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„Die Gerhard Schröder Story“Ist der Altkanzler mit sich im Reinen?

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt den Altkanzler in seiner Kanzlei. Er trägt einen Anzug mit Krawatte. Im Hintergrund das Büro und zahlreiche Bilderrahmen an den Wänden.

Gerhard Schröder empfängt das NDR-Team in seiner Kanzlei in Hannover.

In einer neuen Doku zum 80. Geburtstag von Gerhard Schröder zeigt der ehemalige SPD-Politiker wenig Reue - trotz der Freundschaft zu Putin.

In seinem berühmten Dokumentarfilm „Fahrenheit 9/11“ über die Anbahnung des Irakkriegs durch die US-Regierung von George W. Bush zeigt US-Regisseur Michael Moore den Präsidenten auf dem Golfplatz. Mit ernster Miene ruft Bush die Welt auf, sich seinem Kampf gegen den Terror anzuschließen - und hebt dann das Golfeisen: „Und nun seht euch diesen Schlag an!“

Auch die neue Dokumentation, die NDR-Filmemacher Lucas Stratmann anlässlich des 80. Geburtstags von Gerhard Schröder an diesem Sonntag über den Altkanzler gedreht hat, beginnt auf dem Golfplatz: Schröder hat Stratmann, der 2022 für seine Doku-Serie über Kevin Kühnert mehrfach ausgezeichnet wurde, samt Filmteam eingeladen, ihn mit seiner fünften Ehefrau So-yeon Schröder-Kim aufs Grün zu begleiten. Es ist das erste von vielen Treffen zwischen Hannover und China im letzten halben Jahr: Die Termine hat Schröder vorgeschlagen, alle Fragen seien erlaubt.

Gerhard Schröder Doku zum Anlass seines 80. Geburtstags

Ob er sich sein Leben als Altkanzler, das er nun seit fast 20 Jahren führt, so vorgestellt habe, fragt Stratmann nun zwischen den Schlägen, und so kommt auch Schröder auf dem Golfplatz auf den Krieg zu sprechen: „Naja, weniger mit diesen Auseinandersetzungen“, sagt er. Aber diese hätten ja nur mit „diesem Krieg“ in der Ukraine zu tun, den er noch dazu „öffentlich abgelehnt“ habe, sagt Schröder: „Das will aber keiner wissen.“

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Außer Dienst? Die Gerhard Schröder Story | ARD Mediathek

Schröder schien sich seinen Platz in den Geschichtsbüchern vor allem dadurch gesichert zu haben, dass er die Bundeswehr aus Bushs Irakkrieg heraushielt, sowie durch seine Sozialstaatsreform. Doch kaum war er aus dem Amt, rückte seine Partei von den Hartz-Reformen mehr und mehr ab; Schröder selbst verdingte sich als Gas-Lobbyist im Auftrag des Kreml. Endgültig ruiniert war sein Ruf aber erst, als sein Freund Wladimir Putin die Ukraine überfiel und der Altkanzler ihm dennoch die Treue hielt. Seitdem hat man nicht mehr viel von Schröder gehört. Hier scheiterte mal ein Parteiausschlussverfahren, dort mal ein Vermittlungsversuch Schröders zwischen Moskau und Kiew. Aber wie war das genau? Was sagt er selbst dazu? Und was macht der „Bundeskanzler a.D.“ nun den ganzen Tag? Golfspielen?

Schröder behauptet, die Wahlen in Russland wären frei

Eben nicht. Schröder ist noch immer im Dienst. Und er ist mit sich im Reinen. Beides zeigt Stratmanns Langzeitbeobachtung: Schröders Welt ist in sich stimmig geblieben, inklusive der Männerfreundschaft zu Putin, und es gibt darin für Zweifel oder Reue keinen Platz. Er räumt ein, dass Putin Russland nicht zu erhofft zu einer „ordentlichen Demokratie“ gemacht habe - andererseits: „Es gibt freie Wahlen, das kann man nicht bestreiten“, findet er. Und ohne „die Gesprächsbereitschaft, für die ich immer noch bin“, würde ja auch nichts besser. Doch auf Stratmanns Gegenfrage, ob er die Gespräche für eine Besserung nutzen könne, gibt Schröder zurück: „Man soll sich nicht überschätzen.“

So gelingt dem Dokumentarfilmer eine zugleich faire wie entlarvende Annäherung an Schröder: Das Charisma, das mit ihm 2005 das Kanzleramt bis heute verlassen hat, wirkt noch immer. Das Leutselige ist noch da. Und insgesamt sieht man einen erstaunlich aufgeräumten Altkanzler, wohl auch dank des positiven Einflusses seiner Frau, die bei den dokumentierten Auftritten nicht von seiner Seite weicht.

Der ehemalige Bundeskanzler kritisierte Annalena Baerbock

Andere Bilder zeigen Schröder selig zwischen Putins Scharfmacher Medwedew und dem Kriegsherren persönlich, aber auch seine ernstgemeinten Vermittlungsbemühungen. Zwischen den Zeilen klingt an, wie Putins Sicht auch die des Altkanzlers färbt. Offen bleibt, aus welcher Motivation heraus Schröder jahrelang ein Netzwerk nützlicher Idioten und Kreml-Lobbyisten in der SPD pflegte: Käuflichkeit? Verblendung? Naivität? Trotz?

Stratmann findet Hinweise - etwa, als er Schröder für „Wirtschaftsgespräche“ nach China begleitet und dessen Freude einfängt, als „alter Freund“ hofiert zu werden. Oder als Schröder der aktuellen Außenministerin mangelnde Professionalität vorwirft und die im russischen Fall widerlegte These von der „gegenseitigen Abhängigkeit“ nun unbeirrt auf China anwendet.

Die SPD kämpft um ihre Parteigeschichte

Schröder bleibt betont entspannt: Wenn er bei der Einheits-Feierstunde so platziert wird, dass die Live-Kameras ihn nicht zeigen; als sein Weggefährte Frank-Walter Steinmeier sich von ihm distanziert; wenn seine Kirchgemeinde ihm Wegsehen vorwirft, sagt er: „Das ficht mich nicht an.“ Wer ihn aus der Parteigeschichte tilgen wolle, wie SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, sei nur „ein armer Wicht“, so Schröder. „Ich hab mich nie groß beeindrucken lassen.“ Stratmann bringt ihn sogar zu dem Geständnis, das ständige Anecken und Gegen-den-Strich-Bürsten mache ihm schlicht Spaß. Schröder, das wird klar, geht es zuerst um Schröder.

Als ihn sein SPD-Bezirksverband für 60 Jahre Mitgliedschaft würdigt - unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwar, aber mit prominenten Gästen wie Otto Schily und Sigmar Gabriel -, da schimmern in Schröders Augen Tränen der Rührung. Wie damals, beim Zapfenstreich zum Abschied, als die Kapelle sein Lied spielte: „I did it my way“.