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„Die schmutzigen Hände“Das Kind als Vater des Mannes

Lesezeit 5 Minuten

Vater und Sohn im Bühnenkostüm: Links Ilian Dexl (18), rechts Nikolaus Benda (40)

Köln – Es gibt einen Moment in Jean-Paul Sartres „Die schmutzigen Hände“, da schaut der junge Revolutionär Hugo in den Spiegel. Ob er sich schön finde?, will seine Mitgenossin Olga wissen. Hugo aber antwortet: „Ich schaue, ob ich meinen Vater ähnlich bin.“ Nikolaus Benda, Jahrgang 1978, spielt diesen ödipalen Revoluzzer in Bastian Krafts Kölner Inszenierung. Die versetzt Sartres Polit-Thriller in ein Kabinett aus echten und falschen Spiegeln. Wenn Benda als Hugo in den Spiegel blickt, sieht er jedoch nicht seinen Vater. Er sieht mal sich selbst, mal seinen Sohn, Ilian Dexl.

„Ob ich meinen Vater ähnlich sehe?“, sagt Ilian Dexl. „Am ehesten vielleicht noch bei der Nase, oder bei anderen, klitzekleinen Ähnlichkeiten.“ Eher, schätzt der 18-jährige Abiturient, sei er dem Vater von der Art her ähnlich, unbewusst übernähme man doch so einiges. „Man nimmt das selber ja nie so wahr“, ergänzt Benda, „auch wenn viele behaupten, dass wir uns sehr ähnlich sehen.“ Etwa die Dramaturgin Sibylle Dudek. Sie war es, die den Sohn als Bühnen-Doppelgänger des Vaters vorschlug.

„Das Theater ist für mich eine Anlaufstation“

„Ich habe eine Nacht darüber geschlafen“, sagt Dexl, „aber nicht lange gezweifelt.“ Im Gegensatz zu vielen seiner Altersgenossen kenne er das Bühnenleben ja von klein auf, auch die Mutter ist vom Fach und beide Großeltern väterlicherseits waren ebenfalls Schauspieler. „Das Theater ist für mich eine Anlaufstation. Ich gucke mir die Stücke von Papa an, ich kenne die Leute hier. Und die Arbeitsweise und das Ambiente finde ich schön.“

Das erste Mal stand Ilian Dexl bereits mit acht Jahren auf der Bühne. „Damals haben ich und ein Kumpel in St. Gallen die zwei kleinen Kinder in „Das Gespenst von Canterville“ gespielt. Das hat großen Spaß gemacht, wir konnten einfach mit Wasserpistolen rumspritzen und Kissenschlachten machen.“

Der Vater will ihn davon weder abraten, noch ihn hineindrängen

Ob er nun in dritter Generation Schauspieler werden will? „Die Frage wurde mir natürlich schon oft gestellt. »Nein, danke!«, habe ich dann immer gesagt,»davon haben wir schon zu viel in der Familie.«“ Eine kurze Pause, dann setzt Dexl hinzu: „Aber tendenziell spiele ich schon mit dem Gedanken.“

Der Vater will ihn davon weder abraten, noch ihn hineindrängen. „Ich habe volles Vertrauen in das, was Ilian entscheiden wird. Hauptsache ist, dass man in seinem Leben etwas macht, das man unbedingt machen will.“ Für Ilians jüngere Schwester, sie ist neun, stünde indes schon fest, dass sie einmal Schauspielerin werden will und auch Bücher schreiben.

„Für mich war es immer klar, dass ich das wollte“

Benda selbst kann sich nicht daran erinnern, jemals konkret beschlossen zu haben, Schauspieler zu werden. „Für mich war es immer klar, dass ich das wollte. Ich wusste, ich will mich ausdrücken. Was ich natürlich noch nicht wusste, war, was das konkret heißt, ob man damit Geld verdienen kann, und so weiter.“ Und später waren ihm alle mahnenden Argumente – von mageren Gagen bis zu schließenden Theatern – einfach „herzlich wurscht“. Wie das eben so ist, wenn man sich einer Sache mit Leib und Seele verschrieben hat.

Nicht nur die Schauspielereltern haben ihn den Wunsch in die Wiege gelegt. Schon die Großeltern auf Seite der Mutter standen auf der Bühne: „Mein Großvater war Geiger, meine Großmutter hat gesungen, sehr schön gesungen. Sie war auch eine äußerst prägnante Persönlichkeit.“

Erste Schauspiellehrerin war entscheidend

Allerdings habe er lange mit dem tatsächlichen Spielen gezögert, schloss sich erst mit 15, 16 Jahren einer Theatergruppe an. „Aber auch da habe ich mich zuerst hin gequält. Dieses Aus-sich-rausgehen und Aufmachen, da hatte ich immer ein bisschen Schiss vor.“ Entscheidend sei seine erste Schauspiellehrerin, Sibylle Sohl, in Frankfurt, gewesen, „die war streng und hat mich extrem gefordert, und irgendwann ging der Knopf auf und da war dann endlich klar, dass ich diesen Weg wirklich gehen werde.“

Nach Stationen in St. Gallen und dem Zürcher Theater am Neumarkt, holte ihn Karin Beier zur Spielzeit 2011/12 ins Kölner Ensemble. „Wegen ihr und dem Theater bin ich hier her hingekommen, und als Stefan Bachmann übernahm hatte ich das Glück in Köln bleiben zu können. Die Kinder waren ja schon eingeschult oder im Kindergarten.“

Kommunistisches Engagement als Jugendsünde abgetan

In der bereits erwähnten Szene aus „Die schmutzigen Hände“ berichtet Hugo der Genossin Olga vom Groll auf den eigenen Vater, der sein kommunistisches Engagement als Jugendsünde abgetan hat: „Auch ich war mal in einer revolutionären Organisation und dir wird es genauso vergehen wie es mir vergangen ist.“ Daran müsse er nun immer denken, sagt Hugo, wenn er in den Spiegel blicke.

Was Sartre hier verhandelt, ist wahrscheinlich so alt wie das Theater selbst. „Man ist an der Schwelle dazu dasselbe zu tun, wie der eigene Vater“, erläutert Benda. „Gleichzeitig hat man den totalen Drang danach, sich abzustoßen, es anders zu machen als der Vater, seine eigenen Spuren zu hinterlassen.“ Diesen Konflikt als Vater und Sohn auf der Bühne spielen zu können, sagt Benda, sei selbstredend etwas ganz Tolles. Und sei für Ilian letztlich auch der Grund gewesen, zuzusagen.

„Mich interessiert, was die Eltern machen“

Auch wenn das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, zwischen Vätern und Söhnen heute längst nicht mehr so spannungsgeladen ist, wie noch vor einigen Generationen. Das eigene Leben muss zwar jeder für sich selbst finden, doch der Abgrenzungsdrang von Sartres Hugo treibt Ilian Dexl nicht mehr um.

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„Mich interessiert, was die Eltern machen“, sagt der junge Mann. „Im Gegensatz zu manch anderen Gleichaltrigen wusste ich jedenfalls genau, was meine Eltern arbeiten. Für mich war das ich immer eine Bereicherung.“