Die Künstlerin Franka Hörnschemeyer präsentiert ihre Audioarbeit „Gipskartonfeuerschutz“ im Museum für mittelalterliche Kunst.
Ausstellung im Kölner Museum SchnütgenSo zärtlich klingt das deutsche Bauwesen
Deckenrücksprung, Unterzug, Fliesenspiegel: Der Fachjargon des Bauwesens kann einen ganz eigenen Zauber erwecken. In ihrer Audioarbeit „Gipskartonfeuerschutz“ stellt die Künstlerin Franka Hörnschemeyer alle 22 Sekunden einen solchen, aus seinem ursprünglichen Kontext gelösten Funktionsbegriff in den Raum, oder vielmehr in drei aufeinanderfolgende Räume.
Im Kölner Museum Schnütgen hallen köstliche Komposita wie Handlauf, Gleitfuge oder Waschbeckennische über drei Audiostationen durch die drei Gebäudeteile des Museums – vom 2010er-Neubau über den Anbau von 1956 bis zur romanischen Basilika. 22 Sekunden, sagt Franka Hörnschemeyer, das sei ihrer Erfahrung nach genau der richtige Abstand, um ein Wort vergessen zu lassen, bevor das Nächste in den Raum gestellt wird. 17 Stunden umfasst die Audioarbeit, Wiederholungen sind da selbst bei mehreren Besuchen im Museum für mittelalterliche Kunst so gut wie ausgeschlossen.
Ein Wortschatz, gehoben in Kölner Architekturbüros
Geborgen hat die 65-Jährige ihren Wortschatz in den Bauplan-Archiven von Architekturbüros aus Köln, wo sie damals lebte. Anfang der 1990er hatte sie damit begonnen, Architekten solche Originale zu entlocken. Zuerst stieß sie dabei auf einigen Widerstand, doch als sie endlich die ersten Planer überzeugt hatte, erzählt die Künstlerin, folgten immer mehr im Schneeballsystem. Schließlich hatte sie eine ganze Garage voller Bauzeichnungen und Blaupausen für Krankenhäuser, Schulen, sozialen Wohnungsbau, Grünanlagen oder Schlachthöfe gesammelt.
Daraus fertigte sie 150 Unikate ihres Künstlerbuches GFK (das steht natürlich für „Gipskartonfeuerschutz“), in dem die beschnittenen und ihrer Funktion enthobenen Pläne auf Bilder von Kieseln treffen, die die Künstlerin am Rhein gesammelt hat. Hörnschemeyer hat sie im Durchlichtverfahren fotografiert. Ganz flach und abstrakt wirken die Steine, sehr viel greifbarer die abstrahierenden Pläne der Architekten. Das Museum Schnütgen hat zwei GKF-Exemplare erworben und stellt sie nun in einer Vitrine aus. Eines davon wurde digitalisiert und kann an einer durchgeblättert werden.
Sie habe einfach interessiert, sagt Franka Hörnschemeyer, wie in Deutschland gebaut wurde, von den 50ern bis in die 90er Jahre. Sockelgeschoss, Plattenheizkörper, Aschenraum: In den Fachbegriffen erlauschte sie nicht nur konkrete Poesie, sondern eine Psychologie dieser Zeit: „Für mich ist das kein spröder, trockener Text, sondern ein Ausdruck des Raumes, den wir uns nach dem Krieg geschaffen haben.“
Während der Pandemie hatte die Professorin für Bildhauerei an der Düsseldorfer Kunstakademie die Schauspielerin Leslie Malton gebeten, die Begriffe einzusprechen. Am Ende nahm sie diese selber auf, ohne jede künstlerische Emphase. Die ergibt sich schon von selbst, wenn man einen geschnitzten Heiligen betrachtend über die Schönheit des Wortes „Mörtelbet“ sinniert.
„Gipskartonfeuerschutz“ ist noch bis zum 21. Januar im Museum Schnütgen zu hören. Am 7. und 21. November bietet das Museum jeweils ab 18 Uhr eine „Architektur-Meditation“ an.