Kommentar zu Corona-KampagneWarum die Regierung Couchpotatoes zu Helden machen darf
- Die Bundesregierung hat seit Samstag unter dem Schlagwort „besondere Helden“ drei Videos veröffentlicht, mit denen sie für Kontaktbeschränkungen wirbt.
- Die satirische Machart ist für offizielle Kampagnen ungewöhnlich und hat schnell zu einer Diskussion geführt.
- Warum #besonderehelden gelungen und richtig ist. Ein Kommentar.
Die Bundesregierung erklärt Nichtstuer in ihrer neuesten Kampagne zu Helden. Darf sie das, ist das moralisch in Ordnung? Darüber wird seit Sonntag besonders in den sozialen Netzwerken gestritten. Die drei bislang unter dem Schlagwort #besonderehelden veröffentlichten Spots zeigen ältere Menschen, die sich in einer Rückblende an das Jahr 2020 erinnern und erzählen, wie sie es schafften, der Pandemie Einhalt zu gebieten. Nämlich, indem sie auf dem Sofa rumgammelten, sich mit Junkfood vollstopften oder vor dem Rechner zockten und soziale Kontakte vermieden.
Die Spots sind gut gemacht und lustig. Ja, sie bedienen sich mit Sätzen wie „unsere Couch war die Front“ einer Kriegsrhetorik, die in den Augen mancher vielleicht unpassend erscheint. Die Rhetorik ist aber so überspitzt, dass sie eindeutig als Satire zu erkennen ist. Ganz offensichtlich haben die Macher sich in Ästhetik und Dramatisierung der Erzählform an Filmen wie die des öffentlich-rechtlichen Geschichts-Erklärers Guido Knopp orientiert und ziehen diese mit der empathischen Überhöhung der Hauptpersonen durch den Kakao.
Heroischer Kampf gegen Corona
Ein angeblicher Zeitzeuge erzählt mit bedeutungsschwangerer Stimme und untermalt von heroischer Musik im Rückblick von den richtungsweisenden Ereignissen im Corona-Jahr 2020. Und worin bestand seine Heldentat? Im Nichtstun. „Wir waren faul wie die Waschbären“, sagt er, und gezeigt wird er in jungen Jahren mit Chips und Cola auf dem Sofa.
Wird damit die Leistung der echten „Helden“ der Pandemie wie die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte, Pflegenden oder anderer besonders belasteter Berufe geschmälert? Nein, einen solchen kleinkarierten Vergleich kann niemand aus diesen Berufsgruppen ernsthaft in Erwägung ziehen. Werden die Entbehrungen, existenziellen Ängste und persönlichen Verluste vieler in der Pandemie mit diesen Spots lächerlich gemacht oder kleingeredet? Eher nicht, da sie auf einer vollkommen anderen Ebene funktionieren und vollkommen überzeichnet sind. Erreicht die Kampagne ihre Zielgruppe? Vermutlich schon, da die Videos in den sozialen Netzwerken heiß diskutiert und geteilt werden.
Ernste und staatstragende Appelle der Politiker gibt es – natürlich völlig zu Recht – genug. Die Ansprachen der Bundeskanzlerin stehen dabei an erster Stelle. Gute Grafiken und tiefergehende Erklärungen aus wissenschaftlicher Sicht – auch zum Ansteckungsrisiko in Alltagssituationen – sind ebenfalls für jeden zu finden, der sich näher mit dem Virus beschäftigen will.
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Aber auch im Corona-Deutschland gibt es eben viele unterschiedliche Lebenswirklichkeiten und Wahrnehmungen der Pandemie. Und für diejenigen, zu deren Alltagswelt es eben essentiell dazugehört, oft auszugehen, Freunde zu treffen und sozial zu interagieren, über diese Menschen muss man sich nicht moralisch erheben oder deren Bedürfnisse als „Luxusprobleme derjenigen, die sich leisten können“ anprangern. Wichtig ist vielmehr, auch hier die richtige Ansprache zu finden.