Am 16. und 17. Juni gastiert der australische Choreograf Shaun Parker mit seinem Stück „King“ am Schauspiel Köln.
Australischer Choreograf in Köln„Tanzen machte ich heimlich, zum Glück spielte ich Fußball“
Die Saison der internationalen Tanzgastpiele an den Städtischen Bühne endet mit der Shaun Parker Company aus Australien, die im Depot 1 des Schauspiels „King“ zeigt.
Die 2010 gegründete Company des Choreografen Shaun Parker trat schon öfters in Deutschland auf, aber noch nie in Köln. Shaun Parker ist am Tag zuvor angereist; „24 Stunden Zeitunterschied“, sagt er. Er sei „dreamy“ vom Jetlag, aber wirkt hellwach, freut sich über das gute Wetter und das grüne Ambiente vor dem Depot 1 und dem Café. Aus Spaß sucht er sich gleich ein paar Pflanzen aus, die er in sein Tanzstück einbauen könnte. „Die da hinten, die langen, mag ich. Und diese hier.“
Nach dem Interview steht schon eine Ladung der offiziell für sein Gastspiel bestellten Gewächse auf Rädern vorm Liefertor. Miet-Palmen und Bananenbäume für den „jungle“, Dschungel.
In „King“, das danach nach Luxemburg, Wiesbaden und Bozen weiter tourt, treffen Welten aufeinander: fancy Cocktail-Lounge und grüne Wildnis. Darinnen: Männer. Was man so für „Männer“ hält und sie von sich. Zehn Stück in Anzügen. Und einer extra, mit hoher Stimme und Schminke.
Shaun Parker, ist das Thema Mann und die sogenannte toxische Männlichkeit nicht momentan in den Künsten sehr prominent? Warum noch ein Tanztheater darüber?
Shaun Parker: Ja, es ist unübersehbar. Das Thema selber wird nicht so schnell aus der Welt sein. Aber ich glaube, die Gesellschaft wird eine bessere werden, wenn wir unsere Jungs lehren, bessere Männer zu werden. Das wird für alle gut sein, win-win! Deshalb möchte ich darüber sprechen. Als ich begann, Anträge für die Finanzierung einer neuen Choreografie zu schreiben – es braucht immer drei, vier Jahre, das Geld aufzutreiben, hatten wir noch die Trump-Ära. Wie konnte so ein Mann zur Macht kommen, und wie konnten Leute ihn wählen, wunderte mich. Der hatte alle möglichen Elemente eines megalomanischen Anführers, dazu das Toxische von forciert männlichem Verhalten.
Spielen persönliche Erfahrungen mit hinein?
Das Stück ist nicht autobiografisch. Aber es speist sich aus dem, was ich erlebt habe, in Australien in den 70ern in einer Kleinstadt als Junge aufzuwachsen. Ich lächelte viel, ging zum Ballett, lernte Singen. Ich wurde verhauen und beschimpft, durfte nicht kreativ oder fantasievoll sein. Nichts, das irgendwie als feminin galt. Das hieß: Du bist schwul! An Schwulsein ist nichts verkehrt, ich identifiziere mich als bisexuell, hatte in meinem Leben Beziehungen mit Männern und Frauen. Aber damals, in Mildura, gab es so viel Hass dagegen. Ich fand aber Wege, dagegen zu kämpfen. Tanzen und Singen machte ich heimlich, und zum Glück spielte ich Fußball. Das fanden die okay. Maskulin. So steckte meine Identität als Mann in einer Falle, war unterdrückt. Das kommt in „King“ durch. Warum empfinden Männer die Berührung anderer Männer okay, wenn diese schlagen, aber nicht, wenn sie umarmen? Wie also kann ein Mann zärtlich sein?
Sie haben zunächst Naturwissenschaften studiert.
Damals dachte ich, das würde meinen Vater glücklich machen. Er hatte dieses Hyper-Maskuline und dominierte den Haushalt mit Frau und drei Kindern wie ein King. Danach, mit 19, wollte ich doch Tanz studieren. Ich war nicht gut, doch sie nahmen mich. Biologie und Anthropologie, das hat mich aber immer interessiert. Für „King“ recherchierte ich erstmal sehr viel über Genetik, das XY-Chromosom, auch über Spermien. Wie sie schwimmen, wettrennen, um zu überleben, um die DNA weiterzugeben. Hat ein Spermium gewonnen, und sein Kopf steckt in der Zellwand des Eis, werden die anderen Spermien zu Helfern. Jede Zelle in deinem Körper tut nur, was die DNA ihm aufträgt. Die genetische Kodierung kommt aus Tausenden und Millionen Jahren Evolution. So ist sie in gewisser Weise der King, der vorantreibt.
Daraus haben Sie mit den Tänzern Tanz gemacht?
Aus den wissenschaftlichen Prinzipien habe ich lauter Fragen extrahiert und dann Aufgaben für die Tänzer erstellt, die dazu Bewegungen erfanden.
Klingt entfernt nach Pina Bausch. Sie waren in den 90ern lange Jahre Tänzer bei Meryl Tankard, einer ehemaligen Bausch-Tänzerin.
Sie war mein Guru! Ich war 22; sie hat mich von der Universität weg engagiert für ihre neue Company, als sie das Australian Dance Theatre übernahm. Ich gehe gern logisch vor, aber ich traue auch meinem Instinkt bei der Arbeit. Das habe ich von Meryl gelernt.
Was macht der bulgarische Performancekünstler Ivo Dimchev in „King“?
Ich hatte für das Stück Liebeslieder geschrieben. Eigentlich sollte ich sie auf der Bühne singen. Ich bin früher als Counter-Tenor aufgetreten, mit Alter Musik. Aber bei der vielen Arbeit, die ich mit allem hatte, wollte ich lieber nicht mit auf die Bühne. Als ich total ratlos war, was nun mit der Musik sei, erinnerte ich mich an jemanden, den jemand mal bei Facebook gelikt hatte. Die internationale Tanzszene ist klein. Wir hatten gemeinsame Freunde. Ich sah: Er sang ja wie ich! Er kann Operntriller als Counter, aber auch dieses tiefe Grummeln. Diese Polaritäten: „männlich“, „weiblich“.
Shaun Parker & Company mit „King“ am 16. und 17. Juni, 19:30 Uhr im Depot 1