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Claude Monet, Edouard Manet, Eugène BoudinFrankfurter Städel feiert 200. Geburtstag mit großen Impressionisten

Lesezeit 5 Minuten

„Die Straße von Chailly durch den Wald von Fontainebleau“ (1865)

Frankfurt – Einem klugen Beobachter ist es mit den Bildern Monets so ergangen, als träte er in eine Sonntagsstimmung ein. Umständehalber in eine Atmosphäre, in der die Hände, nein, nicht mehr gefaltet, wohl aber müßig in den Schoß gelegt sind. Auch zeigt sich in den Bilderwelten ein Sonnenschirm ausgestreckt in einer Sommerwiese. Und im Seebad wirft das Luxushotel nur einen kurzen Schatten auf eine lichtüberflutete Promenade. Nicht dass ein jeder Sonntag aus lauter Sonne bestünde. Aber aus Licht gemacht ist ein jeder Tag bei Claude Monet (1840–1926) Das Licht ist praktisch das Synonym für den Monet-Alltag.

Jetzt ist die Sonntagsstimmung in das Städel eingekehrt, denn zum 200. Geburtstag des Frankfurter Museums ist eine prachtvolle Monet-Schau zusammengetragen worden. Felix Krämer hat sich als Kurator, assistiert von Nerina Santorius, auf den zwei Etagen des Städel für eine chronologische Darstellung der Anfänge der impressionistischen Bewegung in den 1860er Jahren bis zum Jahr 1880 entschieden. Dass es Meisterwerke sind, hängt damit zusammen, dass die eigene exquisite Impressionismussammlung ein echtes Argument war, so dass Leihgaben aus dem New Yorker Metropolitan Museum oder der Petersburger Eremitage oder dem Pariser Musée d’Orsay an Frankfurts Museumsufer gelotst werden konnten.

Neuentstanden aus einer Ruine

Dorthin, wo sich bereits Anfang des 20. Jahrhunderts der damalige Direktor Georg Swarzenski um Bilder Monets bemühte. Sein Engagement traf keineswegs auf ein allgemeines Impressionisten-Faible, umso schöner der von langer Hand angelegte Impressionismusfundus des Städel. Wobei die Ausstellung genutzt wurde für eine Aufarbeitung der Bestände. So heißt es etwa von Charles Jacques „Schafe an der Tränke“, es sei aus einer Ruine wieder neu erstanden.

Charles Jacques? Gemeinsam mit Berühmtheiten wie einem Courbet oder Corot, dazu einem Charles-François Daubigny oder Eugène Boudin, bildet sein Bild den Prolog zur Schau. Er hat die Aufgabe der Einbettung Monets in die Anfänge der Freilichtmalerei. Von Boudin ist bekannt, dass er Bilder mit Hinweisen auf Datum, Stunde, Ort, ja Wetterstimmung versah. Tatsächlich zu sehen ist mit Daubignys „Blick vom Seineufer“ ein programmatisches Werk. Zeigt es doch 1851 den Malenden in einem Boot. Der Künstler hat sein Atelier ins Freie verlegt, sein Studio unter freiem Himmel aufgeschlagen.

Gerahmt von solchen „Impressionen“, schwer lastenden Regenschauerwolken, von Courbets sich überschlagenden Wellen oder Corots Dorf im Winter, wird der Blick des Museumsbesuchers gelenkt auf Monets „Straße von Chailly durch den Wald von Fontainebleau“. Im sonnenbeschienen Vordergrund eine Wiese. Diagonal, und auf die Dynamik der Diagonale wird Monet immer wieder zurückkommen, schlägt ein blauer Himmel mit kräftigen Wolken eine lichte Schneise durch den dunklen Forst. Dass dieser wie überhaupt die Natur als unberührte Weltgegend dargestellt wurde, geradezu als weltferne Idylle, war den Impressionisten Programm.

Zur Stippvisite ins Grüne brach der Bourgeois vor allem sonntags auf aus der großen Stadt. Für die Ansichten von Paris, die Plätze und breiten Boulevards, die Eugène Haussmann durch die bis dahin mittelalterliche Stadt getrieben hatte, fanden die Impressionisten furios neue Perspektiven. Grandios die Gegenüberstellung von Manet und Monet (ja, schon zu ihren Lebzeiten war die Freude an dem Spiel mit Vokalen und Namen groß).

Die Unterschiede Monets und Manets

Der 1832 geborene Edouard Manet, auch wegen seines Alters so etwas wie ein Kopf der Gemeinschaft, schuf mit seinem Weltausstellungsbild eine Szenerie, so etwas wie eine Bühne, auf der sich Bürger und Dandys zeigen, im Vordergrund ein Gärtner, eine Reiterin in der Mitte, rechter Hand Militärs, über allem eine Montgolfiere. Verglichen allerdings mit Monets lebhafter Anschauung des Städtischen, ist Manets Bild von steifer Repräsentanz.

Monet dagegen war im Louvre auf einen Balkon ausgetreten. Anstatt, wie seine Zeitgenossen, sich vor den Meisterwerken als Kopist zu reüssieren, malte er die städtische Szene am „Quai du Louvre“ als quirliges Leben. Wenn man es recht bedenkt, findet auch diese Gegenüberstellung Manets und Monets in Form einer Diagonale statt. Hier die behäbige Ansicht aus dem Geist der Vedute, dort die urbane Unruhe, mit Kutsche, Litfaßsäule, riesiger Werbefläche an der Hauswand.

Ein heikles Unterfangen war auch die impressionistische Existenz. Monet drängt wie seine Gesinnungsgenossen auf die Anerkennung im offiziellen Kunstbetrieb, der ihnen jedoch offen misstraute. Als Maler ebenso wie moralisch, das bekam Monet, als er sich um die Aufnahme in den „Salon“ bewarb, drastisch wegen seines „Mittagessens“ zu spüren. Das Bild wurde als Provokation verstanden und abgelehnt. Das Bild, im Besitz des Städel, als ein Schlüsselwerk Monets ausgewiesen, erschien allein deswegen als Zumutung, weil es eine private Szenerie in den Dimensionen der Historienmalerei festhielt. Schon das war ein Affront gegen die Konvention, ganz abgesehen davon, dass am Tische das uneheliche Kind Monets gemeinsam mit dessen Mutter zu sehen war. Paris sah nicht die Mutter, sondern die Mätresse.

Unbeeindruckt von den gesellschaftlichen Wirren malte Monet Bilder von flirrender Farbigkeit. Allerdings ist zu sagen, dass sich die gesellschaftlichen Umbrüche dennoch eklatant in seinen Bildwelten niederschlugen. Und nicht etwa deswegen, weil er den Wiederaufbau der kriegszerstörten Brücke von Argenteuil malte. Sondern weil ihn der Wasserdampf des Industriezeitalters, etwa in seinen Bahnhofsbildern, ähnlich faszinierte wie der Nebel in der Natur.

Vor etwa 150 Jahren sind die Impressionisten für ihre eminent neue Sehweise diskriminiert worden, schon wegen ihrer Art der diffus bleibenden Ansicht der Welt. Doch allein in Monets bewusst verunklarten Ansichten der Bahnhöfe vibriert die Unruhe. Auch hier ist die Lokomotive leicht diagonal zum Stehen gekommen. Zum Stillstand? Wie ein Zeitpfeil verharrt das Vehikel, wie ein Ungetüm auf dem Sprung.

Monet war ein diskreter Schwellenkundler, der nicht von ungefähr die Grenzen der Darstellung aufspürte. Die Monet-Luft vibriert noch heute.