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Ausstellung im Kölner NS-Dok-ZentrumSchau zum Ende des Zweiten Weltkriegs

Lesezeit 4 Minuten

Gewänder, auf die Bilder zerbombter Häuser projiziert werden

Köln – In der Mitte fließt der Rhein. Er trennt das eine Kriegsende vom anderen – das auf der westlichen Seite des Flusses, wo alliierte Truppen am Mittag des 6. März 1945 am Dom standen, und das am östlichen Ufer, welches erst sechs Wochen später von der Herrschaft der Nationalsozialisten befreit wurde. In dieser Zeit gab es noch zahlreiche Tote, namenlose Zwangsarbeiter zum Beispiel, die Schergen des Regimes im Gremberger Wäldchen hinrichteten. Am 8. Mai 1945 fand der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht dann auch in Köln sein offizielles Ende.

Im Gewölbe des EL-DE-Hauses, dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt, fließt der Rhein als bläulich schimmernde Projektion an der Decke. Satzfetzen sind in seine Wellen eingelassen, die verkünden, dass die Metropole einem Leichnam gleiche – die Hohenzollernbrücke wirft einen Schatten. Die Projektion, durch ein vernehmliches Gluckern und Rauschen von der Tonspur untermalt, trennt zwei Räume einer neuen, eindrucksvollen Ausstellung mit einem vielsagenden Plural. „Kriegsenden in Köln – Stadt und Menschen zwischen 6. März und 8. Mai 1945“ heißt die Schau, mit der das Zentrum ungewohnte multimediale Wege beschreitet.

So wird das die linke Rheinseite symbolisierende Gewölbe durch eine in Streifen geschnittene Leinwand begrenzt, auf die Filmszenen und Fotos der von Westen auf das Stadtzentrum heranrückenden amerikanischen Truppen projiziert werden – wer will, kann durch diese Leinwand hindurchschlüpfen, um in einen Raum zu gelangen, der Originaltöne von Briefe schreibenden Zeitzeugen via Kopfhörer zu Gehör bringt.

Baumstämme mit den Bildern exekutierter Zwangsarbeiter symbolisieren das Gremberger Wäldchen.

Überquert man den Rhein, findet man sich hingegen in einer weiteren Gewölbehalle wieder, die mit stilisierten Birken den Wald von Gremberg nachstellt – Schwarzfotos der letzten Opfer der Kölner Nazis und ihrer Helfer zieren die Stämme.

Geschichte erlebbar zu machen, das ist das erklärte Ziel des Kurators Martin Rüther, der die Ausstellung gemeinsam mit der Kölner Künstlerin Kane Kampmann konzipierte und realisierte. Dabei vermeidet die Schau zum Glück alles, was nach Event oder Spektakel aussehen könnte – Geschichte lässt sich nicht in dem Sinne erleben, dass man sich in ihren Kulissen und zwischen ihren Protagonisten wiederfände. Aber man kann ihre Zeugnisse so arrangieren, dass sich erweiterte Perspektiven ergeben, und dies gelingt dem Kölner Projekt auf überaus kluge Weise.

So ergibt das Ineinander von Bild-, Ton und Schriftdokumenten das facettenreiche Porträt einer Epoche, in der alles an ein Ende kam – der Wahnsinn der nationalsozialistischen Ideologie und ihres mörderischen Rasens, aber eben auch die Topographie einer einstmals stolzen Stadt, die rund um ihr vermeintlich unversehrtes Wahrzeichen, den Dom, wie eine Steinwüste daliegt. Durchaus gemischt die Stimmungslage derer, die in den Trümmern ausgeharrt haben: Wer sich nicht fanatisch bis zuletzt an das Versprechen vom Endsieg klammert, empfindet Erleichterung und vielleicht sogar Euphorie, doch viele packt auch tiefe Depression angesichts der Zerstörung und der sich in den Ruinen manifestierenden Sinnlosigkeit um sie herum. Im heiligen Köln mögen die Domtürme noch aufragen, ein glaubwürdiges Zeichen der Erlösung sind sie längst nicht mehr.

Immer wieder versteht es die Ausstellung, Alltag und Überwältigung durch die große Geschichte miteinander zu verschränken, etwa wenn sich Bilder von zerbombten Häusern auf weißen Nachthemden und Gewändern zeigen, die ihrerseits eine ausgeprägte Vorliebe für Spitze, Bordüren und blütenreine Duftigkeit verraten. Diese Objekte können durchaus den Rang und Stellenwert eigener Kunstinstallationen für sich beanspruchen, die aus dem rein Dokumentarischen hinauswachsen – und darüber hinaus überzeugend auf die Architektur des Gewölbes antworten, das sich im Keller jenes Gebäudes befindet, in dem die Gestapo ihre Gefangenen folterte.

Das NS-Dokumentationszentrum verlässt mit seiner Ausstellung indes auch das angestammte Haus, das nach den Initialen seines Erbauers Leopold Dahmen (EL DE) benannt ist, und geht in die Stadt hinaus – dorthin, wo die Befreiung vor 75 Jahren greifbar wurde, am Ehrenfelder Neptunplatz, den die amerikanischen Soldaten passierten. An diesem Ort wird am heutigen Abend eine Projektion gezeigt, die, von Lesungen und Musik begleitet, auf der Fassade der Neptunbads Geschichte sozusagen auf die Straße zurücktransportiert. Eine weitere Projektion im öffentlichen Raum nimmt die Alte Universität in der Südstadt mit auf eine Zeitreise – hier befand sich zwischen 1934 und 1945 die Gauleitung der NSDAP, ins Gedächtnis eingeprägt hat sich der Ort überdies als Stätte der Kölner Bücherverbrennung. So gilt auch hier fürs konkrete Stadtbild, dass die Erinnerung lebendig bleibt.

Hier geht es zur Internetseite des NS-Dok.