David Bowie als ComicfigurDer Supermann, der vom Himmel fiel
- Es gibt keinen Popstar, der sich besser als Star eines psychedelischen Comics machen würde als David Bowie.
- Das dachte sich wohl auch der Zeichner Michael Allred und erfüllte sich mit seinem grandiosen Bowie-Comic ganz nebenbei einen Jugendtraum.
- Selbst Bowie-Experten werden staunen, was der Autor an biografischen Details ausgegraben hat.
Köln – In Michael Allreds Superhelden-Serie „Red Rocket 7“ fällt ein rotschöpfiger Alien-Klon vom Himmel und erlebt die gesamte Geschichte des irdischen Rock’n’Roll mit. Der Gemeinte bedankte sich mit einer Zeile in einem Song: „Ich habe mein Leben in einem Comic gesehen“, sang David Bowie 2003 verwundert in „New Killer Star“.
Jetzt hat Allred sich einen Jugendtraum erfüllt und das Leben seines Lieblingsstars ohne weitere fiktionale Umwege in eine Graphic Novel verwandelt. Genauer gesagt, zeichnet der amerikanische Comic-Künstler in „Bowie. Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume“ vor allem den Aufstieg und Fall des Ziggy Stardust nach. Also die Periode von David Bowies verspätetem, aber umso eindrücklicherem Durchbruch von 1971 bis zum Abschiedskonzert der Spiders of Mars im Londoner Hammersmith Odeon am 3. Juli 1973.
Scheinwerfer auf Ziggy Stardust
Ziggys berühmte Ansage, die nicht nur Bowies Fans, sondern auch seine Musiker kalt erwischte – „Das ist nicht nur die letzte Show der Tour, es ist die letzte Show, die wir jemals spielen werden“ – nutzt Allred als Rahmen seiner Geschichte. Aus heutiger Sicht wirkt dieser „Rock’n’Roll Suicide“ wie eine Generalprobe für den letzten Akt von Bowies Karriere, dem rätselhaften Album „Blackstar“, das an seinem 69. Geburtstag, zwei Tage vor seinem Tod, erschien und sich erst durch sein Ableben für zahllose Interpretationen öffnete.
Das könnte Sie auch interessieren:
Dass sich Allred auf die Ziggy-Zeit beschränkt, ist das große Plus des Bandes, denn der außerirdische Glam-Messias eignet sich ideal für seinen Zeichenstil, der Fotorealismus mit fett umrissenen Pop-Art-Konturen (und der traumhaft sicheren Kolorierung seiner Frau Laura Allred) verbindet.
Auf ähnliche Weise erzählen auch die Panels von den alltäglichen, beinahe banalen Treffen und Träumen zwischen jungen Menschen, die sich dann auf der nächsten Seite in großformatigen, surrealistischen Collagen als mythische Rock-Götter entpuppen. Manchmal enträtseln sich Allreds Collagen einfach als buchstabengetreue Illustrationen von Bowie-Songs wie „Saviour Machine“ oder „Life on Mars“, was im Umkehrschluss des Sängers wachsendes Geschick darin zeigt, Bilder heraufzubeschwören, die von jedem verstanden, aber von niemandem enträtselt werden können.
Bowie trifft Dracula
Wer sich weder für Bowie noch für Marc Bolan, Mick Jagger, Iggy Pop – oder für Popkultur überhaupt – interessiert, mag sich an den farbenprächtigen, bewusstseinserweiternden Bildern des Bandes laben, sie allein sind den Preis wert. Wer dagegen, wie der Rezensent, mehr als eine Bowie-Biografie gelesen hat und glaubt, dass ihm die reduzierte Textform eines Comics nichts Neues über David Jones und seine multiplen Persönlichkeiten verraten könne, der wird sich wundern, wie viele obskure Fakten und ungeahnte Querverbindungen Michael Allred und sein Co-Autor Steve Horton hier zutage gefördert haben.
Oder hätten Sie gewusst, dass der noch langhaarige, aschblonde Bowie am Halloweenabend des Jahres 1971 Christopher Lee kennengelernt hat, und dass dieser ihm vorschlug, zusammen ein Album aufzunehmen? Selbstredend lässt es sich Allred nicht nehmen, Lee in seinem Dracula-Kostüm aus den Filmen des „Hammer“-Studios zu zeichnen – und Bowie in seinem „Man-Dress“ als nur allzu willige Jungfrau.
Freilich kommt es nicht zum Biss, doch selbst solche folgenlosen Begegnungen beschreiben das künstlerische und gesellschaftliche Biotop, in dem sich Bowie als ein Rockstar inszenieren konnte, der nicht von dieser Welt ist. „Schau dir diese Fanpost an“, wundert sich ein frisch gefärbter Bowie: „Sie glauben, ich käme aus dem All! Sie glauben echt, ich wär ein Alien!“
Michael Allred, Steve Horton, Laura Allred: „Bowie. Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume“, Cross Cult, 160 S., 35 Euro