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Die besten Super-Bowl-WerbespotsWo Rachel Ross vergisst und dem Adler ein Vokuhila wächst

Lesezeit 5 Minuten
This photo provided by Kawasaki shows the Kawasaki 2024 Super Bowl NFL football spot. ( Kawasaki via AP)

Der amerikanische Vokuhila-Adler im Super-Bowl-Werbespot von Kawasaki

Eine Werbeminute beim Super Bowl kostete 14 Millionen Dollar. Die Konzerne buhlen um Aufmerksamkeit. Und erzählen, wie es den USA geht.

Seit 2018 braucht man genau genommen nur noch einen Werbespot für den Super Bowl: David Harbour, Chief Hopper aus der Netflix-Serie „Stranger Things“, zappte sich damals durch jedes erdenkliche Werbeklischee, fuhr am Steuer eines silberglänzenden Wagens dem Sonnenuntergang entgegen, hing mit einer Freundesgruppe am Tresen oder am Strand ab, tauchte im Spiegel neben dem Old-Spice-Guy auf, oder tönte aus einem Sprachassistenten. Doch er warb weder für Amazons Alexa, noch für BMW, Bud oder Cola Light, sondern für das Waschmittel Tide. Schließlich, erklärt der Schauspieler, tragen alle Beteiligen fleckenlose Kleidung.

Die kurzen, perfekt nachgestellten Spots hatte Procter & Gamble über die gesamte Strecke des NFL-Endspiels verteilt, kulminierend in Harbours dreister Frage: „Macht das etwa jede Super-Bowl-Werbung zu einer Tide-Werbung?“ Ein genialer Schachzug, konkurrierenden Agenturen werden geschäumt haben.

Der Höhepunkt der amerikanischen Football-Saison ist der wichtigste TV-Termin des Jahres, allein in den USA werden rund 115 Millionen Menschen zuschauen. Unternehmen, die während des Aufeinandertreffens der Kansas City Chiefs mit den San Francisco 49ers auf dem Sender CBS einen 30 Sekunden währenden Spot schalten wollen, zahlen zwischen 6,5 und sieben Millionen Dollar.

Da gilt es, im Vorbeirauschen der Werbeblöcke aufzufallen, jeder Konzern will den Spot haben, über den die Leute noch reden, wenn Spiel und Halbzeitshow längst ausdiskutiert sind. Das Rezept dafür ist seit Jahren im Grunde gleich geblieben: Bringe bekannte Gesichter in absurde Situationen, die lustige Memes generieren.

Da spielt Lionel Messi gut gelaunt mit Strandbesuchern Trickfußball, während er auf sein Michelob-Ultra-Bier wartet, und wird dabei von Ted-Lasso-Darsteller Jason Sudeikis angefeuert. Vermarktet ein Schnauzbart tragender Chris Pratt seine unverhoffte Ähnlichkeit mit dem zwirbelbärtigen Mann vom Pringles-Logo.

Oder intoniert „Aquaman“ Jason Momoa zusammen mit Zach Braff, Donald Faison und breit geschwellter Brust Irene Caras 80er-Jahre-Hit „Flashdance … What a Feeling“, nachdem die beiden Besties aus der Arztserie „Scrubs“ ihm die Telekom als Internet-Anbieter empfohlen haben. Letztes Jahr hatten Brach und Faison bereits die gleiche Nummer mit John Travolta präsentiert, der dafür noch mal „Summer Nights“ aus „Grease“ singen durfte.

Andere Spots eilen ihrem viralen Ruhm voraus, wie der für Hellmann's Mayonnaise, in dem die Katze von Komikerin Kate McKinnons „Mayo“ maunzt und als sprechendes Tier derart steil geht, dass sie sogar McKinnons „Saturday Night Live“-Kollegen Pete Davidson datet und kurz darauf wieder fallen lässt – ein untrügliches Zeichen für die oberen Ränge des Ruhms.

Was tun, wenn jede Agentur im Prinzip denselben Spot dreht? Man gibt sich so stoisch wie die Schauspielerin Aubrey Plaza, die mit versteinertem Gesicht Mountain Dews Baja-Blast-Drink in die Kamera hält und doppeldeutig verkündet: „I'm having a blast“ („Ich habe einen Riesenspaß“), ganz egal, ob sie im Aufzug feststeckt, von Aliens entführt wird, oder mit Nick Offerman, ihrem Vorgesetzten aus der Sitcom „Parks and Recreation“, auf Drachen reitet. Plaza verkörpert ganz wunderbar die Übersättigung jedes Super-Bowl-Guckers: Alles schon gesehen, in jeder Kombination, egal wie verrückt.

Eine Möglichkeit, aus dem Einerlei des Außergewöhnlichen herauszustechen, besteht traditionell darin, an die edleren Gefühle im Football-Fan zu appellieren. Solche verspäteten Weihnachtsspots kommen diesmal von Google, das neue KI-Funktionen seiner Handykamera mit einem sehbehinderten Mann bewirbt, der dank dieser gestochen scharfe Bilder seiner Frau und seines neugeborenen Kindes machen kann.

Und von der Körperpflegemarke Dove: Die kontrastiert zum Kinderchor von „It's the Hard Knock Life“ aus dem Musical „Annie“ Mädchen, die beim Sport straucheln, mit einer jungen Schwimmerin, die sich kritisch im Spiegel betrachtet. Die Botschaft: Nicht Missgeschicke führen dazu, dass viele Mädchen ihre Sportart aufgeben, sondern ein geringes Körperbewusstsein. Auch auf solch vorgeschützte Warmherzigkeit kann man sich beim Super Bowl verlassen.

Dennoch: die Zeitläufte schlagen sich in den Werbefilmchen nieder, man gucke sich nur jetzt noch einmal die vielen prominent besetzten Spots für Kryptowährungen aus dem Jahr 2022 an. Die sind zwei Jahre später seltsam abwesend. Am besten man hält es, wie Jennifer Aniston im Spot für „Uber Eats“: „Will man sich an etwas erinnern, muss man erst etwas vergessen“, rät der „Friends“-Star. Prompt kommt David Schwimmer offenen Armes auf sie zu, doch Rachel erkennt ihren Ross nicht mehr. Darin liegt auch die Chance auf einen Neuanfang.

Vergeblich sucht man 2024 soziales Engagement, mit dem man keine offenen Türen einrennt: Wer will denn nicht Blinden helfen, oder Mädchen, die Probleme mit ihrer Körperwahrnehmung haben? Anders war das, als der Brauereikonzern Anheuser-Busch im April 2022 die Trans-Persönlichkeit Dylan Mulvaney sponserte, damit den Zorn bigotter Rednecks provozierte, anschließend zurückruderte und damit wiederum die Transgender-Community verärgerte.

Dementsprechend unkontrovers fällt in diesem Jahr der Super-Bowl-Beitrag von Budweiser aus: Inmitten eines Schneesturms beliefern Bierausfahrer eine Kleinstadtbar mithilfe von Clydesdale-Kaltblütern und einem Labrador – beides seit langem tierische Werbepartner von Bud. Hier findet man alles vereint, was die USA sonst auseinandertreibt: den nostalgischen Blick auf ein Yes-we-can-Amerika, das Lob der ländlichen Gemeinschaft, die zunehmenden Wetterextreme.

Noch geschickter stellt es der Clip an, mit dem Kawasaki sein neues Geländefahrzeug „Ridge“ bewirbt: Wer mit ihm über Stock und Stein donnert, oder es auch nur im Vorbeifahren erblickt, dem wächst sofort ein Vokuhila, ob Mensch oder Tier. Das Maga-Amerika sieht, wie sein Lebensstil gefeiert wird, die Küsteneliten lachen ob der entwaffnenden Selbstironie des Fahrzeugherstellers. Aber alle sitzen im selben Wagen. Ist das ein Weg, das Land zusammenzuhalten?