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Legende mit ungebrochener PowerElton John würdigt George Michael in der Lanxess-Arena

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Elton John Konzert Arena header

Ein Sir in Köln: Elton John in der Lanxess-Arena

Köln – „Wir leben in einer verrückten, uns feindlich gesinnten Welt“, sinniert Elton John und widmet seinen nächsten Song den Terroropfern von London und Manchester, von Paris, Berlin, Orlando und Nizza. „I Want Love“ lautet der schlichte Titel des Liedes, das nun nicht länger Ausdruck persönlicher Bedürftigkeit, sondern Forderung an eine allzu lieblose Welt.

Nie, sagt Elton John, hätte er gedacht, dass er einmal in so einer Welt leben müsse. Er ist Jahrgang 1947, Teil einer Generation, welche die längste Zeit in Frieden und Wohlstand leben durfte. Einer Zeit, die man nun schon selig nennen kann.

Elton John Konzert Arena 1

Elton John am Piano

Einer Zeit, in die man am Dienstagabend in der Kölner Lanxess-Arena noch einmal für zwei Stunden eintauche durfte. „The Bitch is back“, kommentierte Maxine Feibelman, damals die Frau seines immerwährenden Songschreibe-Partners Bernie Taupin, wenn Elton John einer seiner berüchtigten Anfälle schlechter Laune ereilte. Und mit „The Bitch Is Back“ eröffnet John auch den Kölner Abend, das hat er schon vor dieser Tour gerne gemacht.

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Elton John im schwarzen, silbernen Frack

Überhaupt diese Tour! „Wonderful Crazy Night“ hat John sie genannt, nach seinem 32. Album, das im Februar 2016 erschienen war (und von dem pro forma zwei Songs gespielt werden). Live ist er allerdings schon seit dem Januar unterwegs und wird es noch bis Ende 2017 sein, ein bewundernswertes Durchhaltevermögen für einen 70-Jährigen. Seine fünfköpfige Band ist nicht viel jünger. Schlagzeuger Nigel Olsson spielt - mit Unterbrechungen - seit 1969 in der Elton John Band, Gitarrist Davey Johnstone ist 1971 dazugestoßen. Er nutzt die zwei Stunden auch, um uns seine beeindruckenden Gitarrensammlung vorzuführen.

Elton John Konzert Arena 3

Elton John interagiert mit dem Publikum.

Die gesamte Band trägt gut geschnittene Anzüge, kombiniert mit Sonnenbrillen, das ist man sich schuldig. Sir Elton John selbst betritt im schwarzen, silbern funkelnden Frack die Bühne, auf dessen Rücken sein Wappen in Gold aufgestickt ist: Klaviertasten und Schallplatten unter einem Helm mit offenem Visier. Als er sich vor seinem Publikum verbeugt, das rechte Bein keck auf die Monitorbox abstützend, sieht man, dass auch seine Schuhe gülden funkeln, wie eine Retro-Disco-Jacke vom Primark.

George Michael erscheint auf LED-Wand

Für Johns Verhältnisse ist das freilich fast schon normale Bürokleidung, zu seinen Hochzeiten, Mitte der 1970er erschien er bekanntlich als Donald Duck oder Freiheitsstatue gewandet am Flügel. Wahrscheinlich nur, um Liberace zu zeigen, wo der Hammer hängt. Dazu genügt allerdings die Musik. Als zweites spielt John „Bennie And the Jets“, den Song, in dem er sich als Fan der titelgebenden Band ausgibt und über die Exzesse der Musikindustrie lustig macht. Die waren einmal, beinahe könnte man nostalgisch werden. Doch ein Elton-John-Konzert ist keine Oldie-Show, trotz des bald ein halbes Jahrhundert zurückreichenden Backkataloges des Künstlers. Dazu ist die Band viel zu gut, singt John viel zu kräftig, flitzen seine Finger viel zu flink über die Oktaven. Die elftausend Zuschauer in der bestuhlten Arena werden von der druckvollen Qualität der Musik ins Hier und Jetzt gerissen.

Wenn bloß der störende Nachhall nicht wäre. Es gibt die erwarteten Hits („Rocket Man“, „Crocodile Rock“), lange nicht mehr live gespielte Schmankerl („Burn Down the Mission“) und jede Menge unerwarteter Höhepunkte. Wie zum Beispiel "Levon" mit seiner langen Coda aus Johns Boogie-Woogie-Piano und Johnstones Gitarrensolo (mit kleinem "Paperback Writer"-Zitat). Oder einer hymnischen Version von "Don't Let the Sun Go Down On Me", bei der auf der LED-Wand hinter der Bühne der Kopf von George Michael erscheint, mit dem John das Stück in den 1990ern noch einmal gesungen hat - zur Erinnerung an das grausige Jahr 2016, das uns als letztes "Fuck you" auch noch Michael genommen hatte. Da wirkt es geradezu trotzig, wenn John gleich anschließend "I'm Still Standing" singt.

Kaum ist er nach "Saturday Night's Alright for Fighting" von der Bühne gegangen, um ehrlich zu sein: gewatschelt, ist er auch schon wieder da, unterschreibt Schallplattenhüllen, Poster, Bücher, und setzt sich noch einmal ans Klavier. Klar, jetzt kommt "Candle in the Wind", die bestverkaufte Single der Welt. Aber schon lange richtet sich die Ballade wieder an ihre ursprüngliche Adressatin, Marilyn Monroe, und nicht an die Föhnwellenprinzessin: "Deine Kerze ist schon lang abgebrannt, deine Legende wird das nie tun." Wie schön zu erleben, dass die Legende Elton John noch mit voller Flamme brennt, eine Lichtgestalt aus besseren, weniger feindseligeren Zeiten.