„Ein großer, plumper Trampel“
Typex, 2018 sorgte Ihre Comic-Biografie über Andy Warhol für Furore. Jetzt erscheint „Rembrandt“, Ihre erste Graphic Novel, entstanden im Auftrag des Rijksmuseums, auf Deutsch. Zuvor haben Sie eher Popmusiker porträtiert. Wie kam es also dazu?
Ich hatte damals gerade eine große Ausstellung meiner Arbeiten in Amsterdam, das Team vom Rijksmuseum schaute dort vorbei und erklärte mir, dass man zur Wiedereröffnung des Museums etwas ganz anderes haben wolle, einen Comic, der nicht pädagogisch ist. Didaktische Bücher zu Rembrandt gebe es zu Genüge. Sie ließen mir völlige Freiheit. Obwohl ich einige verrückte Sachen versuchte.
Am Anfang sehen wir, wie ein Elefant aus dem Bauch eines Schiffes in den hellen Amsterdamer Tag gehoben wird. Eine Metapher für die Anstrengung einer gezeichneten Rembrandt-Biografie?
Ja! Der Elefant dient aber auch noch als Metapher für einige andere Dinge. Rembrandt war ja selbst so eine Art Elefant im Porzellanladen, ein großer, plumper Trampel, der rücksichtslos durch das Leben seiner Mitmenschen stampfte. Später in der Geschichte sieht man den Elefanten dann noch einmal …
… als alte, abgezehrte Jahrmarkts-Attraktion …
Rembrandts kleine Tochter Cornelia schaut ihm dort in die Augen und ist von Trauer über die arme Kreatur übermannt. Als sie kurz darauf ihren Vater sieht, erkennt sie bei ihm denselben Blick. In meiner Version der Geschichte ist sie diejenige, die Rembrandt am besten kennt. Tatsächlich weiß man so gut wie nichts über sie. Ich habe übrigens meine Tochter als Modell genommen.
Gab es noch andere Aspekte, in denen Sie sich dem Meister nahe gefühlt haben?
Ja, ich habe durchaus auch eigene Erfahrungen in das Buch miteingebracht, etwa die eines ums Überleben kämpfenden Künstlers in Amsterdam. Wenn etwas glaubwürdig sein soll, muss man in sich hineinschauen. Die Bücher über Warhol und Rembrandt sind in erster Linie Biografie von Menschen, die eben Künstler sind. Mir ging es darum, sie aus Fleisch und Blut zu zeigen, sie zum Leben zu erwecken.
Offensichtlich wollten Sie nicht einfach bekannte Gemälde im Comic-Stil verfremden …
… oder, was sogar noch schlimmer ist: Kleine Fotografien der Gemälde in die Zeichnungen einzufügen. Das ist die Talsohle. In „Andy“ finden Sie kaum Arbeiten von Warhol, bei „Rembrandt“ verhält es sich etwas anders. Rembrandt ist sein Werk, da kommt man nicht drum herum. Er war vielleicht der erste moderne Künstler.
Die Sekundärliteratur zu Rembrandt füllt Bibliotheken. Wie haben Sie da den Platz für Ihre eigene Geschichte gefunden?
Alle diese Bücher beschäftigen sich mit seinem Werk, zu seinem Leben finden sich nur Spekulationen. Hätte ich nur die verbürgten Dokumente gelesen, hätte ich ein Stunde später mit der Arbeit anfangen können. Das gab mir ausreichend Freiheit. Es war, als hätte man drei Puzzleteile und müsste daraus ein Bild konstruieren. Das war Detektivarbeit, was ich sehr genossen habe. Das Warhol-Buch war viel schwieriger, da gab es eine solche Überfülle an Informationen.
Wie haben Sie denn gepuzzelt?
Ich lebe ja zum Glück in Amsterdam. Die meisten Gebäude aus Rembrandts Zeit stehen hier noch und man kann dieselben Wege gehen, die Rembrandt gegangen ist. Die große Einkaufsstraße ist immer noch dieselbe. Der kürzeste Weg von dort zum Rembrandthuis führt durch die Oude Doelenstraat, „Doelen“ heißt „Ziele“, dort hatten die Schützen ihr Hauptquartier, die in der „Nachtwache“ porträtiert wurden. Auch das Haus steht noch. Ich stellte mir also vor, wie er diese Typen dort trifft. Man kann sich das alles also leicht ausmalen, wenn man nur durch Amsterdam spaziert.
ZU PERSON UND ZUM COMIC-FESTIVAL
Typex, geboren 1962 als Raymond Koot in Amsterdam, ist bekannt für seine Musiker-Zeichnungen. Den Durchbruch als Comic-Künstler erlebte er mit der Rembrandt-Biografie, die jetzt auf Deutsch erschienen ist. „Rembrandt“, Carlsen, 264 S., 48 Euro
Im Rahmen des Kölner Comicfestivals 2019 stellt der deutsche Star-Zeichner Reinhard Kleist am Samstag seine neue Graphic Novel „Knock Out!“ im Literaturhaus vor (20 Uhr, 9 Euro).
Foto: 2013 Typex International Rights arranged through Casterman, Carlsen Verlag, Hamburg 2019