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Kommentar

„Band Aid“-Single
Bob Geldof hat viel bewegt, aber jetzt sollte er zuhören

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Lesezeit 3 Minuten
Pressekonferenz im Wembley-Stadion, London, mit Musikern wie Elton John, Bob Geldof von der Band Boomtown Rats, Gary Kemp und Tony Hadley von Spandau Ballet und Midge Ure, die für das Live-Aid-Konzert werben, das am 13. Juli 1985 in Wembley stattfindet. Pressekonferenz im Wembley-Stadion, London, mit Musikern wie Elton John, Bob Geldof von der Band Boomtown Rats, Gary Kemp und Tony Hadley von Spandau Ballet und Midge Ure, die für das Live-Aid-Konzert in Wembley am 13. Juli 1985 werben.

Bob Geldof (Mitte) bei der Live-Aid-Pressekonferenz im Wembley Stadium

Ed Sheeran distanziert sich von der „Band Aid“-Weihnachtssingle „Do They Know It's Christmas?“. Da macht er es sich einfach. Recht hat er trotzdem.

Man kann Bob Geldofs Ärger verstehen: Der Live-Aid-Organisator erregte sich angesichts der Kritik Ed Sheerans an der Wiederauflage von „Do They Know It's Christmas?“. Sheeran hatte vor zehn Jahren einige neue Zeilen für das Stück aufgenommen, die auch in der Version verwendet werden, die jetzt zum 40. Geburtstag der Wohltätigkeits-Popsingle erschienen ist.

Hätte man ihn gefragt, er hätte dankend abgelehnt, sagte Sheeran in einem Statement und verwies auf den ghanaisch-britische Künstler Fuse ODG, der Geldofs „Band Aid“-Initiative vorwirft, ein negatives Bild von Afrika in der Welt zu zementieren, das den Kontinent Wirtschaftswachstum, Tourismus und Investitionen koste.

Benutzt Ed Sheeran abstrakte Wohlstands-Welt-Argumente?

Worauf der Kritisierte konterte, „der kleine Pop-Song“ habe das Überleben von Millionen Menschen gesichert. Der Einwurf des „Shape of You“-Sängers sei bloß ein „abstraktes Wohlstands-Welt-Argument“. Wie gesagt: Man kann Geldofs Ärger verstehen, hinter „Do They Know It's Christmas“ stehen die besten Absichten, die Zahlen sprechen für sich und Sheerans nachgereichtes Gemecker klingt nach Gratismut.

Recht hat er trotzdem: Das Lied klingt nicht allein für heutige Ohren nach einer radiofreundlichen Fortsetzung von der „Bürde des weißen Mannes“, Rudyard Kiplings berüchtigter Kolonialismus-Rechtfertigung. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Beim weißen Retterkomplex? Bei der eurozentrischen Wahrnehmung von Afrika als einer homogenen, von den Almosen des reichen Westens abhängigen Wüste, „wo niemals etwas wächst“? Oder bei der Tatsache, dass die von der Hungersnot betroffenen Äthiopier als eine der ältesten christlichen Gemeinde der Welt sehr wohl wissen, wann Weihnachten gefeiert wird?

Auch Bono hat seine Zeile in „Do They Know ...“ geändert

Bob Geldof selbst war vor 15 Jahren weiter, als er sich – nur halb im Scherz – verantwortlich für zwei der schlechtesten Songs aller Zeiten erklärte („We Are the World“, die US-Antwort auf „Do They Know ...“ ist der zweite). Und Bono hatte seine oft beanstandete Zeile „Well tonight thank God it's them instead of you“ („also Gottseidank sind heute mal die andern dran, und nicht wir“, laut SWR3-Übersetzung) in der 2014er-Version in ein unverdächtiges „well tonight we're reaching out and touching you“ abgeändert.

Es gibt bessere Reaktionen als reflexartiges Eingeschnapptsein und „Woke“-Geschimpfe. Es ist ja keine innerwestliche Debatte, wie Geldof behauptet, es waren zuerst Stimmen aus verschiedenen Ländern Afrikas, die den spätkolonialen Ton der Popstars beanstandeten. Das Herz am rechten Fleck zu haben, entbindet noch lange nicht von der Notwendigkeit, andere Argumente zu hören und gegebenenfalls dazuzulernen.

Außerdem: Man schmäht weder Intention noch Ergebnis von „Do They Know It's Christmas“, wenn man feststellt, dass der Text und die Einstellungen hinter der Single bereits damals, vor 40 Jahren, höchst fragwürdig waren.