Der Kölner Skulpturenpark präsentiert seine Neuzugänge, darunter einen riesigen menschlichen Organismus aus Plastik und Beton.
Ausstellung im Skulpturenpark KölnEine Illusion von Müll, wie für die Ewigkeit gemacht
Auf der Wiese haben sich mehrere große Transparentfolien festgesetzt, Verpackungsmüll mutmaßlich, den der Wind in den vom Straßenlärm umtosten Skulpturenpark getrieben hat. Seltsam ist nur, dass das durchsichtige Plastik wie festgeleimt auf dem kleinen, von Bäumen beschatteten grünen Hügel liegt. Dieser Abfall scheint nicht weniger für die Ewigkeit geschaffen als das kaiserliche Reiterstandbild vor der Hohenzollernbrücke.
Tatsächlich hat Olga Balema ihre mit Lösungsmitteln in verschrumpelte Form gebrachten Polycarbonatplatten so fest im Grund verankert, dass ihnen kein verächtlicher Windstoß etwas anhaben kann. Die vierteilige Arbeit, herzlos-technisch mit „Loop 1A“ bis „Loop 34A“ betitelt, ist gleich im doppelten Sinn ein Monument des menschlichen Gestaltungsdrangs. Einerseits muss man diese überzeugende Müllillusion auch als gelernte Bildhauerin erst einmal hinbekommen; andererseits steht die ausgehärtete Transparentfolie für die Müllberge und Müllseen unserer ewig produktiven Industriegesellschaften.
Seit 1997 zeigt der Kölner Skulpturenpark zeitgenössische Kunst zwischen Bäumen
Olga Belemas thermoplastisches Werk gehört zu den neun aktuellen Neuzugängen im Kölner Skulpturenpark. Seit 1997 sind hier, im Verkehrsgetümmel zwischen Rheinufer und Zoo, moderne Skulpturen auf einem grünen Quadrat zu sehen, seit 2008 führt die Initiative des verstorbenen Sammlerehepaars Michael und Eleonore Stoffel eine Stiftung mit wechselnden Ausstellungen fort. Dabei wird das bestehende Skulpturenensemble (darunter Arbeiten von Mary Bauermeister, Fischli/Weiss, Jenny Holzer, Michael Sailstorfer, Rosemarie Trockel und Heimo Zobernig) jeweils um thematisch mehr oder weniger eng verbundene Leihgaben ergänzt – in diesem Jahr hat Gastkuratorin Nikola Dietrich, von 2018 bis 2023 Direktorin des Kölnischen Kunstvereins, ihre Auswahl unter das Motto „Body Manoeuvres“ gestellt.
Die Kombination von Körperlichkeit und Müll findet sich auch im heimlichen Herz des Skulpturenparks. Die betonierte Grube in der Mitte des Areals wurde einst ausgehoben, um Dirk Skrebers auf eine Stele gespießtes Autowrack zu präsentieren; jetzt versenkt Marte Eknaes hier ein gigantisches Modell des menschlichen Organismus, mit Herz, Lunge, Niere, Leber und Gedärm. Allerdings weidet Eknaes dafür keinen gewöhnlichen Modelltorso aus. Ihr Idealmensch setzt sich aus einem Betonabwasserschacht (das Herz), einem Wassertank (der Magen), einem Kompostsilo (die Leber), etlichen Metern Spiralschlauch (der Darm) und allerlei anderen Plastikröhren und Schläuchen zusammen. Luft- und Speiseröhre führen an die Oberfläche, um die Besucher an den Rand der aus wiederverwertetem Material bestehenden Riesenskulptur zu locken.
Eine andere Form der Körperlichkeit zeigt sich gleich nebenan bei einer Bronze, der Peter Wächtler den Titel „Ärztehaus, Schöffengericht, Atrium“ gegeben hat. Wächtlers zerklüftete Figur ähnelt am ehesten einem Schreitenden, der sich aus erdgeschichtlichem Morast erhebt, wandelt sich aber mit beinahe jeder Perspektive. Einmal meint man ein Gesicht zu erkennen, dann wieder einen flatternden Mantel. Letztlich bleibt die Leiblichkeit der Skulptur auf reizvolle Weise ungreifbar.
Frances Scholz bringt die Natur mit einer wetterfesten Monitorwand in den Skulpturenpark
Bei Judith Hopf ist die Körperlichkeit teilweise so abstrakt, dass man mit einer gewissen Dankbarkeit auf die etwas geschwätzigen Hinweisschilder blickt. Ihre rote Stahlskulptur „Tongue Rolling“ ähnelt einem aufrecht stehenden Blatt Papier, aus dem jemand eine Zunge herausgeschnitten hat; letztere rollt Hopf auf dem Rasen zum Halbkreis aus. Sie zitiert hier die Rundbogenarkaden des Palasts der italienischen Zivilisation in Rom, ein Prachtbau des italienischen Faschismus, und will mit ihrer Zunge zum Gespräch über die politische Bedeutung von Architektur ermuntern. Auf ähnlich flachem Kommunikationsniveau steht Hopfs „Pointing Hand“, eine riesige Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger; er soll, wer hätte es gedacht, zur Aufmerksamkeit auffordern. Immerhin überzeugt der Fingerzeig durch materialästhetische Originalität, denn die monumentale Hand ist aus Ziegeln gemauert.
Auch solche Werke tragen immerhin zur Programmatik des Skulpturenparks bei: im Freien einen Überblick über die Vielfalt der zeitgenössischen Skulptur zu geben. Manches ist wohl eher für die Connaisseure feiner Unterschiede gedacht, wie Julian Göthes Hommage an Dan Grahams Lochblech-Labyrinth, das seit 2001 eine Attraktion des Parks ist. Paulina Olowskas hölzerner „Kiosk“ dürfte hingegen sogar Kinder für die Kunst gewinnen. Er steht auf einem Hühnerbein, das, in dieser Größe, einem Saurierfuß gleicht, und wird von einer Schlange eilfertig umschlängelt. Hinter dem Samtvorhang des Kiosks verbirgt sich ein Stapel mit Zeitungen über die polnische Theateravantgarde; vermutlich ist es mit dem Kinderspaß damit vorbei.
Viele Künstler haben versucht, mit ihren Skulpturen die Natur in den Kölner Park zu bringen - Frances Scholz gelingt dies ausgerechnet mit einer wetterfesten Monitorwand. In ihrem Video „Earth Wall“ zeigt sie entwurzelte Bäume, die in einem Steinbruch wuchsen, und als Totholz eine besondere skulpturale Qualität entfalten. Die Umgebung manipulierte Scholz mithilfe einer KI, was zu einigen netten Verfremdungseffekten führt. Der Clou des randlosen Werks liegt allerdings darin, skulpturale Bäume vor einer natürlichen Baumkulisse zu präsentieren. So versteht man auch ohne viele Worte, dass sich in der Natur die Handschrift einer wahren Künstlerin verbirgt.
„Kölnskulptur #11“, Skulpturenpark Köln, Riehler Str. (Nähe Zoobrücke), Mo.-So., 10.30-19 Uhr (April bis September), 10.30-17 Uhr (Oktober bis März), bis Juni 2026, Eintritt frei. Eröffnung: Sonntag, 23. Juni, 11 Uhr.