Collien Ulmen-Fernandes im Interview„Als junge Frau wirst du oft abfällig behandelt“
- Für ZDFneo begleitet Collien Ulmen-Fernandes vier berufstätige Mütter mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und beobachtet ihren Alltag.
- Im Interview spricht sie darüber, dass berufstätigen Mutter oft ein schlechtes Gewissen gemacht wird: "Die Zuständigkeit für die Kinderbetreuung wird eben immer noch zu 100 Prozent bei der Frau gesehen."
- Zudem ärgert sich die 39-Jährige über das stereotype Frauenbild in der Medienbranche.
Frau Ulmen-Fernandes, Ihr neues Social-Format heißt „Rabenmütter oder Super Moms“. Berufstätige Mütter sehen sich häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, Rabenmütter zu sein, tragen solche Bedenken aber zum Teil auch in sich. Wie war das bei Ihnen?
Collien Ulmen-Fernandes: Ja, das schlechte Gewissen wird einem gemacht. Das wird von außen an einen herangetragen. Bis zur Geburt meiner Tochter bin ich davon ausgegangen, dass wir in einer völlig gleichberechtigen Gesellschaft leben. Ich war damals erstaunt darüber, dass so viele Menschen darüber geredet haben, dass ich arbeiten gegangen bin. Dabei habe ich in der Zeit gerade einmal die Woche eine Sendung moderiert, die 45 Minuten ging und meine Tochter hat in der Zeit geschlafen.
Ihr Mann Christian Ulmen ist auch Schauspieler, Sie haben also den direkten Vergleich. Wie oft wurde ihm schon die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestellt?
Mein Mann wurde das tatsächlich noch nicht einmal gefragt. Und damit steht er nicht allein da. Ich habe noch nicht einen männlichen Schauspieler getroffen, der je gefragt wurde, wie er denn das mit der Betreuung macht, wenn er dreht. Die Zuständigkeit für die Kinderbetreuung wird eben immer noch zu 100 Prozent bei der Frau gesehen. Ich habe mit vielen Schauspielerinnen gesprochen, die alle ständig mit Entsetzen gefragt werden, wie sie arbeiten können, wo sie doch Mutter sind. Das kennen Männer nicht.
Was war für Sie am überraschendsten bei den Dreharbeiten zu „Rabenmütter oder Super Moms“?
Ich fand den Vergleich mit den anderen Ländern sehr interessant. Ich bin viel im Ausland und bekomme auch mit, mit welcher Selbstverständlichkeit Frauen dort arbeiten gehen. Aber zu hören, dass etwa in Spanien der Mann eine gewisse Zeit der Elternzeit nehmen muss, fand ich sehr interessant. Das ist ja der Teufelskreis: Man hört immer, die Frau bleibt zu Hause, weil sie weniger verdient, aber sie verdient ja deshalb weniger, weil der Mann bei der Einstellung die bessere Wahl zu sein scheint, weil er eben nicht wegen der Kinderbetreuung ausfallen kann. Fielen beide aus, würde sich der Gender Pay Gap irgendwann von selbst erledigen.
Wo sehen Sie sich im Beruf sonst noch mit Rollenklischees konfrontiert?
Es werden umfangreiche Marktforschungen betrieben, es werden lange Meetings dazu abgehalten, was die Frau anzieht. Bei dem Mann ist das egal, der darf kommen, wie wer will. Ich hatte Fittings für Sendungen, da standen alle Verantwortlichen im Kreis und haben entschieden, was ich tragen soll. Oft durfte ich noch nicht einmal mitreden. In vielen Showformaten werden Frauen noch immer als das dekorative Element verstanden. Der Haupthost ist meist männlich, die Frau darf ein paar ergänzende Worte in die Kamera lächeln. Als ich vor zwanzig Jahren bei „Bravo TV“ angefangen habe, wollte man eine laute Frau und einen ruhigen Mann daneben. Daher ist mir dieses Geschlechterbild anfangs gar nicht so aufgefallen. Aber in der Medienwelt ist definitiv das andere Modell vorherrschend.
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Sie sagte mal, dass Sie gerne ironisch sind, das aber nicht zeigen durften, weil es nicht ins Bild passte, das man von Ihnen vermitteln wollte.
Ja, das stimmt. Diese Branche denkt in Stereotypen. Deshalb mag ich auch die Begrifflichkeit der gestanden Frau nicht. Das bedeutet für mich, dass man als Frau erstmal älter alt werden muss, um ernst genommen zu werden. Als junge Frau wirst Du oft abfällig behandelt. Das fällt mir auch jetzt noch auf, bei jüngeren Kolleginnen. Und was das Thema Ironie angeht: Das passt nicht in das Bild von mir. Hätte ich kurze Haare und wäre tätowiert, dann dürfte ich ironisch sein. Bei püppchenhafteren Frauen, wie ich es bin, möchte man das nicht. Ich sollte einmal mit einem Mann eine Sendung moderieren. Die Gags, die ich geschrieben habe, sollte er dann bringen. Das passt einfach besser zu einem bärtigen Mann, hieß es, dabei wollte der gar nicht ironisch sein und ich sollte dann als Frau daneben stehen in einem glitzernden Abendkleid und über seine Gags kichern. Da merkt man dann doch, welchen Stereotypen man in dieser Branche so ausgesetzt ist.
Sie haben auch ein Kinderbuch über Rollenklischees geschrieben. Wo stehen wir als Gesellschaft bei diesem Thema?
Das Thema Gender-Marketing sorgt zurzeit eher für eine Retraditionalisierung der Geschlechterrollen. Mittlerweile gibt es Produkte für Jungen, auf denen dann sowas wie „Für mutige Kämpfer“ steht“ und Mädchen-Produkte mit dem Aufdruck „Für schöne Prinzessinnen“. Die Rollenzuschreibungen sind dabei sehr einseitig. Mädchen = Hübsch und süß. Jungen = Stark und mutig. Wir haben nicht ein Produkt für Mädchen gefunden, auf dem das Wort „mutig“ stand. Das finde ich sehr schade und diese einseitige Inszenierung sorgt eben für einen gewissen Backlash bei den Kindern.
In einem Test in der ZDFneo-Sendung schreiben die Paare auf, wer wie viel Care-Arbeit leistet. Bei fast allen Paaren investieren die Frauen dafür sehr viel mehr Zeit.
Ja, und das hat die Paare erstaunlicherweise erstaunt. Deshalb kann ich jedem Paar nur raten, eine solche Bestandsaufnahme zu machen. Das Kind ist auf einen Geburtstag eingeladen, wer besorgt noch schnell das Geschenk? Solche Sachen werden oft nebenbei erledigt - und zwar meistens von den Frauen. Selbst wenn beide Vollzeit arbeiten, erledigt die Frau laut Studien den größeren Anteil der Hausarbeit. Dadurch sind 25 % der deutschen Mütter kurbedürftig, jede zweite Frau ist gestresst. Ich denke daher, dass wir die Männer stärker in die Pflicht nehmen sollten, auch wenn ich dafür wieder einen Shitstorm ernten werde.
Sie haben Ihre Tochter mal als kleine Feministin bezeichnet. Gleichzeitig wird sie ja aber mit den typischen Rollenbildern konfrontiert. Wie gehen Sie damit um?
Sie hat sich auf ihr Homeschooling-Tablet eine App runtergeladen und ihre eigenen Bilder bearbeitet. Dabei hat sie sich super dünn gemacht, die Augen groß, die Nase klein, den Mund groß. Sie sagte dann „Guck mal Mama, so finde ich mich schön“. Sie bekommt ständig diese Topmodel-Heftchen geschenkt, in denen die Mädchen alle so aussehen. Das finde ich schwierig. Studien belegen, dass mit Mädchen schon im Kindergartenalter sehr viel häufiger über ihr Aussehen gesprochen wird und so lernen Mädchen eben, dass sie für die Optik zuständig sind. Daher ist es wichtig, sensibel und achtsam mit diesem Thema umzugehen, dagegen anzuarbeiten. Ich versuche, sie in ihren Kompetenzen zu bestärken, in ihrer Intelligenz, ihrer Kreativität.
Damit wir nicht schon kleinen Kindern bestimmte Klischees vermitteln?
Genau. Raufende Mädchen werden schneller auseinander gezogen. Bei raufenden Jungs wird gesagt, die müssen sich austoben, das ist das Testosteron. Dabei ist das Testosteron-Level bei Jungen und Mädchen gleich, der Unterschied kommt erst mit der Pubertät, bis dahin sind die vermeintlichen Geschlechterunterschiede reine Projektion. Genau dieser Klischees muss man sich aber überhaupt erstmal bewusst werden.
Zur Person
Collien Ulmen-Fernandes (39) wurde bekannt als Moderatorin von „Bravo TV“, seit 2003 arbeitet sie auch als Schauspielerin. Zudem hat sie zwei Kinderbücher geschrieben. Mit ihrem Mann Christian Ulmen hat sie eine Tochter. „Rabenmütter oder Super Moms“ läuft am Donnerstagabend um 20.15 Uhr bei ZDFneo. (amb)