Mit „Glückliche Tage“ inszeniert das Deutsch-Griechische Theater in Köln ein skuriles Stück über eine Figur, die in einem Stein steckt.
Deutsch-Griechisches Theater„Glückliche Tage“ ist ein eheliches Endzeitszenario
„Weite versengte Grasebene, in der Mitte ein kleiner Hügel. Größte Einfachheit und Symmetrie. Grelles Licht.“ So steht es in Samuel Becketts Regieanweisung für „Glückliche Tage“. Auf der Bühne des Urania-Theaters wird Becketts Anweisungen weitgehend Folge geleistet - nur, dass im Hintergrund auf der großen Leinwand der Sternenhimmel den Zuschauern den Blick ins Universum öffnet.
Der Ausblick ins All bleibt Wiennie allerdings verwehrt. Sie steckt in einer Felsformation fest, die nur noch ihren Oberkörper freigibt. Eine Gestalt wie aus der Zeit gefallen: mit ihrer Fuchsstola und dem Gestus einer Grand Dame, deren Lippenstift allerdings so überakzentuiert und verschmiert ist, dass sie wie ein trauriger Clown daherkommt.
Deutsch-Griechisches Theater inszeniert in Köln Samuel Becketts Stück
Immer um Kontrolle, Contenance und Haltung ist sie bemüht, die sie nur kurzzeitig verliert. Dann scheint hinter der Fassade die Angst und Verwirrung durch. Regisseur Kostas Papakostopoulos nimmt sich bei seiner Inszenierung für das Deutsch-Griechische Theater (DGT) klug zurück, überlässt der Schauspielerin Lisa Sophie Kusz und dem Text von Samuel Beckett die Bühne.
Kusz spielt Winnie großartig als tragikomische Säulenheilige, mit dem gewohnt engen Bewegungsradius. Aus dem großen Sack neben ihr holt sie einen Spiegel hervor, eine Zahnbürste, die Brille, eine Lupe, um lesen zu können, was auf der Zahnbürste geschrieben steht: „Voll garantierte ... echte reine ... Barchborsten.“ Ihre Worte richtet sie an Willie (Vassilis Nalbantis), der ihr später erklären wird, was ein Barch ist ("kastriertes männliches Schwein, zum Schlachten gemästet").
Das Stück erinnert an die Skurilität von Ingmar Bergmanns „Szenen einer Ehe“
Lange ist Willie nicht zu sehen. Kriecht wie ein Vierbeiner hinter dem Felsen herum und gibt zwischen Ächzen und Stöhnen kaum artikulierte Laute von sich. Eher stumme Ansprechmöglichkeit als Partner, damit die Worte, die aus ihr nur so heraussprudeln, nicht ins Leere gesprochen werden. Letzter Zufluchtsort vor dem drohenden Zukunftsszenario der Einsamkeit, für das man sich wappnen muss, wie für das Ende, den Tod.
Das alles ist ganz konkret als sinnliche Situation zu erleben. Eine Szenerie wie eine skurrile Mischung aus Ingmar Bergmanns todernsten „Szenen einer Ehe“ und den komischen Beziehungssketchen eines Loriot. Beziehungsreich wie alle Texte von Beckett, lässt sich das seltsame Treiben dieser beiden traurigen Komplizen eines ehelichen Endzeitszenarios natürlich auch aktuell und hochpolitisch lesen. Sind doch die Katastrophen Klima, Krieg und Krise längst Wirklichkeit und kaum noch zu bändigen.
Hauptfigur Winnie erlebt trotz allem „Glückliche Tage“
Wenn Winnie trotz allem oder gerade deshalb immer wieder „Glückliche Tage“ heraufbeschwört, während die Sonne erbarmungslos das Paar zu versengen droht, ist der Stachel gesetzt, der das Publikum zum Widerspruch anregen soll. Die groteske Zweierkonstellation wird zur sinnfälligen Parabel einer Welt am Abgrund. Und einer Menschheit, die das Heft des Handelns gegen eine lethargische Lakonie eingetauscht hat.
Mit stoischem Stolz sucht Winnie das Heil in Erinnerungen. Zitate berühmter Dichter tauchen in ihren zu Monologen geratenen Gesprächen auf, Erinnerungen an frühere Zeiten, als kurz ein Glücksversprechen auftauchte, das nie eingehalten wurde, an dem sie aber umso trotziger festhält. Im zweiten Akt versinkt Winnie noch tiefer in der Erde, nur ihr Kopf ist noch zu sehen. Das hindert sie nicht daran, sich weiterhin einzureden, dass sie „trotz allem“ glückliche Tage hat. Ihr Mann rafft sich nun zu einer letzten Kraftanstrengung auf. Man muss sich – mit Albert Camus gesprochen – dieses Sisyphus-Paar als glückliche Menschen vorstellen – und sei es nur einen Tag lang.
Zur Veranstaltung
Glückliche Tage von Samuel Beckett. Nächste Termine: 24., 25. ,26. 3., 20 Uhr, Urania-Theater, 9. + 10.5., Comedia Theater