Die Kölner Galerie Gisela Capitain zeigt die Serie „Heavy Mädel“ von Martin Kippenberger. Dessen Antikunst-Kunst ist wunderbar gealtert.
Ausstellung zu Martin KippenbergerWenn schwere Jungs auf schwere Mädchen treffen
„Vorsprung durch Kippenberger“, steht auf einem der bemalten Blätter, allerdings spiegelverkehrt, weshalb man die Augen ein bisschen verdrehen muss, um die eigentlich überdeutliche Anspielung auf Audis weltberühmten Werbespruch zu verstehen. Um deutsche Wertarbeit ging es Martin Kippenberger, zu Lebzeiten das schreckliche Kind der wilden Malerei, aber offensichtlich nicht. Oder jedenfalls nicht in deren klassischer, über die Autobahn hetzender Form.
Es spricht für Kippenberger, dass ihm selbst die Kanonisierung nichts anhaben kann
Auch 25 Jahre nach seinem Tod kann man genüsslich darüber streiten, ob Martin Kippenberger nun ein begnadeter Agent Provocateur, ein kölscher Possenreißer oder doch eher ein die eigene überlegene Intelligenz maskierender Konzeptkünstler war. Allein dieses Durcheinander sorgt schon dafür, dass einem „Kippy“ so schnell nicht langweilig wird, obwohl es zuletzt eine ganze Menge von ihm in ehrbaren Museen zu sehen gab. Letztlich spricht es für einen Antikunst-Künstler, wenn ihm selbst die Kanonisierung nichts anhaben kann.
Anlässlich seines bevorstehenden 70. Geburtstags schreitet die Verschlagwortung von Kippenbergers Leben und Werk unaufhaltsam voran. Am 25. Februar stellt der Kölner Kippenberger-Estate den zweiten Teil der Werkausgabe vor, bis 18. März ist als Heimspiel in der Galerie Gisela Capitain die Werkreihe „Heavy Mädel“ (1990) zu sehen – eine Art Remake von „Heavy Burschi“ (1989), das sich gerade erst in der Berliner Capitain-Filiale bestaunen ließ.
Mit „Heavy Mädel“ setzte Kippenberger seine Ironisierung des Geniekults fort
Mit den beiden „schweren“ Serien setzte Kippenberger seine ironische Selbstbefragung als Künstler fort, die er 1981 begonnen hatte. Für „Lieber Maler, male mir“ kündigte er erstmals den Vertrag mit dem eigenen Handwerk und engagierte einen professionellen Plakatmaler, um ihn nach Anleitung Bilder malen zu lassen. Bei „Heavy Burschi“ übernahm dann Kippenbergers Assistent Merlin Carpenter die Arbeit und verteilte alte Kippenberger-Motive neu über mehrere Dutzend Leinwände. Das Ergebnis fand Kippenberger allerdings zu gut gemalt (ein Synonym für kitschig). Er ließ die Bilder zunächst fotografieren, kloppte sie dann buchstäblich in drei Tonnen und stellte beides, Originalmüll und Kopien in Originalgröße, gemeinsam aus.
Diese destruktive Beschäftigung mit Original, Kopie und Autorschaft in der Kunst bog Kippenberger mit „Heavy Mädel“ ins Spielerische um. Erneut bekam Carpenter den Auftrag, aus den Motiven des „Meisters“ einen Bilderkosmos im Kippy-Stil zu collagieren, dieses Mal allerdings mit Ölkreide auf dem Briefpapier des Kölner Hotels Chelsea – der zweiten Saufheimat des Malers.
Auf den 52 Mädels-Bildern finden sich eher leichthändig aufs Papier geworfene Zeichnungen (der Assistent hatte offenbar seine Lektion gelernt) mit Kippenberger-Porträts, Kippenberger-Freunden und Kippenberger-Helden wie Andy Warhol, dazu Kippenberger-Sujets und Kippenberger-Sprüche – letztere wie alle Textbrocken spiegelverkehrt gezeichnet. Auch manche Briefbögen mit Original-Hotelbriefkopf und Bankverbindung am unteren Rand erscheinen derart „umgedreht“; sie wurden wohl erst fotografiert und anschließend spiegelverkehrt als Bildunterlage ausgedruckt.
Ob man die Bilder jetzt gut oder schlecht gemacht findet (was im Kippenberger-Kosmos stets das Gegenteil bedeuten kann), ist dabei natürlich kaum der Rede wert. Es zählt die vertrackte Idee, die schwer zu beantwortende Frage, wie viel Kippenberger in diesen vor Kippenberger schier überlaufenden Bildern steckt? Für gewöhnlich stellt sich diese eher bei den Alten Meistern mit ihren arbeitsteiligen Werkstätten. Aber die Berufung auf die Serienprodukte eines Rubens oder Rembrandt kam Kippenberger wohl gerade recht, um den Geniekult des einsam schaffenden modernen Künstlers in Misskredit zu ziehen.
In der Kölner Galerie Gisela Capitain füllen die 52 Zeichnungen die weißen Wände nicht ganz, dafür werden sie von einigen Kippenberger-Installationen begleitet, die Carpenter in „seinen“ Arbeiten zitierte. Am auffälligsten ist die venezianische Gondel, die, als Absage des romantischen Ideals, statt eines Liebespaares eine aus Holz- und Stahlleisten angedeutete „Beziehungskiste“ durch die Kanäle trägt. Beinahe zu hübsch, um nicht als kitschig durchzufallen, ist der Discoschuh mit Plateausohle, der in einer skulpturalen Erinnerung an Kippenbergers Dortmunder Jugend einen Förderturm ersetzt. Vermutlich als Persiflage auf biografisch aufgeladene und ausdeutbare Kunst gemeint, fördert der Turm statt Grubengold lediglich die Lieblingsspeise des Künstlers zutage: Pasta.
„Martin Kippenberger - Heavy Mädel“, Galerie Gisela Capitain, Sankt Apern-Str. 26, Köln, Di.-Fr. 10-18 Uhr, Sa. 11-18 Uhr, bis 18. März. Der zweite Band des Kippenberger-Werkverzeichnisses wird am 25. Februar zwischen 15 Uhr und 18 Uhr in der Albertusstraße 9-11 vorgestellt.