Eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte schreibt in diesen Tagen eine Band aus Indiens Hauptstadt Neu-Delhi. Vom Zwei-Mann-Projekt zum gefragten Live-Act war es ein kurzer, aber ereignisreicher Weg.
Bloodywood in KölnIndische Folklore der anderen Art
Um Enttäuschungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Erwartungen niedrig anzusetzen. Genau diese Empfehlung wurde Karan Katiyar mit auf seinen Weg nach Europa gegeben. „Es war verrückt, uns einzuladen“, gesteht Katiyar im Dokumentarfilm „Bloodywood – Raj Against The Machine“ selbst ein. „Wir haben nie zuvor als Band gemeinsam auf einer Bühne gestanden.“ Doch der Reihe nach.
Coverversionen als erstes Lebenszeichen
Für seine in ein Metal-Gewand gehüllten Coverversionen von Bollywood-Songs suchte Katiyar einen Sänger. In Jayant Bhadula fand er den Partner, mit dem er schließlich 2017 Bloodywood ins Leben rief. Wieder war es eine Coverversion, die die Aufmerksamkeit der internationalen Metal-Community erregte. Mit ihrer Version von Linkin Parks „Heavy“ hatten die beiden Inder offenbar den richtigen Ansatz für ihre Musik gefunden.
Ihre erste eigene Single „Ari, Ari“ erfuhr dann aus einer unerwarteten Richtung hilfreiche Unterstützung. Bollywood-Star Ileana D’Cruz lud den Song auf ihrem Instagram-Profil hoch. Dazu muss man wissen, dass die indischen Schauspieler in ihrer Heimat große Verehrung erfahren. D’Cruz konnte sich sogar vorstellen, als Background-Tänzerin für Bloodywood zu fungieren. Dazu ist es bislang allerdings noch gekommen.
Vom eigenen Erfolg überrascht, werden die indischen Musiker von einer Einladung zu einem der größten Open-Air-Festivals der Welt beinahe überfordert. Das Wacken Open Air möchte die Internet-Sensation, so bezeichnet Katiyar Bloodywood selbst, verpflichten. Fieberhaft beginnen Katiyar – der seine Anstellung als Rechtsanwalt für die Musik an den Nagel gehängt hat –, Bhadula und der inzwischen dazu gestoßene Rapper Raoul Kerr eine Band zu formieren.
Mit Probekonzerten überall auf dem indischen Subkontinent versuchen Bloodywood Bühnenreife zu erlangen. Schließlich wagen die Inder den Schritt nach Europa – und schwimmen weiter auf einer Wellte der Sympathie und des Erfolgs. Von 15 Shows sind 12 ausverkauft. Highlight ist der Auftritt im norddeutschen Wacken vor 15.000 Fans. Selten zuvor ist eine Band ohne Erfahrung und vor allem ohne eigenes Studio-Album so frenetisch gefeiert worden.
Greifbares Phänomen
Das Album „Rakshak“ hat die Gruppe inzwischen veröffentlicht und tourt nun zum zweiten Mal durch Europa. In der proppenvollen Kantine an der Neusser Landstraße wurde das Phänomen Bloodywood am Montagabend für das Kölner Publikum greifbar.
Mit ihrem Mix aus traditionellen indischen Klängen und modernem Metal treffen die Inder einen Nerv bei den Fans. Wild geht es zu, sowohl vor als auf der Bühne. Bloodywood wollen ernsthaft zu Werke gehen, können aber die eigene Begeisterung über das Geschehen kaum verbergen. Ihre Songs mit den sägenden Gitarrenriffs erinnern stellenweise an Prophets Of Rage oder Linkin Park.
Ballade über Depressionen
Als größter Hit des Sextetts gilt die Power-Ballade „Jee Veerey“, in der es um das oft unterschätze Problem psychischer Erkrankungen wie etwa Depressionen geht. Wie viele andere Songs singen Bhadula und Kerr abwechselnd in englischer Sprache und Hindi. Musikalisch und sprachlich eine interessante Mischung, die das Alleinstellungsmerkmal der Inder darstellt.
Enttäuschend war dann allenfalls der mit einer Stunde sehr knapp geratene Auftritt der indischen Metal-Band. Doch das ist Jammern auf hohem Niveau. Ob Bloodwood dieses halten können, wird sich bei neuem Material zeigen. Für den Moment bleiben sie ein Phänomen. Ein originelles noch dazu.