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„Earthling”: Eddie Vedder wieder solo unterwegs

Lesezeit 3 Minuten

Berlin – Von den Topstars der Grungerock-Ära ist er einer der letzten Überlebenden: Eddie Vedder, Frontmann von Pearl Jam und inzwischen 57 Jahre alt.

Er hat zum Glück nicht das Schicksal von Kurt Cobain (Nirvana), Chris Cornell (Soundgarden), Layne Staley (Alice In Chains), Scott Weiland und Chester Bennington (beide Stone Temple Pilots) erlitten, die alle auf tragische Weise viel zu jung starben. Wie fit dieser gefühlvolle Sänger und grandiose Live-Musiker nach wie vor ist, beweist er jetzt mit seinem erst zweiten echten Soloalbum.

„Earthling” ist definitiv eine ambitioniertere Angelegenheit als die kleinformatigen „Ukulele Songs”, mit denen Vedder 2011 erstmals unter eigenem Namen vor die (damals leicht irritierte) Öffentlichkeit trat. Denn diese Lieder wurden tatsächlich von dem kuriosen viersaitigen Mini-Instrument geprägt und klangen - trotz der Promi-Gastauftritte von Glen Hansard und Chan Marshall alias Cat Power - nur wie eine niedliche Eigenbrötelei des Rockstars.

Seiner Popularität als Pearl-Jam-Aushängeschild war es zu verdanken, dass das Ukulele-Album dennoch in den Top Ten vieler Länder landete (Platz 4 in den USA).

Nach dem sehr schönen, balladig-besinnlichen Soundtrack „Flag Day” (2021) - erneut zusammen mit den langjährigen Freunden Hansard und Cat Power - präsentiert sich Vedder nun auf „Earthling” im vollen Classic-Rock-Ornat. Schon im hymnischen Opener „Invincible” macht er aus seiner Verehrung für den seinerzeit tatsächlich unschlagbaren Peter Gabriel der 80er Jahre keinen Hehl. „Long Way” beginnt wie ein Gitarrenpop-Song von The Smiths, kriegt dann aber rasch die Kurve zu Tom Petty, an den Vedder hier auch stimmlich erinnert.

Gleichfalls eher traditionell - und bisweilen leider etwas zu vorhersehbar - kommen später zwei, drei andere Titel von „Earthling” daher. „The Haves” ist indes eine sehr gelungene, subtile Ballade. Mit dem Pianopop-Stück „Picture” verbeugt sich Vedder vor seinem Ehrengast Elton John, auf dessen Album „The Lockdown Sessions” (2021) er seinerseits mitgemacht hatte.

Als hübscher Beatles-Tribute geht „Mrs Mills” durch - und das nicht nur wegen der Beteiligung von Ringo Starr. Mit „Good And Evil”, „Rose Of Jericho” und „Try” hält das Album zudem einige punkrockige Titel bereit, zu denen Vedder-Fans auch ihre Pearl-Jam-Flaggen schwenken können.

So richtig anrührend wird es bei „Brother The Cloud” - musikalisch ebenfalls in Pearl-Jam-Nähe mit wuchtigen E-Gitarren, textlich eine offenkundige Hommage an den 2017 mit nur 52 Jahren gestorbenen Grungerock-Freund Cornell. Vedder singt über einen verlorenen Bruder, nach dem er sich sehne.

Der Songwriter hielt sich kürzlich in einem tiefschürfenden Interview der „New York Times” mit konkreten Zuordnungen zurück: „Ich würde das gern für Interpretationen offen lassen. Ganz allgemein kann ich sagen, dass manche Menschen diesen Planeten verlassen, entweder durch Zufall oder geplant, tragisch oder was auch immer.”

Und noch ein weiterer Song ragt mit einem sentimentalen Hintergrund heraus: „On My Way” enthält zu Beginn ein Gesangs-Sample von Eddie Vedders lange verschollenem Vater Edward Severson - als „letzter Spezialgast, den ich nie wirklich kennenlernen durfte”, wie der 57-Jährige sagt.

Der inzwischen gestorbene Amateurmusiker Severson hinterließ eine CD „mit vier oder fünf Songs”, wie Vedder der „New York Times” erzählte. „Ich hatte Angst, mir das anzuhören. Dann warf ich sie ein, und es war großartig. Er konnte wirklich singen. Ich spielte es (dem 'Earthling'-Produzenten) Andrew Watt vor, und wir entschieden uns, es als eine Art Collage ans Ende der Platte zu setzen. Das war eine glückliche Fügung. Ich mag so etwas.”

geben wird, deutet Vedder in dem Interview zumindest an. Denn diese längst legendäre, seit 30 Jahren fast unveränderte Rockgruppe habe „gegenseitige Akzeptanz” inzwischen perfekt verinnerlicht. „Ich habe das Gefühl, dass es künstlerisch in den vergangenen zehn Jahren sogar besser geworden ist als je zuvor.”

© dpa-infocom, dpa:220209-99-42387/3 (dpa)