Buch für die StadtErinnerung an die verstorbene Tochter
Köln – Maramba ist ein Zauberwort. Paula Köhlmeier (1982–2003) hat es erfunden, und es ist der Titel ihres Prosabandes, der 2005 erschienen ist und am Mittwoch um 11 Uhr im Kölner Literaturhaus vorgestellt wird. Monika Helfer und Michael Köhlmeier, die Eltern, haben den Band zwei Jahre nach dem Unfalltod der Tochter herausgegeben. Die Erinnerung an Paula und ihren tödlichen Sturz ist die Basis für Michael Köhlmeiers Novelle „Idylle mit ertrinkendem Hund“, das aktuelle „Buch für die Stadt“.
„Ein großer Trost war es für Monika und mich“, sagt Köhlmeier über „Maramba“, „die Texte für dieses Buch zusammenzustellen.“ Paula selbst hatte schon einige Prosastücke für den Erzählband ausgewählt. „Wir haben dann noch weitergesucht, und wenn da Erzählungen waren, die so ausgesehen haben, dass sie von der Paula beendet waren, haben wir sie reingenommen.“
Melancholische Miniaturen
Paula hatte zu dem Titel „Mein Talent zum Glück“ tendiert, doch die Eltern haben sich für „Maramba“ entschieden. „Maramba“, sagt ein junger Mann in einer dieser Geschichten, sei ein Gefühl, für das es kein Wort gebe. Die junge Frau schlägt es im Wörterbuch nach und findet es nicht. Von da an ist Maramba für sie mit einem Zauber belegt. Einsam wirken viele Personen in diesen melancholischen Miniaturen. Sie fühlen sich wie „der Thunfisch in der Pralinenschachtel“. Und sagen oft sagenhafte Sachen: „Meine Gedanken sind wie ein Fallschirmspringer, der nicht springen will.“ Viele sind auf der Suche, natürlich auch nach sich selbst. Wie der Mann, den es öfters auf den Schlossberg in Hohenems zieht (auf dem Paula Köhlmeier tödlich verunglückt ist). Für ihn ist dies ein „Medizinberg“, ein Ort der Besinnung – „weil ich nicht mittendrin bin und Luft holen kann.“ So präzise, lakonisch und schnörkellos die Autorin die Augenblicke fixiert, so offen enden ihre Geschichten. „Die Geschlossenheit eines Romans“, heißt es im Nachwort der Eltern, „entsprach nicht ihrem Lebensgefühl.“
Einer der Söhne, sagt Köhlmeier, habe einmal festgestellt: „Die Wahrheit ist für die Paula eine Option unter vielen.“ Das habe nicht in den großen Dingen gegolten. Wohl aber in den kleinen. Ein Beispiel? Köhlmeier erzählt: „Typisch wäre für die Paula gewesen, dass sie, wenn jemand am Telefon fragt, was sie anhabe, geantwortet hätte: Eine rote Hose. Aber sie hatte eine blaue Hose an. Sie fand es langweilig zu sagen, was sie tatsächlich anhatte. Sie hat immer wieder erfunden.“ Ein wenig ist sie da eine Erfinderin wie Joel Spazierer ein Erfinder ist, der Titelheld des neuen Romans von Köhlmeier.
„Ich habe kein Talent zum Glück“, sagt die Erzählerin in „Maramba“. Hat sich Paula womöglich selbst so gesehen? „Ja, das hat sie geglaubt.“ sagt Michael Köhlmeier. „Sie hat Momente von ganz großem Unglück gehabt. Mit all ihren Beziehungen hat sie gelitten, manchmal ganz, ganz furchtbar. Ich dachte: Wenn man ihr nur irgendwie helfen könnte. Ein unbeschwerter Mensch war sie nicht.“ Allerdings hatte der Vater das Gefühl, dass die Tochter in ihrer letzten Beziehung glücklich gewesen sei.
„Ich glaube, dieser Freund hat sie verstanden. Auch ihren Zwang, erfinden zu müssen, hat er gemocht.“ Michael Köhlmeier, der auch wunderbare Songs schreibt, hat einmal ein „Paulalied“ veröffentlicht. Darin heißt es: „Du bist gern auf der Welt.“ Das sei, sagt der Vater, eine Art Beschwörung gewesen. Vielleicht war sie es ja am Ende ihres jungen Lebens.
Kölner Lesung aus Paula Köhlmeiers Erzählungen „Maramba“ am Mittwoch, 13. 11., um 11 Uhr im Literaturhaus (Schönhauser Straße 8).