AusstellungAnselm Kiefer in der Bundeskunsthalle
Bonn – „Am Anfang“ ist das 3,80 Meter mal 5,60 Meter messende Bild benannt, das den Titel zur Anselm-Kiefer-Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle liefert. Ab Mittwoch bis zum 16. September ist die Schau zu sehen, in der 24 teils mehrteilige Werke aus den Jahren 1978 bis 2012 zu betrachten sind. Es sind die imposanten Formate, die beim ersten Eintreten beeindrucken. Die Architektur des Hauses verleiht ihnen dennoch eine erstaunliche Leichtigkeit.
Erstmals überhaupt ist das vollständige Werk „Essence-Existenz“ zu sehen, in dem sich auf 22 Metern ein Bergpanorama präsentiert. Natürlich mit all den Zutaten, die zum Werk des Künstlers gehören wie Mystik, Philosophie und skulpturale Applikationen. Kiefer arbeite Geschichte auf und zeige hier, was war und was möglicherweise sein werde, sagt der Vorsitzende der Stiftung Kunst und Kultur und Direktor des Duisburger Museums Küppersmühle, Walter Smerling, der die Bonner Ausstellung kuratierte. Die ausgestellten Arbeiten seien Schlüsselwerke zur Arbeit Kiefers, sagt er. Die Vielfalt der gezeigten Arbeiten gewähre Zugang zum Gesamtkosmos des Künstlers.
Anselm Kiefer wird am 8. März 1945 März in Donaueschingen (Baden-Württemberg) geboren.
Er studiert Rechtswissenschaften und Romanistik in Freiburg und schiebt einen Studienaufenthalt in Paris, seinem heutigen Wohnort, ein.
Anschließend nimmt er an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Freiburg und Karlsruhe ein Kunststudium auf.
Bundesweit in die Schlagzeilen gerät Kiefer 1969, als er mit den Fotoserien „Besetzungen“ für Empörung sorgt. Auf einer Reise durch Europa ließ er sich mit Hitlergruß ablichten, womit er auf faschistische Haltungen und Mitläuferschaft anspielen wollte.
Kiefer wird von Joseph Beuys (1921-1986) unterstützt. Beide stehen im intensiven Kontakt. Ein direkter Schüler von Beuys soll Kiefer nicht gewesen sein.
1984 widmet ihm die Kunsthalle Düsseldorf eine große Einzelausstellung, die später auch in Paris und Jerusalem zu sehen ist.
1988 kauft Kiefer eine alte Ziegelfabrik.
Zehn Jahre später stellt Anselm Kiefer im Metropolitan Museum of Art in New York aus.
1999 erhält Kiefer für sein Lebenswerk den Praemium Imperiale.
Das renommierte Louvre in Paris übernimmt 2007 drei seiner Arbeiten in die Sammlung.
2008 wird Anselm Kiefer der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen.
2011 wird er in New York mit der Leo-Baeck-Medaille ausgezeichnet, die an den von Nationalsozialisten verfolgten Rabbiner und Philosophen Leo Baeck (1873-1956) erinnert. (dpa)
Mit Hilfe von dick aufgetragenen Farbschichten, Erde, Blei, Lack, Pflanzen, Kleidung oder Haaren sowie skulpturalen Applikationen greifen Kiefers Bilder über den zweidimensionalen Raum hinaus. Zur Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte war Kiefer von Joseph Beuys angeregt worden, bei dem er zwei Jahre lang studierte. Aber auch griechische, germanische und ägyptische Mythen sowie Motive aus dem Alten Testament und der Kabbala fließen in sein Werk ein.
Die Ausstellung hatte bereits im Vorfeld für heftige Kritik gesorgt, weil sie sich allein auf den Bestand der privaten Sammlung Grothe stützt. Robert Fleck, Intendant der Bundeskunsthalle, hielt dagegen, das Werkkonvolut Kiefers in der Sammlung Grothe sei weltweit einmalig.
Nach Gerhard Richter sei Anselm Kiefer der weltweit am meisten gesammelte lebende deutsche Künstler, so Fleck. Kiefer schaffe Bildräume. Die räumliche Tiefe der Werke mache den Dialog mit Architektur, Landschaft, Schrift und Skulptur möglich, ohne dass die Bilder ihre programmatische Zweidimensionalität verlören.
„Am Anfang“ zeigt gegen den Strand anrollende Wellen und regenschwere dräuende Wolkenberge. Vom oberen Bildrand hängt eine Strickleiter herab, bis auf den Museumsboden reicht sie und kringelt sich dort weiter. Zwischen den Sprossen steckt Fotopapier mit Bildern von Türmen. Ist es die Himmelsleiter? Oder heißt das, von Anfang an wurde auf Sand gebaut? Anselm Kiefer erzählt Geschichten und Geschichte in seinen Bildern und Skulpturen.
Zu sehen ist auch ein Container, den Kiefer 1987 aus Protest gegen die Volkszählung gebaut hat. Die Bundesrepublik hatte damals 60 Millionen Einwohner. Im Inneren des Behälters hängen Bleiblätter auf deren Oberfläche 60 Millionen Erbsen aufgetragen sind. Im selben Raum sorgt der Skulpturenkomplex „20 Jahre Einsamkeit“ für Interesse. Auf fünf Holzpaletten sind Bleiblätter aufgestapelt, auf denen jeweils aufgeschlagene Kassenbücher liegen. Inspiriert wurde der Künstler dabei durch Paul Celans Gedicht „Ich bin allein“. (dpa,epd)