Vor 40 Jahren erschien das erste Album des britischen Pop-Duos Wham! Eine Netflix-Doku zeichnet die Erfolgsgeschichte nach.
Doku über Wham!Wie zwei Schulfreunde beschlossen, Popstars zu werden
Im Jahr 1984 trommelten Bob Geldorf und Midge Ure einige der größten Popstars ihrer Zeit für das Projekt Band Aid zusammen. Der Weihnachtssong „Do They Know It's Christmas?“ sollte Geld für die Betroffenen einer Hungersnot in Äthiopien sammeln.
Einer der anwesenden Künstler war George Michael. Doch der konnte während der Aufnahme nur daran denken, dass dieses Lied mit Sicherheit auf Platz 1 der Charts landen würde - und damit seine sicher geglaubte vierte Topplatzierung verhindern würde. „Ich musste ständig mit diesem kleinen, fiesen Ego-Ding kämpfen, das die ganze Zeit Scheiße, Scheiße rief“, erinnerte er sich später. Denn sein Masterplan sah vor, dass der neue Wham!-Song „Last Christmas“ zum Hit des Jahres werden sollte.
Es kam anders. Einer der größten Ohrwürmer aller Zeiten schaffte es tatsächlich nur auf Platz 2. Für den ehrgeizigen George Michael war das ein Schlag. Irrational sei das gewesen und entstanden aus einem Gefühl der Angst. Denn wie eine neue Netflix-Doku nun, 40 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Wham!-Albums, zeigt, war die Unsicherheit ein ständiger Begleiter im Leben des Georgios Kyriacos Panayiotou, der sich erst als Popstar George Michael erfinden musste.
Eine außergewöhnliche Freundschaft
Regisseur Chris Smith hat Archivaufnahmen des Musikers und neue Interviews mit Andrew Ridgeley, der anderen Hälfte von Wham!, so kombiniert, dass eine Art Dialog entsteht. Dieser hat auch sein Archiv geöffnet, und so sehen wir Konzertmitschnitte, Interviews und private Aufnahmen, die es vorher noch nicht zu sehen gab.
Die eher konventionell-chronologisch erzählte Doku könnte an manchen Stellen sicher tiefer bohren, etwa wenn es um die Frage geht, was es mit Michael machte, seine Homosexualität verbergen zu müssen, aber Smith gelingt doch ein außergewöhnliches Porträt einer Freundschaft. Michael und Ridgeley lernten einander kennen, da waren sie elf und zwölf Jahre alt.
Michael, dessen Vater aus Zypern nach England ausgewandert war und eine akademische Karriere von seinem Sohn erwartete, war der Neue in der Klasse. Ein scheuer Lockenkopf mit Brille, der in Ridgeley genau den Freund fand, den er suchte. Extrovertiert, selbstbewusst und laut war dieser. Es waren genau die Eigenschaften, die Michael fehlten.
Irgendwann beschlossen die beiden Schüler, Popstars zu werden, und sie warfen sich mit so viel blauäugigem Optimismus in dieses Projekt, wie es vielleicht nur sehr junge Menschen können. Sie schrieben einen ersten Song, doch keine Plattenfirma wollte sie. Bis ein Nachbar, der in der Musikindustrie arbeitete, ihnen einen Vertrag anbot. Zu schlechten Konditionen, sie unterschrieben ihn in einem Imbiss.
Doch ihr Debüt „Wham Rap! (Enjoy What You Do)“ enttäuschte 1982 zunächst. Erst ein Auftritt in der Musikshow „Top of the Pops“ brachte die Wende. Die Fachpresse nahm die beiden überdrehten Jungs in ihren quietschbunten Outfits zunächst zwar nicht ernst, aber die Jugend liebte den Hedonismus und Überschwang, mit denen Songs wie „Club Tropicana“ und „Wake Me Up (Before You Go-Go)“ getränkt waren.
Als erste westliche Band tourten sie durch China
Sie eroberten nicht nur England im Sturm, sondern auch die USA. 1985 reisten sie sogar als erste westliche Band für zehn Tage und einige Konzerte nach China. In Zeiten des Kalten Krieges hatte diese Mini-Tour auch politische Relevanz.
Mit gerade einmal Anfang 20 waren die beiden Schulfreunde erfolgreiche Popstars. Doch der Anfang vom Ende des Duos zeichnete sich schon früh ab. Schrieben sie zu Beginn die Songs zusammen, musste Andrew Ridgeley bald einsehen, dass sein Freund der bessere Songwriter war.
Und irgendwann spürten beide, dass Michael seinen Weg allein gehen musste, wenn er sein musikalisches Talent voll ausschöpfen wollte. Ob die Entscheidung, Wham! auf dem Höhepunkt des Erfolgs aufzulösen, wirklich so harmonisch getroffen wurde, wie die Doku es nahelegt, ist fraglich, aber die tiefe Freundschaft zwischen den beiden wirkt authentisch.
Andrew Ridgeley sei immer mehr als „der andere von Wham!“ gewesen, ohne ihn hätte es, glaubt man diesem Film, den Weltstar George Michael niemals gegeben. Er gab ihm das Selbstvertrauen, das er brauchte.
Der Rest ist bekannt. Am 28. Juni 1986 spielten sie ihr letztes gemeinsames Konzert im Wembley Stadion. Und aus dem ehemals schüchternen Jungen wurde ein Solokünstler, der Millionen Alben verkaufte. „Last Christmas“ hat es übrigens doch noch an die Spitze der Charts geschafft. Allerdings erst im Jahr 2020, vier Jahre nach George Michaels Tod.