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Ausstellung über BeutekunstDie mörderischen Schattenseiten der Sammellust

Lesezeit 3 Minuten
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Kopf einer Vishnu Steinskulptur 

  1. Die Ausstellung "Die Schatten der Dinge“ beleuchtet die oft grausame Geschichte vieler Exponate des Rautenstrauch-Joest-Museums.
  2. Es wird deutlich, was der Verlust der Kulturgüter für die Gemeinschaft bedeutete, die ihn geschaffen, mit ihm gelebt und ihm vielleicht sogar magische Kräfte zugeschrieben hat.
  3. An einem Elfenbein-Anhänger in Leopardengestalt aus dem Königreich Benin wird etwa eines der schrecklichsten Kapitel des europäischen Kolonialismus rekapituliert.

Auch Steinfiguren haben eine Biografie, zumal wenn sie Menschen oder Götter darstellen. Der milde dreinblickende Vishnu, der seit 1984 zum Bestand des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums (RJM) gehört, wurde vermutlich um das Jahr 1200 geboren, allerdings nicht als er selbst, Bewahrer des hinduistischen Universums, sondern als Bodhisattva, den Buddhisten als erleuchtetes Wesen verehren, weil er aus Mitleid mit den Menschen vorübergehend auf seinen göttlichen Status verzichtete, um uns auf den rechten Pfad zu führen.

Ein rundum netter Kerl also, und vielleicht haben die Hindus, als sie in seiner kambodschanischen Heimat die religiöse Macht übernahmen, ihn ja deswegen nicht zerstört, sondern nur ein wenig ihren Vorstellungen angeglichen.

Als Vishnu stand er dann über Jahrhunderte unbehelligt in einer der Tempelanlagen Angkors, bis in den 1960er Jahren Kriege und Bürgerkriege Plünderer und Raubritter nach Kambodscha brachten. Die trennten ihn von seinem Rumpf und verkauften ihn in den Westen, wo er nach einigen Umwegen 1984 eine Bleibe im Rautenstrauch-Joest-Museum fand. Dort sucht man jetzt seinen rechtmäßigen Besitzer oder, weil eine Gottheit streng genommen allein sich selbst gehört, zumindest seinen angestammten Platz.

Objekte werden zu Subjekten

„Sind Museumsobjekte nicht eigentlich Subjekte?“, fragt Nanette Snoep, Direktorin des RJM und damit oberste Dienstherrin des Kölner Vishnu und Tausender Kulturgüter aus aller Welt – und gibt die Antwort in Form einer Ausstellung gleich selbst.

Sie heißt „Die Schatten der Dinge“ und erzählt die Geschichten vierer beispielhafter Exponate auf eine Weise, die nicht nur die räuberischen, mitunter mörderischen Schattenseiten der ethnologischen Sammellust beleuchtet, sondern den Objekten auch im poetischen Sinne einen Schatten geben soll – als ob sie Menschen wären.

Bei einem solchen ethnologischen „Subjekt“ kann man sich dann auch eher vorstellen, was sein Verlust für die Gemeinschaft bedeutete, die ihn geschaffen, mit ihm gelebt und ihm vielleicht sogar magische Kräfte zugeschrieben hat.

Schreckliches Kapitel des Kolonialismus

Die Schau hat einen theatralischen Hauptteil, in dem die Schattenmetapher am Objekt erprobt wird, und ein wissenschaftliches Vorspiel. An einem Elfenbein-Anhänger in Leopardengestalt aus dem Königreich Benin wird etwa eines der schrecklichsten Kapitel des europäischen Kolonialismus rekapituliert.

1897 überfielen britische Truppen im Rahmen einer Strafexpedition die Hauptstadt Benins, töteten unzählige Menschen und raubten Tausende Kulturgüter als „Entschädigung“ für die Kosten des eigenen Rachefeldzugs. Der elfenbeinerne Leopard wurde vom RJM im Jahr 1944 mit Mitteln aus einem Entschädigungsfonds für erlittene Kriegsschäden in Paris ersteigert – eine bessere Indizienkette dafür, dass der Kreislauf ethnologischer Waren allzu oft durch Kriege angetrieben wird, lässt sich kaum denken.

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All dieses Wissen liegt auf Tischen ausgebreitet, auf Tablets laufen dazu bewegte Bilder etwa eines feierlichen Rückgabezeremoniells. Hinter den Türen des Ausstellungssaals wird das Versprechen der Schattenmetapher dann auch ansatzweise sinnlich eingelöst.

Die Objekte hängen oder thronen im dunklen Raum über unseren Köpfen, werden von verschiedenen, teils „wandernden“ Lichtquellen angestrahlt und werfen ihre Schatten auf dafür aufgebaute Wände oder Schirme. Das ist netter anzusehen als die übliche Präsentation in Vitrinen, wirkt in seiner Konkretisierung einer Metapher aber auch ein wenig hilflos.

Helle Schattenrisse

Ansprechender sind die beiden künstlerischen „Eingriffe“ der Ausstellung: Sara-Lena Maierhofer zeigt Objekte aus der Sammlung als Fotogramme, also in Form heller Schattenrisse auf lichtempfindlichen und durch Lichteinfall geschwärzten Fotopapier, Clara Wieck fährt mit der Kamera an den Regalen des sterilen Museumsdepots entlang, das, wenn man die hier aufbewahrten Objekte wie gewünscht als Subjekte denkt, wie eine Leichenhalle wirkt.

Beiden Arbeiten ist gemein, dass sie die Geschichten der verstummten Objekte beschwören, ohne darüber banal oder mystisch zu werden. Sprechen lässt diese trotzdem vor allem die nüchterne Beschreibung der Wissenschaft.

„Die Schatten der Dinge“, Rautenstrauch-Joest-Museum, Cäcilienstraße 29-33, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, Do. 10-20 Uhr, bis 3. Januar 2021