Axel Milberg über seinen Abschied von „Tatort“-Kommissar Klaus Borowski, seine neue Mystery-Serie im Ersten und den Grund dafür, warum er nie einfach eine Woche Strandurlaub macht.
„Vermissen werde ich Borowski auf keinen Fall“Axel Milberg über seinen „Tatort“-Ausstieg
Herr Milberg, gucken Sie privat auch Mysteryserien?
Absolut. Wenn es gut ist und nicht zu aufgedonnert, sondern fast realistisch, dann sehr gerne! Die Wirklichkeit ist auch ein Mysterythriller, das ist alles gar nicht so anders, wissen Sie. Stellen Sie sich doch nur mal vor, Sie gehen durch die Fußgängerzone und könnten alle Gedanken der Menschen laut hören.
Klingt gruselig.
Aber diese vielen Gedanken sind ja da, sie sind nur nicht zu hören. In diesem Sinne ist es oft eine Wirklichkeit, die in solchen Serien durchgespielt wird, als würde sie an die Oberfläche drängen. Wenn jemand, wie in der Episode, in der ich mitspiele, wütend oder eifersüchtig ist, sich gedemütigt fühlt, kann das Tier in ihm Böses anrichten, sich rächen, strafen – in Gedanken, Absichten und Tagträumen.
Sie spielen in „Die nettesten Menschen der Welt“ den spießigen, strengen Vater, der will, dass sein Sohn Karriere macht. „Man muss aus der Masse herausstechen“, bläut er seinem Kind ein. Was halten Sie davon?
Wenn man genau hinschaut, ist der Vater nicht wirklich streng, sondern in seiner Empathie und Sympathie für den Sohn spürt er, dass er jetzt mal streng sein muss, weil er ihn doch liebt. Diese Situation kennen viele Väter, glaube ich.
Hatten Sie mit Ihren Söhnen auch mal das Gefühl, streng sein zu müssen, aber es gar nicht zu wollen?
Jetzt beim vierten Sohn habe ich ein bisschen die Situation. Der muss jetzt, nach Corona und nachdem er letztes Jahr Abitur gemacht hat, einen Moment verschnaufen und überlegen, womit er sich in seinem Leben beschäftigen will. Das braucht seine Zeit. Und ich muss gucken, dass ich nicht meine Wünsche auf meinen Sohn projiziere, sondern wir im Gespräch bleiben.
Der genannte Sohn August (19) war letztes Jahr auch mit Ihnen in einem „Tatort“ sehen. Sie haben in Interviews gesagt, dass sie sich am Set nicht eingemischt haben. War das auch nach Ende des Drehs noch so?
Ja, und unser Sohn will wohl kein Schauspieler werden. Er meinte: ‚Findet euch damit ab.‘
Und können Sie sich damit abfinden?
Ja, natürlich. Mein Sohn hat viele Interessen und das ist das Wichtigste, dass es überhaupt Leidenschaften gibt. Es ist schwierig, wenn jemand sich für gar nichts interessiert.
Apropos „Tatort“: Nach mehr als 20 Jahren als Kommissar Klaus Borowski hören Sie 2025 auf mit der Rolle. Werden Sie den Kommissar vermissen?
Ich drehe den letzten „Tatort“ schon Anfang nächsten Jahres, ausgestrahlt wird er dann 2025. Aber nein, vermissen werde ich Borowski auf keinen Fall. Ich würde es vermissen, wenn damit mein Berufsleben zu Ende wäre. Aber ich bin für das nächste Jahr schon in Vorbereitung für andere interessante Projekte, die auch dadurch möglich sind, dass ich nicht mehr die Rolle des Kommissars spiele und damit noch mal ein neuer Blick möglich ist.
Was für einen Ausstieg wünschen Sie sich für Borowski?
Ich darf darüber leider nicht sprechen. Ich kenne das Drehbuch und ich war auch integriert in die Stoffentwicklung. Ich werde also zu nichts gezwungen, was ich verkehrt fände.
Sie haben mal gesagt, dass Sie es nicht so gern mögen, wenn Sie als Borowski angesprochen und mit der Rolle verwechselt werden. Glauben Sie, das hört nach 2025 auf?
Hab’ ich das gesagt? Der Kieler Ermittler war und ist aber sehr präsent und beliebt. Das wird noch eine Zeit lang so weitergehen. Aber die, die mich ansprechen, sind ausnahmslos freundlich. Für mich selbst ist es wichtig, auch ganz andere Rollen zu spielen. Ich habe gerade eine Dragqueen gespielt und danach gemerkt, wie es für Presse und Öffentlichkeit wichtig war, mich ganz anders zu sehen, nicht als der introvertierte Ermittler, der strenge Fragen stellt.
War es auch ein Grund für den Ausstieg?
Bestimmt. Der „Tatort“ blockiert natürlich drei, vier Monate im Jahr. Es sind ja nicht nur die zweimal fünf Wochen Dreh, sondern auch Wochen der Buchentwicklung, Kostümproben, Regiegespräche und 1000 andere Sachen. Ich habe mehr als drei Jahre in Hotels gelebt, alleine für den „Tatort“. Das ist verrückt. Aber es ist kein Grund, sich zu beschweren. Die Rolle war natürlich auch ein großes Geschenk und ein Gefährte.
Sie gehen langsam auf das Alter zu, in dem andere Menschen in Rente gehe. Wählen Sie Ihre Projekte jetzt ausgesuchter aus?
Irgendwie schon, aber nicht wegen des Alters, eher um mehr Zeit zu haben, andere Dinge zu machen, die liegen geblieben sind, wie musikalisch-literarische Programme, faul sein, atmen, reisen. Das Fremde aufsuchen. Verschwinden im Fremden. Aber es sind dann doch schnell wieder mehr konkrete Projekte, als ich dachte. Schnell zurrt sich eine neue Verabredung fest.
Haben Sie manchmal Probleme, Nein zu sagen?
Ich bin gerne auf der Tour, mit Teams im Ausland, der ganze Zirkus, ich liebe das – man ist schnell überall zu Hause, kommt mit anderen Künstlern, Historikern, Architekten, was weiß ich, Autoren zusammen, Fahrern, Dolmetschern, Winzern und Bauern. Ich lerne dabei. Das hört nie auf.
Also legen Sie sich nie mal einfach eine Woche nur an den Strand?
Oh no! Ich bin aber ein Freund des Mittagsschlafs. 20 Minuten Siesta und ich habe einen komplett neuen zweiten Tag.
Axel Milberg ist vielen durch seine Rolle als Kieler „Tatort“-Kommissar Klaus Borowski bekannt, die er seit 2002 spielt. 2025 wird der Schauspieler nun das letzte Mal in der Krimireihe zu sehen sein, verkündete der Sender im März dieses Jahres. Damit hat er mehr Zeit für andere Projekte und auch für sein Privatleben. Der 66-Jährige hat einen Sohn aus erster Ehe und einen weiteren mit Judith Milberg, mit der er seit 2004 verheiratet ist. Seine Frau brachte außerdem zwei weitere Kinder mit in die Ehe. Milberg spielt aktuell in der Mysteryserie „Die nettesten Menschen der Welt“ mit, die ab jetzt in der ARD-Mediathek abrufbar ist.