BlackfacingWarum der WDR erneut vor rassistischen Inhalten warnen muss
Köln – Unter dem trotzigen Titel „Jet zo fiere!“ zeigte der WDR am Samstagabend „Das Beste aus der Verleihung des Ordens »Wider den tierischen Ernst«“. Zum Besten rechneten die Programmverantwortlichen dabei auch eine Büttenrede von Désirée Nick aus dem Jahr 2010, bei der die Kabarettistin (und Dschungelkönigin) als Nofretete-Büste auftrat.
Weder der Streit darüber, ob es sich bei der Berliner Ikone um Raubkunst handele, noch die Kalauer der Nick über fast vergessene Politiker sorgten in der Wiederholung für Kritik und Empörung. Sehr wohl aber die beiden „Tempelwächter“, welche die lästernde Büste flankierten und deren Gesichter und Körper schwarz angemalt waren.
Denn dabei handelte es sich ja eindeutig um Blackfacing, also um jene Bühnenpraxis, bei der sich weiße Darsteller schwarz schminken, um als Karikaturen von Afroamerikanern oder hierzulande auch von Afrikanern das Publikum zu unterhalten.
Was Blackfacing bedeutet
In den USA erfreuten sich solche „Minstrel Shows“ bis Mitte des 20. Jahrhunderts großer Beliebtheit. Sie gelten heute aus gleich drei Gründen als ein Tiefpunkt amerikanischer Populärkultur: Erstens verbreiteten sie rassistische Stereotypen. Zweitens dienten sie als nachträgliche Rechtfertigung der Sklaverei. Den dritten Punkt erläutert der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch: „Jedes Mal, wenn ein schwarz geschminkter Weißer irgendwo auftritt, sagt das: Schwarze können das nicht. Schwarze kennen wir nicht. Schwarze gibt es in unserer Mitte nicht. Was Schwarze von dieser Rolle halten würden, wenn es sie in unserer Mitte gäbe, interessiert uns nicht.“
Das Zitat stammt aus Stefanowitschs Begründung für den „Anglizismus des Jahres“, als solcher wurde der Begriff „Blackfacing“ nämlich 2015 gewählt, als man in Deutschland gerade die Diskussion darüber nachholte. Zuerst ging es um Theaterinszenierungen, dann auch um Karnevalsvereine, die das N-Wort im Namen führen und deren Mitglieder sich dementsprechend kostümieren.
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Gerade ein öffentlich-rechtlicher Sender wie der WDR hätte sich dieser öffentlichen Diskussion stellen – und auch den anschließenden Wertewandel berücksichtigen müssen. Das scheint jedoch nicht der Fall gewesen zu sein: Vor wenigen Tagen erst musste der Sender beteuern, aus seinen Fehlern lernen zu wollen, nachdem er eine Wiederholung der Talkshow „Die letzte Instanz“ ausgestrahlt hatte, in der weiße Prominente sich für das Recht aussprachen, weiterhin „Z-Soße“ sagen zu dürfen.
Inzwischen prüft der Kölner Verein „Rom e. V.“ wegen diskriminierender Äußerungen in der Sendung gegen den WDR juristische Schritte einzuleiten. „Ich habe tatsächlich immer noch Bauchschmerzen vor Wut und Empörung von einer solchen Dosis arroganter Diskriminierung und Rassismus gegenüber der größten Minderheit in Europa“, schreibt Vorstandsmitglied Ruzdija Sejdovic.
Hate speech in Mediathek
Der Schriftsteller wendet sich auch gegen die Tatsache, dass die betreffende Folge der Talkshow noch immer in der WDR-Mediathek abrufbar ist: „Hate speech im Netz kann inzwischen gelöscht werden, warum bleibt diese antiziganistische Sendung in der Mediathek?“
Der WDR hat die Aufzeichnung lediglich mit einer Warntafel versehen, die auf die Rechtmäßigkeit der Kritik verweist, aber auch darauf, dass man sich entschieden habe, die Sendung „aus Transparenzgründen in der Mediathek zu belassen.“ In der Sendung erzählt übrigens Thomas Gottschalk in sagenhafter Unbedarftheit von einem eigenen Blackfacing-Auftritt auf einer Karnevalsparty. Nach diesem will er zum ersten Mal gemerkt haben, „wie sich ein Schwarzer fühlt“.
Unwürdige Inhalte
Auch „Jet zo fiere!“ findet man noch in der Mediathek, allerdings ist vom Nick-Auftritt nur noch der Ton geblieben, gezeigt wird eine Texttafel, die darüber informiert, dass die Blackfacing-Szene nicht in den Zusammenschnitt hätte aufgenommen werden dürfen.
Nun könnte man sagen, dass späte Einsicht besser ist, als gar keine. Aber jemand muss doch beim WDR entschieden haben, die beiden Sendungen nicht nur zu zeigen, sondern erneut zu zeigen. Inhalte, die Minderheiten rassistisch herabsetzen, sind einer Anstalt im Dienst der Öffentlichkeit unwürdig. Diese dann auch noch zu wiederholen verweist letztlich auf ein Strukturproblem im Sender: Wie sonst könnte es zu solchen Programmentscheidungen kommen?