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Der Kölner Dom in der KunstEr ragt verteufelt schwarz empor

Lesezeit 4 Minuten
Der Bettler von Köln

Der Stummfilm "Der Bettler von Köln" aus dem Jahr 1927.

Köln – „Das merkwürdigste aller Denkmale“ nennt Friedrich Schlegel die Ruine des unvollendeten Doms. 1804 reist er zusammen mit dem elf Jahre jüngeren Sulpiz Boisserée von Paris nach Köln. Der Kaufmannssohn hat dem Frühromantiker versprochen, ihm eine Professur vor Ort zu besorgen. Schlegel schwärmt, wie alle Romantiker, für die Zeit der Kathedralen, ein mythisch verklärtes Mittelalter. Wäre der Dom nur fertiggestellt, fantasiert er, die gotische Baukunst hätte ein Riesenwerk aufzuzeigen, „was den stolzesten des neuen und alten Roms verglichen werden könnte“.

Ein nachhaltiger Gedanke: Knapp 40 Jahre später gehört Boisserée zu den Gründungsmitgliedern des Zentral-Dombau-Vereins zu Köln, 40 Jahre darauf ist es endlich vollendet, das unterbrochene Riesenwerk. Die Idee vom nachgeholten Mittelalter stößt nicht überall auf Begeisterung. Goethe fühlt sich gerade durch das Unfertige der Kathedrale „an die Unzulänglichkeit des Menschen erinnert, sobald er sich unterfängt, etwas Übergroßes leisten zu wollen“.

Heine und Böll schimpften auf den Dom

Und für Heinrich Heine repräsentiert der „kolossale Geselle“, der so „verteufelt schwarz“ emporragt, gar eine Zeit, in der Dummheit und Bosheit gleich Hunden auf freier Gasse buhlten, wie es im frechen Versepos „Deutschland. Ein Wintermärchen“ heißt. Die Zeile „Er wird nicht vollendet“, wiederholt der Düsseldorfer Dichter wie eine Beschwörungsformel – genutzt hat es nichts.

Noch 1966 schimpft Heinrich Böll die Domvollendung einen „geschichtlichen Irrtum“, „ohne Türme wäre er ja auch viel schöner“. Das findet auch der niederländische Architekturtheoretiker Joost Meuwissen. Der lästert 2014 in einem Vortrag an der Kunsthochschule für Medien: Das Zwischenstück sei zu kurz geraten, der wichtigste Teil – die Kreuzung der beiden Schiffe – werde nur von einem kleinen Türmchen betont, während die großen Türme viel zu breit seien und deren Spitzen wiederum zu klein für ihre Höhe. Windschiefer stand die Hohe Domkirche selten da.

Tranströmer

Tomas Tranströmer mit seiner Frau Monica im Kölner Dom im Jahr 2012.

Wie viel gewichtiger klingt sie dagegen in Tomas Tranströmers Gedicht „Tief in Europa“: „Der schwarz gewordene Dom, schwer wie ein Mond, macht Ebbe und Flut.“ Als der schwedische Literaturnobelpreisträger 2012 zur lit.Cologne nach Köln kommt, besucht er die Kathedrale mit seiner Ehefrau und ist wie schon bei seinem ersten Besuch 35 Jahre zuvor tief beeindruckt.

Weniger bewegt ist Fjodor M. Dostojewski. Im Juni 1862 führt ihn seine erste Auslandsreise auch nach Köln. Schon in seiner Jugend, schreibt Dostojewski, habe er den Dom mit Ehrfurcht nachgezeichnet. Doch Bewunderung weicht Enttäuschung: „Er kam mir wie ein Galanteriegegenstand vor, der nur aus Spitzen und Spitzen und nichts als Spitzen bestand, oder wie irgend so ein Ding, das als Briefbeschwerer auf den Schreibtisch zu stellen ist, allerdings von guten siebzig Faden Höhe.“

Ende Juli kehrt der russische Autor nach Köln zurück. Plötzlich betrachtet er das Bauwerk mit anderen Augen. Er hätte ihn „auf den Knien um Verzeihung bitten mögen, weil ich seine Schönheit das erste Mal nicht begriffen hatte“. Endlich stellt sich die Ehrfurcht ein, die er in Russland gespürt hat. Gefehlt hat nur ein Sonnenstrahl: „Hätte er bereits während meines ersten Aufenthaltes den Dom so beleuchtet, wie er es erst bei meinem zweiten tat, dann wäre der Dom mir sogleich in seinem richtigen Lichte erschienen und nicht so wie an jenem trüben und sogar regnerischen Morgen, der in mir nur eine Aufwallung gekränkter Vaterlandsliebe zuließ.“

Die Pet Shop Boys zitieren das Richter-Fenster

Dieser Tage betrachten Dom-Besucher die einfallenden Sonnenstrahlen vorzugsweise gebrochen durch die – schreibt der damalige Kunstkritiker dieser Zeitung – „göttlichen Farbpixel“ des von Gerhard Richter entworfenen Südquerhausfensters.

Das im August 2007 eingeweihte Richter-Fenster geht nicht nur in die Kunst-, sondern auch sogleich in die Popgeschichte ein: Zwei Jahre später zitieren die Pet Shop Boys dessen Farbquadrate auf dem Cover ihres zehnten Studioalbums „Yes“: Hier bilden sie ein simples Häkchen.

Richterfenster

Das Richter-Fenster

30 Jahre zuvor hat Andy Warhol die Kathedrale in seiner Reihe „German Monuments“ abgehakt, in ehrfürchtiger Untersicht fotografiert, aber mit einem poppig pinken Dreieck unterlegt. Seitdem dient Heines kolossaler Geselle immer mal wieder als Sakralkulisse großer Pop-Ereignisse: Für Frank Sinatra in den 1990ern, R.E.M. im Mai 2001, oder zuletzt für Tom Jones und die Pixies. Und die Bläck Fööss können selbstredend nur hier ihren 50. Geburtstag feiern.

In den 90ern besucht auch Yoko Tsuno, die japanische Comic-Heldin aus der Feder des belgischen Zeichners Roger Leloup, den Dom. Im Band mit dem Titel „Rheingold“ tummeln sich Roboter, Meuchelmörder und Waffenhändler rund um die Kathedrale.

Noch wilder geht es nur in Rudolf Randolfs Stummfilm „Der Bettler vom Kölner Dom“ aus dem Jahr 1927 zu. In dem quartiert sich ein James-Bond-Vorfahre im Excelsior Hotel mit Domblick ein, um einer rund um das merkwürdigste aller Denkmale agierenden Diebesbande das Handwerk zu legen. Und das inmitten des Kölner Karnevals.