Die Reaktion der Kölner Moderatorin auf einen Social-Media-Kommentar hat zu Empörung und Anfeindungen im Netz geführt. Ein Gespräch über Würde, Zorn und Anstand.
„Entsetzt über meine Entgleisung“Bettina Böttinger zeigt sich zerknirscht nach X-Kommentar zu Nahost
Frau Böttinger, Sie haben auf X einen Kommentar beantwortet, der einem Bild von der Freilassung israelischer Geiseln galt. Zu sehen war darauf auch Kämpfer der Hamas. In Ihrem inzwischen gelöschten Retweet schrieben Sie, Tiere hätten die Würde, die „diese Idioten nicht haben“. Das hat einen Shitstorm ausgelöst. Und mal ehrlich: Ein solcher Satz zieht einem schon glatt die Schuhe aus. Wie konnten Sie so etwas schreiben?*
Bettina Böttinger: Sie stellen die Frage, die ich mir seit dieser Entgleisung selbst unentwegt stelle. Wie es dazu kam, ist leicht zu beantworten: Ich hatte in diesem Moment das Bild der drei jungen israelischen Frauen vor Augen. Sie wurden auf Tuchfühlung durch ein Spalier bewaffneter und maskierter Hamas-Leute getrieben. Das schockierte mich. Was ein Moment größter Freude hätte sein können, erschien mir wie eine erneute Demütigung und Entwürdigung. Mich hat das sehr mitgenommen. In dieser aufgewühlten Stimmung hat der Kommentar auf X, der zum Bild der Geiseln „animals“ schrieb, etwas in mir getriggert.
Wegen des Begriffs „Tiere“?
Ja. Ich fand das unsäglich, und in meiner Bestürzung habe ich diesen Satz rausgehauen...
... der anderen die Würde abspricht.
Genau. Und damit setze ich mich seither unablässig auseinander: Wie konnte mir – mir! – das passieren? Ich hätte nicht gedacht, dass ich fähig wäre, anderen Menschen die Würde abzusprechen, die ich doch für das höchste, unverlierbare Gut eines und einer jeden halte. Es spielt keine Rolle, über wen ich spreche: Von niemandem hätte ich sagen dürfen, er habe keine Würde. Es ist mein Gedanke an dieser Stelle, der würdelos ist, herabwürdigend – für andere und auch für mich selbst. Und ich bin selbst entsetzt, dass er im Zorn offenbar irgendwo in meinem Inneren geschlummert und sich Bahn gebrochen hat. Ein Gedanke, den ich bei ruhigem Nachdenken nicht nur nicht äußern, sondern aufs Schärfste verurteilen würde.
Das wurde Ihnen bewusst, als der Sturm losbrach?
Nein, tatsächlich schon etwas später habe ich gedacht: Wie konnte dir das passieren?
Sie stellen die Frage jetzt zum zweiten Mal…
Weil ich ehrlicherweise einige Tage lang um die Antwort gerungen habe. Ich habe über meine Reaktion gründlichst nachgedacht. Und ja: Ich könnte jetzt mit der Weltlage kommen, mit Hass und Hetze im Netz, mit Aggressionen, die überall im Miteinander spürbar sind. Ich könnte mit der Hochgeschwindigkeitskommunikation im Digitalen kommen, mit der Flut der Bilder und Reize, die einen zu schlechten Reaktionen verführen. Gewiss hat es auch damit zu tun. Aber das erklärt mein Verhalten nicht vollkommen. Und ich will es unter keinen Umständen als „Handeln im Affekt“ bagatellisieren. Ich stelle fest, wie sehr ich in meiner grundsätzlich tief verankerten Überzeugung von Fairness, Anstand und Respekt doch auch selbst in der Gefahr stehe, mich von Empörung runterziehen und zu so etwas hinreißen zu lassen.
Sind Sie schockiert von sich selbst?
Ja. Aber ich bin froh, dass Sie mich danach fragen. So kann ich zugeben, dass es so ist – und ich kann ebenfalls aufrichtig sagen, wie leid es mir tut, dass ich Schuld auf mich geladen, Menschen gekränkt und verletzt habe. Ich habe gegen meine eigenen Prinzipien verstoßen und muss zu den Folgen stehen.
Damit meine Sie die Attacken, die Anfeindungen im Netz?
Die vergehen. Nein, ich habe mich selbst beschädigt und viele enttäuscht, die mich für eine überlegte, anständige, ehrenwerte Person halten. Ich musste offenbar noch einmal sorgfältig überdenken, wo ich meine Haltung wie angemessen zeigen kann. Wenn überhaupt etwas positiv daran ist, dann ist es die Erkenntnis, dass ich mir selbst besser auf die Schliche kommen muss, eine Art neuer, gewissenhafter Selbstfindung.
* Die erste Frage und die beiden folgenden Antworten wurden zum besseren Verständnis des Hergangs leicht verändert.