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Das Beste aus 2023Axel Hacke: „Heiterkeit müssen wir dem Leben abringen“

Lesezeit 6 Minuten
Nachdenken über Heiterkeit: Axel Hacke.

Nachdenken über Heiterkeit: Axel Hacke.

Axel Hacke hat mit „Heiterkeit in schwierigen Zeiten ...“ ein Buch geschrieben, das wir alle gerade dringend gebrauchen können. Im Januar kommt er nach Köln.

Herr Hacke, Krieg in Nahost und in der Ukraine, Klimawandel – tatsächlich „schwierige Zeiten“, um heiter zu sein ...

Wobei es mir ja gerade nicht um die Verkleinerung tragischer Probleme geht. Sondern um einen Aspekt des menschlichen Wesens, den man bei keiner Schwere des Lebens vergessen sollte. Wir brauchen eine Leichtigkeit so schwer das auch ist.


Dieser Text gehört zu unseren beliebtesten Inhalten des Jahres 2023 und wurde zuerst am 25. November veröffentlicht. Mehr der meistgelesenen Artikel des Jahres finden Sie hier.


Immerhin fallen uns gerade keine Bomben aufs Haus.

Natürlich ist der Zugang zur Heiterkeit für uns leichter als beispielsweise für Menschen in Israel oder der Ukraine. Das ändert aber nichts daran, dass wir im Prinzip alle vom Tode bedroht sind. Das gehört zum Leben dazu. Und das bedeutet natürlich, dass wir uns damit auch auseinandersetzen müssen. Ich habe in den vergangenen Jahren ein paar Mal erlebt, dass gute Freunde und Verwandte plötzlich gestorben sind. Das kann jedem von uns passieren, jeden Tag – die Auseinandersetzung damit gehört für mich zum Thema Heiterkeit dazu.

Heiterkeit ist für Sie nicht das Gegenteil von Ernst. Man kann sozusagen sehr ernsthaft heiter sein, schreiben Sie ...

Heiterkeit bedeutet ja nicht: lustig sein, Witze erzählen, angetrunken sein. Dieser Begriff hat eine tiefere innere Beziehung zur Tragik unseres Lebens. Und diese Heiterkeit ist etwas, was wir dem Leben abgewinnen, abringen müssen.

Heiterkeit ist etwas, was wir dem Leben abgewinnen, abringen müssen.
Axel Hacke

Sie ziehen Parallelen zwischen der Heiterkeit und der Gelassenheit. Das klingt erstmal gut und friedlich aber hat als Haltung auch etwas Passives, oder?

Nein, denn um das zu gewinnen, was ich Heiterkeit nenne, bedarf es ja eben durchaus einer Anstrengung. Ich habe an einer Stelle im Buch sogar vom Heiterkeitsarbeit gesprochen. Es bedarf eines Nachdenkens und einer Auseinandersetzung und das ist überhaupt nicht passiv, im Gegenteil. Traurigkeit die finden Sie überall von selber. Da müssen Sie nur die Zeitung aufschlagen, dann sind Sie schon traurig. Genauso wie wütend sein ganz leicht ist. Kaum jemand auf der Welt macht es sich so leicht wie die wütenden Menschen bei Facebook oder X.

Gibt es für Sie auch Grenzen der Gelassenheit? Oder würden Sie zum Beispiel auch in Bezug auf die AfD sagen: „Na ja, die mit ihrem rechten Quatsch – da rege ich mich jetzt nicht auf ...“

Nein, da bin ich tatsächlich weit davon entfernt, gelassen zu sein. Die AfD ist nichts, was ich gelassen hinnehmen kann. Natürlich kann ich auch nicht ein Massaker in Israel gelassen sehen, das ist schlicht und einfach unmöglich und wäre zynisch. Aber in meinem Buch geht es auch viel um unseren Alltag: Ist es angesichts dessen, was in der Welt geschieht, wirklich wert, mich aufzuregen, wenn jemand mir die Vorfahrt nimmt? Aber selbst wenn es um unsere Auseinandersetzung mit dem Tod hier in unserem privilegierten Leben in Deutschland geht, ist doch möglicherweise etwas Gelassenheit am Platze: Soll ich mein Leben in Angst vor Krankheit und Tod verbringen? Oder gelingt es mir, die Zeit, die ich habe, zu genießen?

Hat Heiterkeit im Zeitalter der Sozialen Medien überhaupt eine Chance? Da ist ja eher Aufregung die Währung.

Das ist in der Tat sehr schwer, denn: gelassen schreien geht nicht. Und starke Emotionen und dazu gehören Wut, Erregung, Geschrei werden in den Sozialen Medien immer belohnt und weiter verbreitet. Sie halten die Leute bei der Stange, bringen sie dazu, sich weiter auf Facebook oder Twitter beziehungsweise X zu bewegen. Es ist einfach eine kommerzielle Nutzung intensiver Gefühle.

Dann hat es die Heiterkeit also mit einem sehr starken Gegner zu tun.

Deswegen habe ich das Buch ja geschrieben. Weil ich finde, dass man sich diese Dinge sehr bewusst machen muss. Ich glaube, das ist die erste Voraussetzung für Besserung. Damit wir überhaupt als Individuen eine Möglichkeit haben, da nicht mit reingezogen zu werden.

Ihre Haltung als Autor ist nicht die eines allwissenden Welterklärers sondern die eines Fragenden, Suchenden, Nachdenkenden.

Ich versuche eigentlich immer, einen gedanklichen Weg, den ich selber gehe, offenzulegen. Ich würde nie schreiben: Ihr müsst jetzt heiter sein, dann ist euer Leben besser. Das finde ich Quatsch. Mir geht es nur darum aufzuzeigen, dass es diese Möglichkeit gibt. Dass es zu unserem Wesen als Mensch auch gehören könnte und dass es Leute gibt wie Sempé, Thomas Mann oder Goethe, die diesen Weg auch gegangen sind. Alles andere ist nicht mein Ding.

Ich würde nie schreiben: Ihr müsst jetzt heiter sein, dann ist euer Leben besser. Das finde ich Quatsch.
Axel Hacke

In den Medien und auf den Bestsellerlisten tummeln sich viele selbstsichere Welterklärer. Wie reagieren die Menschen auf Ihren Zugang?

Es gibt wahnsinnig viele Leute, die sich bedanken für dieses Buch und für die Gedanken, die sie darin gefunden haben. Es gibt natürlich auch Leute, die sagen: Was soll denn das?! Ich will die drei Schritte, die ich machen kann, damit ich heiter sein kann. Welche Tablette muss ich nehmen? Es soll immer möglichst anstrengungslos gehen, weil die Leute das heute auch so gewöhnt sind, dass man ihnen das Denken abnimmt.

Sie könnten wahrscheinlich auch eine Heiterkeits-App auf den Markt bringen oder Seminare anbieten ...

Klar, aber genau das halte ich nicht für sinnvoll, weil es eine geistige Entmündigung der Menschen bedeutet.

Dass Ihr Buch so erfolgreich ist, beweist aber auch, dass es anders geht.

Dass mein Buch so erfolgreich ist, freut mich natürlich. Weil es zeigt, dass man die Menschen nie unter ihrem Niveau ansprechen sollte. Sondern, dass man ihnen auch mal was zumuten kann. Ich bemühe mich ja immer, leicht zu schreiben. Aber das Buch verlangt natürlich den Leuten auch schon was ab. Da ist eine ganze Menge von Philosophie und Soziologie die Rede oder der Lektüre von Goethe, Schiller und Mann.

Man sollte die Menschen nie unter ihrem Niveau ansprechen.
Axel Hacke

Hat Sie die Arbeit an dem Buch verändert?

Ich schreibe eigentlich immer Bücher, weil ich selber etwas verstehen möchte. Mich hat es schon erheblich verändert, mich mit diesem Begriff zu beschäftigen. Weil ich viel gelernt habe. Einerseits bin ich jemand, dessen Texte sehr als heiter und lustig wahrgenommen werden. In meinem Alltag bin ich aber selber nicht unbedingt heiter und lustig. Und ich habe mich gefragt, woher das eigentlich kommt. Warum gelingt mir das in meinem Alltagsleben nicht, was mir beim Schreiben gelingt?

Und haben Sie eine Antwort gefunden?

Wenn ich über etwas schreibe, muss ich eine gewisse Distanz zum Geschehen einnehmen können. Ich kann nicht direkt aus dem Getümmel heraus schreiben, sondern ich muss ein bisschen Abstand dazu haben. Und genau diesen Abstand zu sich selbst einzunehmen das ist etwas, was man mit sich selber im Alltag versuchen kann.


Buchcover: „Heiterkeit in schwierigen Zeiten ...“

„Heiterkeit in schwierigen Zeiten ...“

Axel Hacke kommt am 11. Januar um 20 Uhr ins Kölner Gloria. Seine Lesungen sind dafür bekannt, dass er nicht einfach nur hinter einem Tisch mit Wasserglas sitzt und aus seinem neuen Buch vorträgt. Stattdessen erzählt er von seiner Arbeit und dem Leben und egal ob Kolumnen oder Bücher, er hat jede Menge von dem dabei, was er geschrieben hat.