AusstellungWas ist „typisch deutsch?“

Pflichtbewusst stehen die Mülltonnen in Reih und Glied an der Straße.
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Deutsches Design ist so schnörkellos wie die Leitsätze, nach denen es entsteht: „Form folgt Funktion“, „Weniger, aber besser“, „Vorsprung durch Technik“. Man denkt dabei an rechtwinklige Bauhäuser, Schallplatten im Schneewittchensarg und an die berühmteste Teststrecke der Welt: die Autobahn. Aber vielleicht sind das alles auch nur Klischees und damit enge Verwandte von Gartenzwerg und Kuckucksuhr. Als einzige Gewissheit bliebe dann, dass Deutschland beim Export nationaler Stereotype immer noch Weltmarktführer ist.
Mit Fragezeichen und Augenzwinkern
Das Schönste an der neuen Ausstellung im Kölner Museum für Angewandte Kunst ist das Fragezeichen hinter dem Titel „typisch deutsch“. Der in Lausanne geborene und in London lebende Designer Rolf Sachs hat es dorthin gesetzt und widmet sich dem Thema mit einer Eigenschaft, die den Deutschen ebenso klischeehaft meist abgesprochen wird: mit Humor. Man sieht es schon draußen vor der Tür, wo leuchtende Plastiktonnen in Reih und Glied stehen und pflichtbewusst darauf warten, dass man angebliche deutsche Eigenschaften wie Sturheit, Neid und Spießigkeit fein säuberlich getrennt in ihnen entsorgt.
Ach, die Deutschen, sie sind ja gar nicht so, sagt uns Rolf Sachs durch seine Objekte, oder zumindest sind sie nicht so leicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Seinen bayrischen Bierkrug hat er deswegen in der Porzellanmanufaktur Nymphenburg aus Biskuitporzellan herstellen lassen; mit diesem Gefäß sollte man besser nicht zu heftig anstoßen, wie es ja ohnehin eine paradoxe Sache ist, dass die Deutschen beim Maß Bier regelmäßig jedes Maß verlieren und fäusteschwingend durcheinandertorkeln.
Ausfahrtsschild als Picknicktisch
Die Deutschen sind eben auch gesellige Leute – selbst auf der Autobahn. Ein blaues Ausfahrtschild hat Sachs in einen großen Picknicktisch verwandelt, weil sich der Mythos der freien automobilen Schussfahrt zur Ferienzeit oft genug von selbst entzaubert. Daneben fällt die in Bronze gegossene Biergartengarnitur leider etwas ab – wie man überhaupt sagen muss, dass Sachs bei der Ironisierung des Klischees diesem gleichzeitig sehr treu bleibt. Eine himmelwärts strebend Büchersäule ist als Metapher für den deutschen „unendlichen“ Geist jedenfalls so abgegriffen wie das Reclam-Heftchen eines Musterschülers, während uns Sachs beim Sinnbild der „German Angst“ – ein Stundenglas im Schraubstock von Bibel, Schädel und Kohle – mit Symbolik beinahe erschlägt.
Rolf Sachs, geb. 1955 in Lausanne, betreibt in London das Designstudio „fun c’tion“. Er entwirft Möbel, Leuchten und Bühnenbilder und arbeitet dabei im Grenzland zwischen Design und Kunst.
„typisch deutsch?“, Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule, Köln, Di.-So. 11-17 Uhr, bis 21. April. Der Katalog kostet im Museumsshop 29,80 Euro.
Eröffnung: Montag, 18 Uhr. Während der imm cologne besondere Öffnungszeiten: Di.-So. 11-21 Uhr.
Podiumsdiskussion zum Thema am 14. Januar, 19 Uhr, Eintritt frei.
Eine gewisse Nähe zum Gemeinplatz liegt wohl in der Natur der Sache, weshalb in der Ausstellung auch der fleißige Gartenzwerg nicht fehlen darf. Geradezu anrührend deutsch wirkt Rolf Sachs Liebe zum Detail: Über einem FKK-Miniaturstrand leuchten gleich zwei Lampen mit Infrarotlicht. Nicht, dass sich die Nackten am Ende noch erkälten.