind auf dem Foto zu lesen, die einst an derselben Stelle auf die Fassade gemalt waren: „In diesem Haus/ Schrieb, liebte und hasste/ Rolf Dieter Brinkmann/: Aber das Leben erschlaffte“.
Was Rolf Dieter Brinkmann (1940-1975) schrieb, hat hohen literarischen Rang. Wen er liebte, nämlich Maleen, ist auch bekannt. Und was und wen er hasste, passt auf keine Kuhhaut. Seine Bücher und Briefe zeugen von Frust und Wut und Ekel. Es sei alles „so eng“, schreibt er an seinen Freund Hartmut Schnell in den USA, „so verrottet doof und brav-bürgerlich, dass einem ganz schlecht werden kann“.
Stetes Objekt der Beschimpfung
Köln, wohin der Autor aus Vechta im Jahre 1962 gezogen war, blieb ihm ein stetes Objekt der Beschimpfung. Das galt für die Einwohner, den Stadtraum, den „stinkenden“ Rhein, die „Pellkartoffelmentalität“, die Sprache, die Speisen, die Stadtteilnamen („Sülz!“), die Literatur von Heinrich Böll bis zum „Kölner Realismus“. All das eine einzige „Kloake“. In seinem Lebenslauf führte er an, 1974 einen Lehrauftrag an der Pädagogischen Hochschule aufgegeben zu haben „wegen der Hässlichkeit und theoretischen Verkarstung der Studenten“. Und ins Mikro sagte er: „Es wäre schon gut, wenn es das Rheinland nicht geben würde.“
Aber womöglich attackierte er die Stadt nur stellvertretend für die ganze Welt. Jedenfalls hat Köln es ihm nicht übelgenommen, sondern seine Kunst gewürdigt: Das Stipendium, mit dem alljährlich junge Autorinnen und Autoren im Rathaus gefördert werden, trägt seit 1985 Brinkmanns Namen.
Der mächtige Erzbischof Engelbert, der 1225 ermordet wurde, ist der Patron der engen und unauffälligen Straße in der Neustadt-Süd, in der Brinkmann lebte. An dieser Verbindungslinie zwischen Zülpicher Straße und Richard-Wagner-Straße schrieb der Autor im Vorwort zu seinem Hauptwerk „Westwärts 1 & 2“: „Hier sitze ich, an der Schreibmaschine, und schlage Wörter auf das Papier, allein, in einem kleinen engen Mittelzimmer einer Altbauwohnung.“ Später im Buch findet sich diese Momentaufnahme: „Neonlichter, roter, blauer Regen, zerlaufene Reklame/ in den Pfützen vor dem schäbigen Mietshaus, in dem ich/ vier Stockwerke hoch wohne“. Wie wenig heimelig es in dieser Wohnung aussah, lässt sich auch einem Bildband von Ulrike Pfeiffer entnehmen, die den Autor 1969 besucht hat.
Kurzum: Die Leiden des jungen Brinkmann sind in seinem Werk omnipräsent. Seine Texte zu lesen, ist auch heute noch ein Erlebnis. Sie sind frisch, derb, originell und auch mal witzig: „Ei läi in äh Field“. Über fast allem liegt dunkles Gewittergewölk. Im „Sonntagsgedicht“ der Gedanke: „Die Poesie ist manchmal ein wüster, alltäglicher Alptraum“.
Dieter Wellershoff, damals Lektor tätig, hatte ihn zur Kiepenheuer & Witsch geholt. Der damalige Verleger Reinhold Neven Du Mont nennt Brinkmann in seinen Memoiren „Mit Büchern und Autoren“ einen „Berserker“. Der Autor habe auf alles geschimpft: „An guten Tagen verbreitete er Spott und Hohn, an schlechten Gift und Galle.“ Brinkmann habe nie jemanden im Verlag tätlich angegriffen – „aber er verhielt sich so, dass man es ihm zugetraut hätte.“Rolf Dieter Brinkmann starb am 23. April 1975 in London, als er beim Überqueren einer Straße von einem Auto erfasst wurde. Vermutlich hatte er den Linksverkehr nicht beachtet. Da war er gerade 35 Jahre alt geworden. Wenige Wochen zuvor hatte er seinen letzten Brief an den Freund Hartmut Schnell geschrieben. Ganz am Ende erwähnt er einen späten Kälteeinbruch zu Ostern in Köln: „Der Schnee machte die Seitenstraße Engelbertstraße sehr hell. Und still.“
Martin Oehlen
AdresseEngelbertstraße 65 in der Kölner Innenstadt, wenige Meter vom Rudolfplatz entfernt.
LiteraturtippsRolf Dieter Brinkmann: „Westwärts 1& 2“, Rowohlt, 336 Seiten, 19,90 Euro.
Ulrike Pfeiffer (Fotos) und Friedrich Wolfram Heubach: „Rolf Dieter Brinkmann – Engelbertstraße 65, vierter Stock, Köln 1969“, belleville, 124 Seiten, 24 Euro.