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Das Echo der Gegenwart in der Vergangenheit

Lesezeit 4 Minuten

Severija Janusauskaite in der Tanzszene im Moka Efti

Deutschsprachige Musik hört man bei der New York Fashion Week wohl auch nicht allzu oft. Doch in diesem Jahr schickte Tom Ford die Models in seiner Frühjahr/Sommer 2019-Show zum Titelsong von „Babylon Berlin“ vor das Publikum. „Zu Asche, zu Staub“ erklang aus den Boxen, als sie über den Laufstieg schritten.

Es belegt die erstaunliche Karriere dieses Liedes, das wohl jeder noch tagelang im Ohr hat, der „Babylon Berlin“ gesehen hat. Zwischenzeitlich stand die Nummer in den Download-Charts auf Platz 1, das Video wurde bei Youtube knapp drei Millionen Mal angeklickt. Seine Interpretin, die bisher hierzulande weitgehend unbekannte litauische Schauspielerin und Sängerin Severija Janusauskaite machte der Song in Deutschland bekannt.

Es ist vor allem die große Tanzszene zu Beginn der ersten Staffel, die sich gemeinsam mit der Musik ins Gedächtnis der Zuschauer gebrannt hat. Da betritt die 37-Jährige in ihrer Rolle als Künstlerin Nikoros die Bühne des legendären Moka Efti. Sie trägt einen schwarzen Smoking, einen schwarzen Ledermantel, Handschuhe und einen Zylinder. Das androgyne Auftreten wird noch durch einen schmalen Schnurrbart verstärkt. Sie lässt an die Tänzerin Anita Berber denken, die im Berlin der 20er mit Smoking und Monokel unterwegs war und die Mode der Zeit entscheidend prägte. Umgeben ist sie von fast nackten Tänzerinnen, die mit ihren Bananenröckchen an Josephine Baker erinnern.

Nikoros hebt in dieser Szene die Arme, bewegt sich abgehakt, fast mechanisch und singt mit starkem russischem Akzent „Zu Asche, zu Staub“. Es ist ein Song, den Regisseur und Drehbuchautor Tom Tykwer und die Musiker Mario Kamien und Nikko Weidemann eigens für die Serie geschrieben haben. In vielen Szenen sei schnell klar gewesen, welche Musik es brauche, so Weidemann, etwa einen Blues-Song in einer Bar, in einer anderen eine Travestie-Nummer. „Die große Unbekannte war aber immer das Moka Efti“, erinnert sich Weidemann an die Entstehung der Serie. Zu Beginn sollte dort Charleston gespielt werden, doch dann wollte Tom Tykwer etwas Neues. Schnell war klar, dass es für die große Tanzszene einen besonderen Song brauchte. „Wenn Nikoros auftritt, müssen der Vorhang der Zeit und der zeitliche Kontext weg sein“, sei die Ansage von Tykwer gewesen, sagt On Screen Music Supervisor Weidemann. „Wie hätte »Relax« von Frankie Goes to Hollywood 1929 geklungen?“, sei die entscheidende Frage gewesen.

Herausgekommen ist ein Lied irgendwo zwischen Marlene Dietrich, Schlager, Kraftwerk und Chanson, das ekstatisch und melancholisch zugleich ist. „Wir bringen die Musik aus der Zeit mit dem zusammen, was wir auch erzählen wollen“, sagt Tykwer. Es gehe darum, das Echo der Gegenwart in der Vergangenheit zu hören. „Wenn man den Song hört, weiß man genau, so einen Song wird es 1929 nicht gegeben haben, aber er ist noch nah genug dran und plausibel instrumentiert, dass es möglich wäre.“

Das Lied fängt die Stimmung, die die Serie verbreitet, perfekt ein. Der Titel erinnert an die Beisetzungsworte „Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub“. Schon im Moment der größten Feier und Ausgelassenheit ist somit die Gefahr des plötzlichen Endes immanent. Vergänglichkeit und Tod lauern überall. Aus Sicht des heutigen Zuschauers, der weiß, was aus der jungen Demokratie der Weimarer Republik wurde, wirkt die Bedrohung noch größer. Es ist der vielzitierte Tanz auf dem Vulkan, der so fasziniert.

Die nächsten Doppelfolgen von „Babylon Berlin“ zeigt das Erste an diesem Donnerstag ab 20.15 Uhr

Text von „Zu Asche, zu Staub“

Zu Asche, zu Staub dem Licht geraubt doch noch nicht jetzt Wunder warten bis zuletzt Ozean der Zeit ewiges Gesetz zu Asche, zu Staub zu Asche doch noch nicht jetzt Zu Asche, zu Staub dem Licht geraubt doch noch nicht jetzt Wunder warten doch noch nicht jetzt Wunder warten bis zuletzt Es ist wohl nur ein Traum das bloße Haschen nach dem Wind Wer weiß es schon genau? Die Uhr an deiner Wand sie ist gefüllt mit Sand leg deine Hand in mein' und lass uns ewig sein Du triffst nun deine Wahl und wirfst uns zwischen Glück und Qual doch kann ich dir verzeih'n Du bist dem Tod so nah und doch dein Blick so klar erkenne mich ich bin bereit und such mir die Unsterblichkeit

Regisseur Tom Tykwer