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ARD-Doku „Being Michael Schumacher“Wie ein Junge aus Kerpen die Ikone der Formel 1 wurde

Lesezeit 5 Minuten
Michael Schumacher lächelt. Er trägt seinen roten Rennanzug und eine rote Kappe aus seiner Zeit bei Ferrari.

Michael Schumacher bei einem Grand Prix in Melbourne, Australien

Zehn Jahre nach Michael Schumachers Skiunfall strahlt die ARD die Doku „Being Michael Schumacher“ aus. Sie zeigt seine Karriere von den Anfängen in Kerpener Karts bis zu seinem tragischen Skiunfall.

Als Michael Schumacher 1994 seine erste Weltmeisterschaft gewann, bedankte er sich bei seinen Fans: „Ihr standet die ganze Zeit hinter mir. Ihr habt mir die Daumen gedrückt. Und ihr habt einen ganz, ganz großen Anteil an dieser Weltmeisterschaft.“ Fast 20 Jahre später, als er wegen eines schweren Skiunfalls ins Krankenhaus musste, drückten ihm seine Fans wieder die Daumen. Aber nicht nur das: Die Leute wären wohl am liebsten mit den Kameras bis ans Krankenbett gegangen. Und so musste sich Corinna Schumacher durch ein Blitzlichtgewitter hindurchkämpfen, um ins Krankenhaus zu ihrem Ehemann zu gelangen.

„Being Schumacher“ zeigt, wie die Rennsport-Ikone zur Formel 1 kam

Am 29. Dezember jährt sich Michael Schumachers Skiunfall zum zehnten Mal. Die ARD nimmt das zum Anlass, um eine Dokumentation (fünf etwa halbstündige Folgen) über eine der größten Ikonen des Rennsports auszustrahlen: „Being Michael Schumacher“. Und schon die erste Szene zeigt, wie sein mediales Vermächtnis immer noch nachwirkt. Sie zeigt ein Mikrofon in einem dunklen Raum. Es kommt eine Person herein, aber sie ist nur verschwommen, da die Kamera in einer Nahaufnahme das Mikrofon fokussiert. Man erkennt ihn trotzdem. Dann hört man ihn sagen „Okay. Los geht’s.“ Und man hat das Gefühl, er würde wieder an die Öffentlichkeit treten.

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Being Michael Schumacher - Videos der Sendung | ARD Mediathek

Es sind Sehnsuchtsbilder. Mit der Doku verfolgt man Michael Schumachers Karriere von seinen Kart-Anfängen im Kerpener Erftlandring bis zu seiner Zeit bei Benetton, Ferrari und Mercedes in der Formel 1. Es kommen allerlei Weggefährten zu Wort, etwa seine Managerin Sabine Kehm oder Ferrari-Teamleiter Jean Todt, außerdem Sportjournalisten, Stars wie Dirk Nowitzki und Bastian Schweinsteiger und natürlich seine Familie.

Auch sein Bruder Ralf Schumacher taucht in der ARD-Doku auf

Wenn Ralf Schumacher erzählt, wie er mit seinem Bruder in Kerpen aufgewachsen ist, hat es schon fast etwas Gespenstisches: Erst sieht man die alten Aufnahmen von Michael Schumacher auf dem Erftlandring – ein Kerpener Junge mit Helm und Kart. Dann kommt man mit Ralf Schumacher in die Gegenwart der Rennstrecke zurück, und schaut mit ihm einem vorbeifahrenden Kind hinterher, ebenfalls mit Helm. Als wäre Michael Schumacher aus den Erinnerungen seines Bruders herausgetreten, um nochmal eine Runde zu drehen.

Rennanzug und Helm wirken dabei wie ein Superhelden-Anzug, der die eigene Identität schützt. Vielleicht war das hilfreich, als er die Formel 1 in Deutschland von einem Nischensport zur sonntäglichen Lieblingsbeschäftigung machte. Als er dann mit Ferrari fünf Weltmeistertitel in Folge gewann, bot er ein Identifikationspotential, das höchstens von Fußballern übertroffen wurde, wenn überhaupt. Der Sportreporter Florian König spricht in der Doku davon, sie hätten damals „Schumi-TV“ gemacht.

Der öffentliche und der private Schumi

Dabei wirkte der junge Rennfahrer trotz seines immensen Erfolgs abgeklärt, selbst zu Anfang seiner Karriere. Seine Wegbegleiter erzählen, dass ihn die großen Namen im Rennsport nicht einschüchterten. Im Gegenteil galt er als risikobereiter Fahrer, der jegliche Kritik an ihm abprallen ließ und in seinem Ehrgeiz stets den Erfolg an die oberste Stelle setzte. Er war also alles andere als everybodies darling, wie man auch mit Konflikten mit Renngrößen wie David Coulthard sah. In seiner Siegesgewissheit war Schumacher der FC Bayern des Rennsports.

Doch es gab schon damals einen Unterschied zwischen dem privaten und dem öffentlichen Schumi. Pat Symonds, Renningenieur bei Benetton 1994/1995, erzählt in der Doku: „Er kannte jeden Mechaniker, kannte die Namen ihrer Ehefrauen, wusste, was ihre Kinder machten.“ Also doch ein Softie statt eiskalter Seriensieger?

Der Rennfahrer musste mit viel medialen Druck umgehen lernen

Dass der ganze Druck auch etwas mit ihm machte, merkte man im Jahre 2000 beim Grand Prix in Monza. Vor dem Rennen hatte er eine Ansage von Ferrari-Teamchef Jean Todt bekommen. Schumacher musste die nächsten vier Rennen gewinnen, um eine Chance auf den Weltmeistertitel zu haben. Es war nach vier titellosen Jahren seine fünfte Saison bei Ferrari.

Und tatsächlich gelingt Schumacher die Wende in Italien. Und nicht nur das: Mit seinem 41. Grand Prix zieht er sogar mit dem brasilianischen Rennfahrer Ayrton Senna gleich. Als ein Journalist Schumacher bei der Pressekonferenz darauf anspricht, sagt er: „Es bedeutet mir sehr viel.“ Dann verschwindet sein Gesicht hinter seiner Mütze und er muss weinen. Vielleicht, weil während seines Sieges ein Streckenposten tödlich verletzt worden ist, oder einer seiner Freunde einen Tag vorher einen Herzinfarkt erlitten hatte. Vielleicht, weil er nun mit einer anderen Ikone gleichzog, und einer seiner 41 Grand Prix Siege eben das Rennen war, an dem Ayrton Senna gestorben war. Vielleicht auch alles zusammen.

Schumi hatte jedenfalls das Visier hochgeklappt, und die Welt sah ihn als Sterblichen. Und auch als er nach seinem kurzen Engagement bei Mercedes sportlich nicht mehr an die Erfolge der 2000er anknüpfte, behielt die Ikone Michael Schumacher einen großen Platz im Herzen der Menschen. Vielleicht einen zu großen.

Auch nach Schumachers Skiunfall wollten die Deutschen nicht loslassen

Seit dem Skiunfall hält sich die Familie Schumacher bedeckt, sodass Informationen zu seinem gesundheitlichen Zustand auch zehn Jahre nach den Ereignissen rar sind. Das führte zu einem Live-Ticker an Unsäglichkeiten: Der Paparazzi-Auflauf vor dem Krankenhaus, dem Diebstahl seiner Krankenakte und Journalisten, die über den Presseraum der Klinik hinausgehen. Einer soll sich sogar als Priester verkleidet haben, um zum Rennstar vorzudringen.

Die Menschen wollten ihn nicht loslassen. Die ehemalige Schwimmerin Franziska van Almsick erklärt: „Ich kann auch die Menschen verstehen, die sagen, sie haben so lange teilgehabt und plötzlich weiß man nichts mehr, plötzlich darf man nicht mehr teilhaben.“ Gleichzeitig sei es offensichtlich nicht die Stärke der Menschen gewesen, einen Schritt zurückzugehen und darüber nachzudenken, was damals wirklich wichtig war, so die Schwimmweltmeisterin.

Es ist wohl die große Stärke der Doku, mit dem Leben von Michael Schumacher auch ein Stück Mediengeschichte zu erzählen. Sie zeigt eindrucksvoll, dass es gar kein Widerspruch sein muss, an eine Formel-1-Legende zu erinnern und ihr dabei auch ihre Privatsphäre zu lassen. Denn Michael Schumacher hat im Verlauf seiner Karriere immer wieder das Visier hochgeklappt, um der Welt sein Gesicht zu zeigen. Dort, wo er oder seine Familie es geschlossen haben, wird jeder voyeuristische Blick mehr über uns verraten als über ihn.

Zur Sendung

Die fünfteilige Doku „Being Michael Schumacher“ läuft am 29. Dezember um 23:35 Uhr in der ARD. Sie ist schon jetzt in der ARD Mediathek abrufbar.