TikTok wird für die Buchbranche immer wichtiger – auch die Kölner Stadtbibliothek wirbt jetzt mit dem Hashtag #BookTok.
#BookTokSchnell, unterhaltsam und mit viel Gefühl
Kurze Videos mit Tanzeinlagen, Comedy oder Beauty-Tipps – damit ist TikTok innerhalb weniger Jahre zu einer der erfolgreichsten Social-Media-Plattformen geworden. Und selbst Bücher haben sich inzwischen ihren Platz dort erobert: Der Hashtag #Booktok wurde inzwischen mehr als hundert Milliarden Mal aufgerufen. Für Verlage und Buchhandlungen ist Booktok so zu einem wichtigen Werbefläche geworden. Und Leser und Leserinnen finden hier Inspiration.
BookTok setzt auf Emotionen
Langsame Literatur in einem turbo-schnellen, visuellen Medium – wie kann das funktionieren? Zum Beispiel über Emotionen, sagt Evelyn Unterfrauner. Die Geschäftsführerin einer Social Media Marketing Agentur arbeitete vorher beim Verlag Penguin Random House und betreibt einen der meistgelesenen deutschen Buchblogs. Es ist also kein Zufall, dass auch viele der Bücher, die bei #BookTok empfohlen werden, auf starke Gefühle setzten. Oft sind es Romane für junge Erwachsene – ein Genre, dass als „Young Adult“ oder „New Adult“ rasant gewachsen ist.
In einem Video, das mit trauriger Musik unterlegt ist, weint die Booktokerin Burcu Bloyd fast eine ganze Packung Taschentücher voll. Fast 445 000 folgen ihr bei TikTok. „Ich glaube, ich hab noch nie so viel bei einem Buch geweint. Mein Herz ist gebrochen aber wow ich LIEBE dieses Buch“ ist der Text dazu.
Nicht unbedingt klassisches Literatur-Rezensions-Feuilleton also – und auch das ist eines der Erfolgsgeheimnisse von BookTok: Die Videos sprechen Zielgruppen an, die für eine Buch-Empfehlung nicht erstmal ein Germanistik-Studium absolvieren wollen. „Inhalte müssen vor allem unterhaltsam sein und wirklich auf Basis des Nutzungsverhalten der User erstellt werden“, sagt Evelyn Unterfrauner. Denn genau dieser passgenaue Algorithmus sei das Erfolgsrezept der Plattform: „Kein Soziales Medium hat es in so kurzer Zeit geschafft, so viele User zu generieren.“
Mit rund 1,7 Milliarden Usern weltweit sei es ein Mainstream-Medium und längst nicht mehr nur bei einer jüngeren Zielgruppe erfolgreich. „Die vorgeschlagenen Videos sind so interessant, dass man eigentlich nicht mehr rauskommt aus der App. Weil man in diesen Strudel – noch ein Video, noch ein Video – hineinschlittert. Und das führt dazu, dass die Creatoren sich mit ihren Videos natürlich an diese Spielregeln und Rahmenbedingungen halten, die unterhaltsam für die Zuschauer sind. Und genau das ist auch im Bereich BookTok passiert.“ Die Verlage können ihren Lesern auf TikTok quasi in Echtzeit den Puls fühlen und Trends sofort erkennen.
Dass das Medium so unfassbar schnelllebig ist, sei Chance und Herausforderung zugleich, meint Evelyn Unterfrauner. Denn teilweise sei die Verlagsbranche gar nicht in der Lage, schnell genug zu reagieren: „Es gibt diese starren und über Jahre etablierten Strukturen in Verlagen – zum Beispiel, dass die Programme ein Jahr im Voraus geplant werden. Und dann bekommt man Schwierigkeiten, diesen Trends auch gerecht zu werden.“
Ernstzunehmender Trend für die Buchbranche
Bei den Buchverkäufen mache TikTok inzwischen durchaus einen Unterschied, sagt Thomas Koch vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels: „Man sieht, dass eine große Präsenz auf TikTok auch für Nachfrage bei Buchtiteln sorgt. Und das gilt nicht nur für neue Titel sondern auch für solche, die schon länger auf dem Markt sind.“
Buchhandlungs-Riesen wie Thalia und Hugendubel sind selber bei BookTok präsent und auch in vielen kleineren Buchhandlungen finden sich eigene Tische mit BookTok-Empfehlungen. Auch Thomas Koch sagt: „TikTok wächst immer weiter und so ist das jetzt kein Randphänomen mehr, sondern ein ernstzunehmender Trend für die Buchbranche.“ Schließlich müssten Bücher den Menschen dort begegnen, wo sich sich aufhalten – und gerade bei der jungen Zielgruppe sei das eben auch TikTok.
BookTok in der Kölner Stadtbibliothek
Die Kölner Stadtbibliothek hat jetzt auch auf den Trend reagiert: Eine Auswahl an Titeln bekommt spezielle #BookTok-Aufkleber, außerdem werden sie in eigenen Regalen präsentiert und mit Aufstellern und Plakate n beworben. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis man als @stbibkoeln auch selbst aktiv auf TikTok mitmischt, heißt es in einer Mitteilung.
„Junge Menschen sind uns sehr wichtig, denn 53 Prozent unserer Besucher*innen sind unter 30 Jahre – und es ist deshalb selbstverständlich für uns, dass wir auf diesen Trend reagieren“, sagt die Direktorin der Stadtbibliothek, Hannelore Vogt. Und ein schöner Nebeneffekt sei, dass auch englischsprachige Titel gelesen werden, um mitreden zu können. Besonders gefragt in der Young-Adult-Literatur seien momentan Liebesdramen (gern auch im Thriller verpackt), Mehrteiler im Internats- oder College-Setting, aber auch Graphic Novels beziehungsweise Mangas mit Liebesgeschichten in der LGBTIQ+ Szene würden oft nachgefragt.
#BookTok in Köln
Am Freitag, 3. März, gibt es im Rahmen der LitCologne eine Veranstaltung zu #BookTok: Die Autorin Carolin Wahl („Vielleicht“-Trilogie). Ihre Videos mit fiktiven Chatverläufen der Hauptfiguren werden millionenfach geliked. Mit ihr auf der Bühne ist die erfolkreiche #BookTok-Influencerin Saskia Papen. Sie wird erzählen, wie sie arbeitet und was für sie ein gutes Buch ausmacht.
Liebe ist tatsächlich ein großes Thema bei BookTok. Wenn dann auch noch das Cover hübsch ist und dem Buch noch ein paar schöne Postkarten beiliegen, schlägt das Herz vieler BookTokerinnen höher.
Aber die Empfehlungen spülen auch immer mal wieder Ungewöhnliches oder Unerwartetes an die Oberfläche– zum Beispiel bei @ginaebooks. Die hat sich für den Januar vorgenommen, Bücher zu lesen, die sie normalerweise nicht interessieren würden. Ihre Nutzer haben ihr für drei Genres Bücher empfohlen, um die sie sonst einen weiten Bogen macht: Historische Romane, Dark Romance und Klassiker. Angefangen hat sie mit dem Klassiker: „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ von Robert Louis Stevenson. „Und ich habe das Buch einfach innerhalb eines Tages durchgelesen“. Ihr Fazit: „Die Challenge begann auf jedem Fall mit einem vollen Erfolg. Ich kann mir vorstellen, in Zukunft öfter mal Klassiker zu lesen.“