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Garantiert ohne Wham!Standard-Songs ade: Eine alternative Playlist für das Weihnachtsfest

Lesezeit 9 Minuten
ARCHIV - 30.11.1999, ---: Der amerikanische Sänger und Schauspieler Bing Crosby (undatiert). «White Christmas», gesungen von Bing Crosby, gilt als die meistverkaufte Single der Welt. (zu dpa: ««White Christmas»-Jubiläum: Unter Palmen Sehnsucht nach Schnee») Foto: UPI/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Bing Crosby darf mit seinem „White Christmas“ eigentlich in keiner Weihnachts-Playlist fehlen. In unserer alternativen Weihnachtslieder-Sammlung kommt er allerdings nicht vor.

Wir stellen unsere liebsten Weihnachtslieder vor - jenseits von „Last Christmas“ von Wham! oder „White Christmas“ von Bing Crosby. Eine Inspiration für Ihr Weihnachtsfest.

„Have Yourself A Merry Little Christmas“ – Cat Power (2013)

Wenn milliardenschwere Großkonzerne ein Talent haben, dann ist es wohl dieses: Konsumentinnen und Konsumenten in der Vorweihnachtszeit kollektiv zum Schluchzen und Heulen bringen. Die „Heimkommen“-Kampagne mit dem einsamen Opa aus der Edeka-Werbung von 2015 gilt als Meilenstein der rührseligen Weihnachtswerbespots – aber auch Konzerne wie Coca-Cola, Samsung oder Amazon drücken Jahr für Jahr auf die Tränendrüse.

Schon 2013 versuchte sich Apple an einem herzzerreißenden Spot mit dem Titel „Misunderstood“ (Missverstanden). Darin daddelt ein Teenager tagelang auf seinem iPhone herum – nur um seiner Familie anschließend einen wunderschönen, selbstproduzierten Weihnachtsfilm zu präsentieren, der so viel Familienglück versprüht, dass er sogar die Oma zum Weinen bringt. Im Hintergrund läuft die überaus ruhige und friedliche Neuinterpretation des Klassikers „Have Yourself A Merry Little Christmas“ der US-Country-Musikerin Cat Power. Ein Song, der trotz des Werbespots heute kaum bekannt ist – und dringend mehr Aufmerksamkeit verdient.

„It‘s December“ – Audrey Hannah (1999)

Wir schreiben das Jahr 1999 – und damit die Hochphase des Plastikpop. In diesem Jahr versuchen auch deutsche Musikmanager ein Stück vom Kuchen abzubekommen und schicken zahlreiche Popsternchen ins Rennen, mit dem Plan, eine „deutsche Britney Spears“ auf dem Musikmarkt zu etablieren. Eine Künstlerin, der dieses Etikett damals angehaftet wird, ist die deutsch-kanadische Radiomoderatorin Audrey Hannah.

1999 steigt ihr Song „It‘s December“ bis auf Platz 27 der Single Charts und läuft auch heute noch im Vorweihnachtsprogramm mancher Radiosender. Der ganz große Erfolg des Stücks bleibt aber aus. Das ist fast ein bisschen erstaunlich, denn „It‘s December“ ist ziemlich gut gealtert. Im Song sind – untermalt von Glöckchengebimmel – feinste 2-Step-Sounds zu hören, die auch heute noch oft in moderner Pop- und Dancemusik verwendet werden. Obwohl der Song bereits 25 Jahre auf dem Buckel hat, steht er manch einer modernen Produktionen in nichts nach – und Audrey Hannah war ihrer Zeit in gewisser Weise voraus. Von den Frühwerken von Britney Spears lässt sich das nicht zwangsläufig behaupten.

„Merry Christmas, Mr. Lawrence“ – Ryuichi Sakamoto (1983)

1983 erscheint ein Anti-Kriegs-Film mit dem Namen „Furyo“ („Kriegsgefangener“) in den japanischen Kinos – und wird anschließend zum weltweiten Erfolg. Er erzählt die Geschichte des britischen Major Celliers, der in ein japanisches Kriegsgefangenenlager verlegt wird. Celliers wird gespielt von Popstar David Bowie.

Passend zum Film erscheint ein Soundtrack, der insbesondere den Titelsong „Merry Christmas, Mr. Lawrence“ des japanischen Komponisten Ryuichi Sakamoto enthält. Das Originalstück ist ein ruhiger Achtzigerjahre Synthwave-Hit – Kultstatus haben aber mittlerweile vor allem die Piano-Interpretationen des 2023 verstorbenen Sakamotos. Wer es nicht ganz so besinnlich mag, für den gibt es längst auch zahlreiche Dance-Remixe wie die Neunzigerjahre-Version von DJ Quicksilver oder die Deephouse-Variante der italienischen Produzenten Nightbirds. In den USA und Japan ist das Instrumentalstück zum festen Bestandteil der Vorweihnachtszeit geworden – in Deutschland ist es hingegen kaum zu hören. Zeit, dass sich das ändert.

„Shake Up Christmas“ – Train (2010)

Nein, dieser Song soll nicht als Schleichwerbung fungieren – auch wenn ich nach den ersten Sekunden das plötzliche Verlangen nach einem überzuckerten Koffeingetränk in einer Glasflasche verspüre. Doch tatsächlich katapultiert mich dieser Song immer wieder zurück in meine Kindheit.

Ich kann mich zu gut an den Moment erinnern, in dem ich zum allerersten Mal den großen roten Truck auf dem Marktplatz meiner Heimatstadt bewunderte. Auch wenn ich mir wohl eingestehen muss, damit früh der Welt des Konsums zum Opfer gefallen zu sein – eine schöne Erinnerung ist es dennoch immer wieder. Und grandioses Marketing sowieso.

„Alle Jahre wieder“ – KUMMER (2019)

Wer kennt sie nicht, diese immer gleichen Sätze am Esstisch? „Früher lag immer schon Schnee um die Zeit“ oder „Steck mal das Handy weg“. Wenn zum Fest der Liebe die Familie zusammenkommt, treffen automatisch mehrere Generationen aufeinander. Ungleiche Ansichten führen dann nicht selten zu Konflikten, die die besinnliche Stimmung trüben können.

In seiner bissigen Generationenkritik bringt es KUMMER (bürgerlich Felix Kummer, auch bekannt als Sänger der Rap-Rock-Band Kraftklub) auf den Punkt. Der eher untypische Weihnachtssong vermittelt ein Gefühl, welches der jüngeren meinungsstarken Generation bekannt vorkommen könnte.

„Weihnachtslied 2023“ – 01099 (2023)

Deutschrap muss nicht immer düster und kritisch sein: Jedes Jahr aufs Neue veröffentlicht die Dresdner Gruppe 01099 einen Weihnachtssong, der vor allem die junge Generation abholen soll. Spätestens seit ihren Hits „Frisch“ und „Durstlöscher“ sollten Gustav, Paul und Zachi aber auch über die junge Generation hinaus an Bekanntheit gewonnen haben.

Angepasst an den musikalischen Zeitgeist trifft 01099 mit ihrem „Weihnachtslied 2023″ die perfekte Mischung aus besinnlich-weihnachtlichen Klängen, Autotune und den Band-typischen Elektrobeats.

„Run, Rudolph, Run“ – Bryan Adams (1987)

Eigentlich wählt man bei Chuck-Berry-Songs immer das Original aus den Fünfzigerjahren. Die Coverversion von „Run, Rudolph, Run“ des Kanadiers mit der Kratzestimme von 1987 hat allerdings um einiges mehr Energie. Derart von Bryan Adams aufgeladen kann man im Wald seinen Weihnachtsbaum ausreißen. Rock‘n‘Roll!

„Christmas (Baby Please Come Home)“ – U2 (1987)

Und noch eine Coverversion. U2 widmen sich Darlene Loves Original von „Christmas“ (1963) mit Ehrfurcht und erzeugen dabei eine mindestens so mächtige Wall of Sound wie Phil Spector, der Produzent des Originals. Schwulst mit ordentlich Puls – ein Ohrwurm wie Mariah Careys „All I Want for Christmas Is You“.

„Ding Dong Ding Dong“ – George Harrison (1974)

Eigentlich ein Neujahrssong („Läute das Alte aus, läute das Neue ein“), der aber ob des Westminsterschlags der Big-Ben-Glocken total weihnachtlich klingt. Dass der Ex-Beatle darin auch seine Ehekrise besingt, merkt niemand. Dass es auch um seine alte Band geht, darauf immerhin deutet das Video hin. Und den Refrain kann wirklich jeder mitsingen. Süßer die Glocken selten klangen.

„Something Magical“ – Daði Freyr (2021)

Beim Eurovision Song Contest 2021 reichte es für Daði Freyr zwar nur für den vierten Platz, aber der Track „Think about things“ ging trotzdem viral – dank Tiktok-Tanzvideos und Support von Jan Böhmermann. „Something Magical“ klingt ähnlich funky und leichtfüßig. Viel Rasseln, viel Autotune und viel unaufgeregte Ironie – alleine das Video. „Ich kann nicht glauben, dass es wieder passiert. Genau wie letztes Jahr. Und das Jahr davor. Und das Jahr davor. Und das Jahr davor…“, singt Freyr. „Die Weihnachtszeit hat etwas Magisches“.

Dazu bewegt sich ein Mund, der auf einen Weihnachtsmann im Schlitten montiert ist, der gezogen wird von Büffeln – ja, genau. Aber irgendwie passt es. Wer noch mehr hören will: „Something Magical“ ist der Opener des Anfang November veröffentlichten Albums „How Daði stole Christmas“.

„ugly christmas sweater party“ – girlhouse (2020)

Nicht immer geht es Menschen gut, wenn es Menschen gut gehen sollte. Das ist besonders schwierig auszuhalten an Weihnachten. In „ugly christmas sweater party“ singt Lauen Luiz aka girlhouse über eine Trennung: „Ich dachte, wir könnten uns verstecken, dachte, die Weihnachtslieder würden es übertönen“ und „Alle unsere Lügen sind jetzt mit Lametta bedeckt“.

Das ist traurig, aber „ugly christmas sweater party“ ist kein trauriges Lied. Es ist melancholisch, aber so zart und voller Wärme, dass man sich darin einkuscheln möchte. Ein Lied, dass man am besten früh morgens hört. Noch im Bett liegend, mehr dösend denn wach. Vielleicht am ersten oder zweiten Weihnachtstag, den einzig ruhigen Moment des Tages genießend.

„White Winter Hymnal“ – Fleet Foxes (2008)

Es ist zwar kein klassisches Weihnachtslied, aber „White Winter Hymnal“ von Fleet Foxes ist ein Indie-Klassiker. Der Track ist das Herzstück des Debüts der Band aus dem Jahr 2008 und noch heute einer der bekanntesten Lieder der fünf US-Amerikaner. Das liegt auch daran, dass die kunstvoll aufgetürmten Folk-Pop-Melodien und der mehrstimmige Gesang einen perfekt kalkulierten Sog entwickeln.

Einer, der einen mitreißt, an verschneite Wälder denken lässt, an kalte, klare Luft, aber der einen nie verschluckt. Produziert wurde das Album übrigens von Phil Ek, der auch am charakteristischen Klang der Indie-Größen The Shins feilte. „White Winter Hymnal“ sollte auf keiner auch nur annähernd winterlichen Playlist fehlen.

Dio, Iommi, Sarzo, Wright – „God Rest Ye Merry, Gentlemen“ (2008)

Singt ihr ruhig von rotnasigen Rentieren, hier kommen Black Sabbath. Zumindest in halber Besetzung der Heaven-and-Hell-Ära, mit dem wichtelgleichen Ronnie James Dio in all seiner stimmlichen Operettenhaftigkeit, mit Tony Iommi, dem düsteren Saiten-Santa.

Gemeinsam mit Dios Soloband-Kämpen Rudy Sarzo (Ex-Quiet Riot) und Simon Wright (Ex-AC/DC) verdunkeln sie das traditionelle englische Weihnachtsliedchen „God Rest Ye Merry, Gentlemen“ zu einer schleppend-doomigen Sabbath-Messe. Ein kohlschwarzes Krippenspiel, aufgeführt auf dem ohnehin empfehlenswerten All-Star-Sampler „We Wish You a Metal Christmas and a Headbanging New Year“.

Elton John – „Ho! Ho! Ho! (Who‘d Be a Turkey at Christmas)“ (1973)

Weihnachten 1973, nach einem Jahr voller Bescherungen. Elton John hat in den zurückliegenden Monaten zwei Nummer-eins-Alben rausgebracht („Don‘t Shoot Me I‘m Only the Piano Player“, „Goodbye Yellow Brick Road“), nun serviert er zum Fest die Single „Step Into Christmas“.

Die B-Seite ist aber fast noch schmackhafter. Klassischer Elton-John-Klamauk zum besinnungslos-besinnlichen Mitschwanken: „Sittin‘ here on Christmas Eve with a brandy in my hand / Oh, I‘ve had a few too many and it‘s gettin‘ hard to stand“.

The Greedies – „A Merry Jingle“ (1979)

Wenn selbst bizarrste Wünsche wahr werden, dann ist Weihnachten. Phil Lynott, Scott Gorham, Brian Downey, Steve Jones und Paul Cook kommen 1979 zusammen, um unter dem Namen The Greedies eine ungeschliffene Punk-Rock-Nummer unter den Christbaum zu legen.

Hinter den Musikern verbirgt sich fast die gesamte Thin-Lizzy-Belegschaft, angereichert mit dem halben Sex-Pistols-Kader. Eine der ganz seltenen Blüten in Gottes Garten der Supergroups. „A Merry Jingle“ ist dabei, rein inhaltlich, eigentlich nichts Besonderes. Aber die Verpackung schimmert so herrlich schrill. Und was währe Weihnachten ohne ein (un)gepflegtes Äußeres?

Pe Werner – „Ne Prise Zimt“ (2013)

Heutzutage bestimmen vor allem englischsprachige Songs die Charts der Weihnachtslieder. Dabei gibt es auch sehr schöne deutschsprachige Songs, die einen in Weihnachtsstimmung versetzen. „Ne Prise Zimt“ von Pe Werner nimmt einen mit auf die Reise in die Heimat zu Weihnachten.

Thematisch erinnert das Lied an den Klassiker „Driving Home For Christmas“ von Chris Rea, musikalisch hingegen weist es nochmal andere Facetten auf. Das Lied spiegelt die Atmosphäre von Weihnachten wider, der man sich einfach nicht entziehen kann.

Roger Cicero – „Bin heute Abend bei dir“ (2007)

Weihnachten und Jazz gehören einfach zusammen. Die meisten werden hier sofort an Michael Bublé und sein Weihnachtsalbum denken, aber es gibt auch viele deutschsprachige Jazzmusiker, die Weihnachtshits veröffentlicht haben. Wie beispielsweise der Sänger Roger Cicero, der so manchen Hörer mit seinem Lied „Bin heute Abend bei dir“ zum Jazzfan gemacht hat.

Besonders das augenzwinkernde Ende bleibt vielen im Gedächtnis. Roger Cicero starb 2016 im Alter von 45 Jahren – mit seinen Songs prägt er die deutsche Jazzwelt bis heute.

Norah Jones – „Christmas Calling“ (2021)

Kerzen, eine kuschelige Decke und Norah Jones. Mit „Christmas Calling“ verzaubert die Sängerin mit der sanften Stimme jedes Wohnzimmer in ein gemütliche Weihnachtsoase.

Perfekt für einen träumerischen Abend mit heißer Schokolade und leckeren Spekulatius.