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C.A.R. Album-Premiere in KölnTrip ins Klangwunderland

Lesezeit 4 Minuten
Das Köln-Berliner Quartett C.A.R

Das Köln-Berliner Quartett C.A.R

Die Band C.A.R. stellt ihr neues, schwereloses Album „Valonia“ im Loft in Köln Ehrenfeld vor.

Sommer, Licht und Wärme - damit verbindet man die Musik von C.A.R. irgendwie. So gesehen, kommt das neue Album des Köln-Berliner Quartetts, etwas verfrüht - doch bereits unter der aktuellen Frühjahrssonne erstrahlt „Valonia“ (Bimba Records) in reichen Klangfarben. Passgenau  schmiegt sich die Textur der „Kraut-Electronic-Jazz-Band“ über Ohren und Seele. Und was mitunter wie der aus Ambient, Dance und Trip Music gespeiste Soundtrack für eine hippe Szene-Bar klingt, dreht einem im nächsten Moment eine Nase und entführt quasi durchs Kaninchenloch in ein weit komplexeres Klangwunderland.

Wie das funktioniert, zeigt ein tolles Musikvideo, das C.A.R. 2021 für ihr Stück „Üüüüü“ mit dem Handy drehte: In einer langen Sequenz fangen die mitunter verwackelten und unscharfen Bilder Impressionen von der sommerlichen Seepromenade in Brighton ein, scheinbar planlos, in Wahrheit aber dramaturgisch höchst durchdacht. So tanzen Sportler am Wegesrand exakt im Takt der Musik, bevor die Kamera chaotisch gen Himmel schwenkt, um dann doch punktgenau auf einer Touristenattraktion der Seepromenade zu landen: dem Upside Down House, das tatsächlich auf dem Kopf steht und das spielerische Gefühl von Schwerelosigkeit erzeugt.

Dazu passt die Selbstbeschreibung der Band: „Wir könnten weit ausholen und über deutsche Nachkriegsmusikgeschichte wie ‚Krautrock‘, ‚Kosmische Musik‘ und ‚Jazz-Rock‘ schwadronieren, wir könnten aber auch einfach sagen: ‚Hallo, wir sind C.A.R. aus Köln, und wir spielen Musik, wie sie uns gefällt: ein bisschen akustisch, ein bisschen elektronisch; auf einem Trip, aber ohne genaues Ziel; intensiv, aber nicht brutal; sphärisch, aber nicht beliebig; ausschweifend, aber doch präzise.“

Leonhard Huhn (Saxofone, Electronica, Vocals), Christian Lorenzen (Wurlitzer, Synthies, Schlagzeug), Kenn Hartwig (Bass, Gameboy, Electronica) und Johannes Klingebiel (Schlagzeug, Synthesizer, Vibraphon) gründeten C.A.R. im Jahr 2011. Damals studierten sie an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz, seitdem sind sie in einer Vielzahl von Projekten unterwegs, überwiegend mit gänzlich anderem musikalischem Fokus.

So ist Leonhard Huhn Teil des Kölner Kollektivs für improvisierte Musik Impakt, mit Saxofonist Stefan Karl Schmid leitet er die Band Schmid’s Huhn. Christian Lorenzen bestritt mit David Helm und Dominik Mahnig das Zooom Trio, dessen Stilistik deutlich näher am C.A.R.-Sound ist. Wie ohnehin an jeder Ecke Referenzen, Hommagen und Zitate aufschimmern, hier etwas Progrock, dort tatsächlich Kraut à la Embryo, Kraan, Guru Guru und, vor allem, Can. Als die Band 2019 das Festival „C.A.R. presents Kraut am Ebertplatz“ kuratierte, jammte sie inmitten der brutalistischen Ungastlichkeit des Platzes hinreißend mit dem ehemaligen Can-Sänger Damo Suzuki. Auch damals war es Sommer, und das dichte Klanggebräu zauberte den umstehenden Menschen ein Lächeln auf die Gesichter und versetzte ihre Körper in sanfte Bewegungen.

Weitere Klangspuren haben Tourneen durch Pakistan, Sri Lanka und Indien (2017) sowie durch China (2018) hinterlassen, wobei man denken könnte, C.A.R. fusioniere die vielen Einflüsse als spontan improvisierten Bewusstseinsstrom. Auch diese Spielart gibt es, und das vorletzte Album „Gästeliste“ (2023) ist ein spannender Beleg dafür.

„Valonia“ fußt durchweg auf Eigenkompositionen der Band

„Valonia“ indes fußt durchweg auf Eigenkompositionen der Band. Ruhig, doch intensiv und ungemein verführerisch fließen die knappen Melodien dahin, improvisierende Partien, wie sie für den Jazz üblich sind, lassen sich unmittelbar wenig ausmachen. Während der oft ostinate Rhythmus stetig Tendenzen elektronischer Klangbild-Musik aufgreift, verstärkt vor allem das herausragende Stück „Rupf“ dann wieder den Jazz-Einfluss. Hier wie dort und eigentlich überall auf „Valonia“ dominiert die Freiheit, mit der die Stücke interpretiert werden: perfekt ausbalanciert, tiefenentspannt, offen im Sinne von Cole Porters „Anything goes“: Alles ist möglich.

Das Albumcover ziert ein Motiv des englischen Fotografen Jack Hems, das bei allem Realismus wie eine surreale Collage anmutet. Bauwerke aus unterschiedlichsten Stilepochen reihen sich auf engstem Raum zwischen flachem Gebüsch, das im Vordergrund in einen grünen Golfrasen übergeht. Über alldem spannt sich, auch hier, ein blauer Himmel, und im Einklang mit der Musik fühlt man sich an die Gedichtzeile von Emily Dickinson erinnert: „Mehr als der Himmel fasst das Hirn.“ Tanzbare Grooves inbegriffen – gewiss auch im Loft, wo C.A.R. „Valonia“ live präsentiert.


C.A.R. spielen am Mittwoch, 12. März um 20 Uhr live im Loft in Köln Ehrenfeld in der Wissmannstr. 30. Tickets kosten 14 (7) Euro. thisiscar.de

Cover „Valonia“

Cover „Valonia“