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Ausstellung im NS-DokWann wird aus Kritik Widerstand?

Lesezeit 5 Minuten
Im NS-Dokumentationszentrum werden Fälle von Kritik in der NS-Zeit aufgearbeitet und analysiert

Im NS-Dokumentationszentrum werden Fälle von Kritik in der NS-Zeit aufgearbeitet und analysiert

Eine neue Ausstellung im NS Dokumentationszentrum macht deutlich, wie unterschiedlich das NS-Regime mit Kritik umging.

Otto Kropp war Mitte 20, als die Nazis an die Macht kamen - die denkbar schlechteste Zeit, um sich in Deutschland als junger Mann für die KPD zu engagieren. Die Nazis gingen gegen Kommunisten mit äußerster Härte vor. Doch das hielt den Kölner nicht von dem Versuch ab, Mitte der 1930er die verbotene Partei im Bezirk Mittelrhein und in Köln wieder aufzubauen. Er zahlte dafür den höchsten Preis. Nach seiner Verhaftung war er wochenlang Vernehmungen und Misshandlungen ausgesetzt. Schließlich wurde er zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Es sind Geschichten wie diese, wenn wir an Oppositionelle in der NS-Diktatur denken. Mutige Menschen, die trotz der Allmacht des Regimes Widerstand leisteten. Dabei ist der Begriff „Widerstand“, wie wir in heute verwenden, erst in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs und dann vor allem in der Nachkriegszeit geprägt worden, wie Henning Borggräfe, Leiter des NS-Dokumentationszentrums, bei der Präsentation der neuen Ausstellung erläuterte. Es ist die erste große Eigenproduktion des Hauses seit seinem Amtsantritt.

Adenauer verbreitete die Mär der widerspenstigen Stadt

Die Schau stellt die spannende Frage, welche Formen von Unmutsäußerungen es in der Diktatur gab und wie die Machthaber damit umgingen. Bewusst lautet der Titel daher auch „Kritik im Nationalsozialismus“ und nicht „Kritik am Nationalsozialismus“. Denn das Regime reagierte höchst unterschiedlich auf Kritik. Die Ausstellung zeigt, dass längst nicht alles, was kritisch gegen das Regime geäußert wurde, Widerstand war.

Vor genau 50 Jahren untersuchte eine erfolgreiche Ausstellung im Kölner Historischen Archiv den bis dahin als nahezu unerforscht geltenden Widerstand in der Stadt. Die Beschäftigung mit den Gegnern der Diktatur war ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die NS-Geschichte aufzuarbeiten. Dabei war es sicherlich kein Zufall, dass nicht die Frage nach der eigenen Schuld, sondern die Suche nach den tapferen Gegnern den Anstoß gab.

Gerade in Köln wollte man die auch von Konrad Adenauer verbreitete Mär, die Stadt habe Hitler und seinen Getreuen besonders kritisch gegenübergestanden, nur allzu gerne glauben. Man stellte sich gewissermaßen selbst einen kollektiven Persilschein aus.

Henning Borggräfe in der Ausstellung.

Henning Borggräfe in der Ausstellung.

Die neue Ausstellung geht sehr viel differenzierter an das Thema heran. Das Team um Projektleiter Jan Neubauer hat vier Modi der Kritik ausgemacht, in die in der Ausstellung 60 Fallakten einsortiert werden. In ihnen finden sich die unterschiedlichsten Quellen: Gerichtsakten, Zeitungsartikel, Briefe.

Hennig Borggräfe leitet aus dieser Beschäftigung auch gleich noch einen wichtigen Appell ab: „Alle, die offen sind für die populäre rechte, geschichtsrevisionistische Erzählung, dass wir heute wieder in einer Meinungsdiktatur leben würden, können sich gerne in der Ausstellung ansehen, was Unterdrückung in der Diktatur wirklich bedeutete.“

Widerspruch unterdrücken

Wie schon der Fall von Otto Kropp findet sich auch die Geschichte von Martha Zündorf (1911 – 1998) im Modus „Widerstand unterdrücken“. Sie setzte sich ebenfalls für den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei ein. Die Hausangestellte kassierte in Zündorf von Gleichgesinnten Mitgliedsbeträge und half so, ein Netzwerk von Unterstützern aufzubauen, das auch verbotene Schriften verbreitete. Die Gestapo bekam von den Aktionen schnell Wind und zerschlug die Gruppe. Zündorf saß nach der Verurteilung wegen „Hochverrat“ bis 1937 im Zuchthaus. Nach 1945 engagierte sie sich weiter politisch, unter anderem in der Deutschen Kommunistischen Partei.

Meckerei steuern

Während politischer Widerspruch, wie geschildert, mit Härte verfolgt wurde, galt das nicht für jede Unmutsäußerung im privaten Umfeld. So wies die neu gekaufte Küche des Ehepaar Löllgens im Frühjahr 1938 Mängel auf. Die Möbelfirma ersetzt sie jedoch nicht umgehend. Hilfesuchend wendet sich Johanna Löllgen im August 1938 direkt an den Reichswirtschaftsminister Hermann Göring und merkt dabei an, dass sich ein Mitarbeiter der Möbelfirma abfällig über die NS-Wirtschaftspolitik geäußert habe. Die Gestapo nahm auch tatsächlich die Ermittlungen auf. Der Mitarbeiter der Firma wies die Anschuldigungen aber zurück, da er auch Zeugen anführen konnte, die seine Aussagen stützten, wurden die Ermittlungen im Oktober 1938 eingestellt.

Sagbarkeiten bestimmen

Die Geschichte des damals sehr populären Büttenredners Karl Küpper sortieren die Ausstellungsmacher in den Modus „Sagbarkeiten bestimmen“ ein. Obwohl dieser sich auch nach der Machtübernahme über das NS-Regime lustig machte, durfte er bis 1939 auftreten – er stand allerdings unter Beobachtung und wurde regelmäßig von der Gestapo vorgeladen. Im August 1939 verhängte das Sondergericht Köln gegen ihn ein lebenslanges Redeverbot wegen der Verächtlichmachung von Institutionen und Führungspersonen des Regimes. Dennoch trat er weiterhin bei Karnevalsveranstaltungen auf. Als ihm eine Verhaftung drohte, meldete er sich 1940 zur Wehrmacht und wurde beim Fronttheater eingesetzt. 1944 beantragte Küpper bei der Gauleitung Köln-Aachen die Aufhebung des Redeverbots – dem Antrag wurde stattgegeben.

Unmut begegnen

Es gab auch Kritik, die das Regime als berechtigt ansah, wenn etwa Menschen, die durch die Bombardierung der Städte über den Verlust ihrer Häuser und Wohnungen klagten. Solcher Kritik versuchten die Nazis entgegenzuwirken. Als große Herausforderung erwies sich dabei, die Möbeln der Geschädigten zu ersetzen. Spätestens nach dem sogenannten 1000-Bomber-Angriff am 30. Mai 1942 wurde das in Köln zu einem beinahe unlösbaren Problem. Um Abhilfe zu schaffen, wurde den Ausgebombten Mobiliar zur Verfügung gestellt, das jüdischen Deportierten oder Vertriebenen geraubt worden war. Verschleiert wurde dieser Diebstahl nicht.


Die Ausstellung „Kritik im Nationalsozialismus. Kölner Fälle 1934 - 1944“ ist von 13. September 2024 bis 16. Februar 2025 im NS-Dokumentationszentrum zu sehen. Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr. Eintritt 4 Euro, ermäßigt 2.