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KrimiserieEin verhängnisvoller Irrtum - der neue „Nachtschicht“-Krimi

Lesezeit 3 Minuten
Ein Einsatz in einem Flüchtlingsheim endet in einer Katastrophe.

Ein Einsatz in einem Flüchtlingsheim endet in einer Katastrophe.

Einsatz für Armin Rohde als Ermittler Erichsen: Im neuen «Nachtschicht»-Fall bekommt er es mit einem tödlichen Schuss bei einer Abschiebung zu tun. Doch steckt noch mehr dahinter?

Durchschnittsbürger wissen über das Leben geflüchteter Menschen in Deutschland meist genauso wenig wie über den Polizeialltag. Der Krimi „Nachtschicht - Der Unfall“ versucht, hier ein wenig Licht ins Dunkel hineinzubringen. Das Vorhaben ist ambitioniert, doch Regisseur Lars Becker, der auch das Buch schrieb, kommt es auf einen Versuch an. 

Der Film läuft am heutigen Montag (31.3.) um 20.15 Uhr im ZDF (er ist auch im ZDF-Streamingportal abrufbar).

Geschäfte mit Verzweifelten

Es beginnt in den dunklen Räumen einer leeren Bar. Dort trifft Schleuser Bas Petros (Selam Tadese) auf seine verzweifelte Kundschaft: Menschen, die versuchen, Angehörige aus Ländern herauszuholen, in denen sie verfolgt werden. Parallel erfolgt ein Einsatz in einem Flüchtlingsheim. 

Der Iraner Joon Rostami (Altamasch Noor) soll von der Bundespolizei herausgeholt und abgeschoben werden. Er wehrt sich. Der in vielen Jahren des Polizeidienstes unerbittlich gewordene Roland Orbach (Maximilian Prückner) nimmt ihn erst in den Schwitzkasten und bringt schließlich seinen Schlagstock zum Einsatz.

Doch Orbach wird von Rostami, der auf Kontakt mit seiner schwangeren Frau besteht, als Geisel genommen. Als das Kriminaldauerdienst-Team auftaucht, scheint es Erich Bo Erichsen (Armin Rohde) zu gelingen, die Situation zu entschärfen, doch Rostamis Reaktion wird von der jungen Polizistin Mona irrtümlich falsch gedeutet. Sie erschießt ihn in vermeintlicher Notwehr.

Aufräumen in der Putzkolonne

Dann wird es kompliziert. Die schwangere Frau des Toten, Hasty (Sogol Faghani), wird in einer illegal beschäftigten Putzkolonne aufgegriffen. Bald steht der Verdacht auf Amtsmissbrauch Orbachs im Raum. Gleich mehrere Figuren geraten in moralisches Zwielicht. 

Herausragend spielt Rocío Luz die junge Polizistin, die in der ersten Vernehmung unter Schock mit beklemmender Offenherzigkeit von ihrer Überforderung im Angesicht zum Opfer berichtet. „Der hat 400 Kilometer auf einem Lkw abgerissen. Er hatte eine schwangere Frau. Ich denke mir, wir schieben ab und bei denen gibt es die Todesstrafe. Muss ich ausblenden.“

Die von Minh-Khai Phan-Thi souverän gespielte Mimi Hu taucht nach mehrjähriger Pause wieder auf und nimmt gemeinsam mit Idil Üners Tülay Yildrim die Ermittlungen auf. Die Episode beschönigt nichts. Meist spielt sich alles in eher tristen – nächtlichen – Räumen ab. Der Überlebenskampf der Geflüchteten ist dabei spürbar, doch Momente von Hoffnung und Liebe sind es auch. 

Ein ungeschönter Blick

Als zusätzlich die Putzkolonne und der Schleuser ins Visier des Ermittlerteams geraten, muss auch die Heimwache Astrid Kühne (Nadeshda Brennicke) einiges erklären. Eiserne Nerven zu jeder Nachtzeit beweist Armin Rohdes Erichsen. Den Chef der Putzmannschaft locht er mit den Worten ein: „Sie sind der Erste, aber keine Sorge, das wird schon noch voll. Langweilig wird’s nicht. Platz ist genug. Man sieht sich.“ Und er soll damit Recht behalten. 

Wie üblich steht bei Autor und Regisseur Lars Becker nicht die Lösung des Falls im Zentrum des TV-Films, es sind die Beziehungen der Beteiligten untereinander und eine größtmögliche Authentizität des Milieus, die ihn interessieren. Hier bemüht sich Becker, alle Seiten differenziert und mit Verständnis für die jeweiligen Nöte darzustellen. 

Da werden Geflüchtete nicht voreilig kriminalisiert – umgekehrt werden aber auch die Polizisten nicht per se zu Heiligen gekürt. Ungeschönt führt der Film die Praxis der Abschiebung vor. Auch wenn sich der Fall mitunter in zu vielen Details verliert, macht ihn genau das besonders realitätsnah und glaubwürdig. (dpa)